Die Braukunst hat treue Anhänger
MERSEBURG/MZ. - Wilfried Rudolf, gebürtiger Merseburger, hat in den Online-Nachrichten der MZ von Plänen des Galeristen Holger Leidel gelesen, nach langer Abstinenz in der Stadt wieder einheimisches Bier anzubieten und in Landsberg brauen zu lassen. Das findet Herr Rudolf " sehr interessant", wie er schreibt.
Und er schildert auch noch Eindrücke aus seiner Kindheit in den frühen 60er Jahren, als die Bierwagen mit ihren gewaltigen Eichenfässern von stolzen Brauereipferden durch die Straßen Merseburgs gezogen wurden. Herr Rudolf hat nochmals bei Herrn Goethe geblättert, der "das schwere Merseburger Bier" mehrfach erwähnte. "Es verdüsterte mein Gehirn" heißt es in seinem Werk "Dichtung und Wahrheit". Und zu Knebel soll Goethe
gesagt haben, das Biertrinken stumpfe die Nerven ab und werde die Schuld tragen an der künftigen "Geistlosigkeit, Verkrüppelung und Armseligkeit unserer Literatur". Selbst Genies können sich irren, wie man sieht.
Und Heimatforscher Werner Wolff aus Merseburg hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. Er hat noch ein Schriftstück über die Entwicklung der Merseburger Stadtbrauerei gefunden. Ihre Gründung sei wahrscheinlich auf das Jahr 1546 zurück zu verfolgen, heißt es da. Damals seien wohl die Braurechte einzelner Privatpersonen zusammen geführt worden. Und wo sich die erste Brauerei, das Birnbaum-Brauhaus, befunden habe, sei auch nicht mehr klar. Berühmt seien einst das Schwarz- und das Braunbier der Domstadt gewesen, sie hätten eine besondere Eigenart gehabt. Welche, lässt das Schriftstück aber offen.
Verbürgt ist jedenfalls, das mit Beginn des 19. Jahrhunderts die Brauereifamilie Berger in die Bier-Entwicklung Merseburgs eingegriffen hat. Ein Johann Wenzel Berger, aus Böhmen kommend, wurde vom Rat zum Braumeister berufen. Er hat 1833 die am Neumarkt gelegene Kommune-Brauerei erworben. Sein Sohn Carl Berger pachtete dann 1849 und erwarb wenig später das Anwesen der Stadtbrauerei. 1872 schließlich verlegte er den Hauptbetrieb in die von ihm gebaute Dampfbrauerei in der Halleschen Straße 4. Im Jahr 1873 errichtete er dazu noch eine Mälzerei und 1879 neue Hallen.
Nach dem Tod des Gründers im Jahr 1882 führten die beiden Söhne Max und Carl Berger die Geschäfte weiter. Hatte die Brauerei 1881 einen Ausstoß von etwa 20 000 Hektolitern, so steigerte er sich bis 1913 auf 75 000 Hektoliter.
Wegen Erbauseinandersetzungen gelang der Brauerei-Betrieb der Bergers im Ersten Weltkrieg zum Verkauf. Ab 1. Oktober 1919 trug das Unternehmen den Namen Engelhardt. Und am 1. Oktober 1928 folgte dann wohl die Angliederung an die Mitteldeutsche Engelhardt-Brauereien AG Halle, Abt. Merseburg, die bis 1945 bestand.
Werner Wolff besitzt auch eine alte Postkarten-Ansicht mit dem einstigen Brauerei-Gebäude im Hintergrund. Das alte Brauerei-Gelände befand sich auf dem Areal des heutigen Busbahnhofes unmittelbar neben dem Bahnhof. In den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die Brauerei dann bei Luftangriffen komplett zerstört. Im Internet kann man auch noch die Ansicht eines alten Bierdeckels und einer historischen beriebenen Flasche (22 cm hoch) mit Aufschrift: "Engelhardt" samt Bügelverschluss aus Keramik zum Preis von 11,49 Euro finden. Die Brauerei hatte, wie die Umschrift auf dem Etikett verrät, neben der Domstadt offenbar auch noch Niederlassungen in Sangerhausen und in Halle, wo sich auch die Zentralverwaltung befand. Eine Vorzugsaktie der Engelhardt-Brauerei von 1920 über einen Nennwert von 1 000 Reichsmark kostet unter Sammlern übrigens 175 Euro.
Auch die traditionsreiche Freyberg-Brauerei aus Halle hatte übrigens in Merseburg eine Niederlassung, ebenso die Brauereien Riebeck, Oettler aus Weißenfels, Ulrich und Sternburg aus Leipzig.
"Ich wurde es sehr begrüßen, wenn Merseburg wieder ein eigenes Bier hätte", sagte Wolff der MZ. "Das ist eine gute Möglichkeit, die Stadt weiter bekannt zu machen und eine kostenlose Werbung obendrein."