Ehrenamt Die Brückenbauer der Merseburger Notfallseelsorge
Wenn die Welt aus den Fugen gerät, sind die Frauen und Männer des Kriseninterventionsteams ein Ankerpunkt.

Merseburg/MZ - Es absolviert etwa 60 Einsätze im Jahr, das Kriseninterventionsteam (Kit) des südlichen Saalekreises. Neun Mitglieder gehören aktuell zu den an ihren lila Westen erkennbaren Notfallseelsorgern, die nach Unfällen oder Suiziden die Angehörigen oder Zeugen in den ersten Stunden betreuen oder die Polizei beim Überbringen von Todesnachrichten begleiten.
Dass es sie gibt, hat sich in den 20 Jahren des Bestehens bei Polizei und Leitstelle herumgesprochen, von denen Kit bei entsprechenden Einsätzen hinzugezogen wird. Aber ihre Arbeit leisten die Frauen und Männer eigentlich im Verborgenen. Nur ab und zu bekommen sie öffentliche Aufmerksamkeit wie jüngst zum Tag des Ehrenamtes.
Da wurde einer aus ihren Reihen, Ronald Walther, auf Vorschlag seiner ehemaligen Mitstreiterin Sia Tandel vom Saalekreis ausgezeichnet. Der 64-jährige Roßbacher ist seit mehr als 15 Jahren dabei, kam durch seine Arbeit im Technischen Hilfswerk dazu. „Mit seiner ruhigen und ausgeglichenen Art ist er ein Ankerpunkt in einer Situation, in der die Welt der Betroffenen völlig aus den Fugen gerät“, heißt es in seiner Laudatio, und Sia Tandel kann das nur bestätigen. „Er ist ein Vorbild fürs Team“, sagt sie.
Notfallseelsorger kann jeder werden, der zwischen 25 und 70 Jahre alt, empathisch und mobil ist und über ein intaktes soziales Umfeld verfügt. In einer 80-stündigen Ausbildung wird man dann auf die Aufgabe vorbereitet.
In der Gruppe gibt es dann regelmäßig Supervisionen „für die Seelenhygiene“ und einmal jährlich eine Fortbildung. Monatlich wird ein Bereitschaftsplan mit Zwölf-Stunden-Schichten erarbeitet, so dass jeder vier- bis sechsmal an der Reihe ist. Bei großen Einsätzen, Familien mit vielen Mitgliedern oder wenn es in eine Schule geht, sind immer gleichzeitig mehrere Notfallseelsorger im Einsatz.
Hauptaufgabe der Notfallseelsorger ist das Zuhören, die wichtige körperliche Anwesenheit für einen Menschen, der gerade einen schweren persönlichen Schicksalsschlag erlebt. Jeder hat einen kleinen Koffer dabei mit Dingen, die hilfreich sein könnten: eine Flasche Wasser, Papiertaschentücher, eine Kerze, ein Plüschtier, ein Buch mit einem Gebet, Zigaretten, Süßigkeiten - jeder handhabt das anders nach seinen Erfahrungen. Die Teammitglieder knüpfen auch ein Netzwerk. Das kann der Nachbar sein, jemand aus der Familie oder ein professioneller Trauerbegleiter. Denn nach ihrer ersten Hilfe der anderen Art ist ihre Arbeit getan.
Wer dieses Ehrenamt übernimmt, dem steht keine leichte Arbeit bevor. Aber die Notfallseelsorger haben gleich mehrere Antworten auf die Frage parat, warum sie dazu bereit sind: Weil es eine gute Vorbereitung in Form der Ausbildung gibt. Weil es wichtig ist, den Leuten gut tut und erdet.
Träger des Kriseninterventionsteams im südlichen Saalekreis ist der Evangelische Kirchenkreis Merseburg. Wer sich für das Ehrenamt des Notfallseelsorgers interessiert, kann sich telefonisch unter 03461/3 32 20 melden. Die Anfrage wird dann weitergeleitet.