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Ein Gotteshaus mit Satans Spuren

28.04.2020, 17:52
An mehreren Pfeilern hintereinander finden sich im östlichen Teil des Kreuzgangs die „Teufelskrallen“.
An mehreren Pfeilern hintereinander finden sich im östlichen Teil des Kreuzgangs die „Teufelskrallen“. Katrin Sieler

Besucher des Kreuzgangs neben dem Merseburger Dom kommen gar nicht umhin, die tiefen Kerben in dessen Pfeilern zu bemerken. Es sind keine Materialfehler. Nein, die Spuren finden sich schon seit der Fertigstellung des Kreuzganges. Es sind die Krallen des Teufels, die sich hier im Stein verewigt haben. Und das begab sich so: Ein Baumeister erhielt einst im Mittelalter den Auftrag den Kreuzgang zu errichten. Doch als er über seinen Skizzen und Plänen saß, haderte er. Sie wollten nicht gelingen. Kein Entwurf war schön genug. Frustriert und wütend zerriss er sein Pläne und rief: „Mag der Teufel den Kreuzgang bauen, ich schaffe es nicht.“

Kaum hatte er die Worte gesprochen, da ertönte eine dunkle Stimme hinter ihm: „Was gibst du mir, wenn ich den Kreuzgang baue?“ Der Baumeister erschrak, denn als er sich umdrehte, stand da kein geringer als der Teufel selbst vor ihm, der unbeirrt fortfuhr: „Du hast mich gerufen. Versprichst Du mir deine Seele, so will ich Dir den Kreuzgang bauen, so schön, wie es ihn kein zweites Mal gibt.“ Der Baumeister grübelte einige Zeit über das Angebot. Dann lächelte er und sprach: „Ich bin einverstanden, aber der Kreuzgang muss in jeder Hinsicht vollkommen sein, sonst gilt unser Vertrag nicht.“

Der Teufel willigte ein und machte sich ans Werk. Und an was für eines. Unter seiner Regie entstand einer der prächtigsten Kreuzgänge überhaupt. Als dieser sein Dach erhalten hatte, ging der Satan zu seinem Auftraggeber, um seinen Lohn einzufordern: „Der Kreuzgang steht. Nun bist du mein.“ Doch der Baumeister entgegnete ihm gelassen: „Ist er auch vollkommen, wie ich es als Bedingung gestellt habe?“ Der Teufel bejahte, doch der Baumeister wollte das Werk erst betrachten.

In der Nacht schickte er jedoch einen Priester, der das frische Gemäuer mit geheiligtem Wasser bespritzte und weihte. Als der Teufel mit dem Baumeister am nächsten Morgen den Bau besichtigte, hielt es der Höllenfürst kaum aus. Der Baumeister drängte ihn dennoch in die Kapelle am Westflügel und deutete auf den Altar: „Wo ist denn das Bild des gekreuzigten Jesu? Die Kapelle ist doch nur mit dem Altar vollständig.“ Jetzt merkte der Teufel, dass er genarrt worden war, denn ein Bild des Heilands konnte er nicht schaffen.

In seiner Wut rannte er hinaus in den Kreuzgang. Er wollte die Säulen zum Einsturz bringen, um den Baumeister zu erschlagen, wenn er schon nicht seiner Seele habhaft werden konnte. Doch seine Kraft versagte an den geweihten Steinen, allein die Spuren seiner Krallen mit denen er hineingriff sind noch zu sehen. Der Baumeister jedoch erlaubte sich zur Feier und als Erinnerung an seine erfolgreiche List über den Satan einen Scherz. Als die ersten Besucher den Kreuzgang betraten, entdeckten sie in einer Ecke ein Bild des Baumeisters, der Besuchern und Teufel seinen nackten Hintern zeigt. Bis heute.