Das eingemauerte Kind Das eingemauerte Kind: Die Sage um die Hohe Brücke bei Merseburg

Eine gar düstere Geschichte rankt sich um die Genese der Hohen Brücke bei Merseburg: Auf dem Neumarkt lebte einst eine junge Bürgerstochter. Sie war schön und daher entsprechend gefragt, bei den jungen Männern der Stadt. Ihre Wahl fiel schließlich auf einen Fischersohn aus gut betuchtem Hause. Ein ärmerer Buhler, Sohn einer vermeintlichen Wahrsagerin und Zauberin, hatte dagegen das Nachsehen. Dieser mochte das freilich nicht klaglos hinnehmen und bereitet dem Paar ein unliebsames Hochzeitsgeschenk. Vor der Kirche stürzte sich der Verschmähte auf den Bräutigam und verletzte ihn schwer. Dann sprang er in die Saale, aus der er nur noch tot geborgen werden konnte.
Die Wahrsagerin verfluchte daraufhin die junge Braut und schwor Rache. Die Gelegenheit sah sie gekommen, als ein Jahr später das erste Kind des jungen Paares zur Welt kam. Die Sturmglocke schallte eines Tages durch Merseburg. Als Grund erfuhren die herbeieilenden Bürger, dass die Bögen der in Bau befindlichen Brücke an der Fasanerie eingestürzt seien und fasst den Fischersohn erschlagen hätten. Er berichtete, dass eine schwarze, ungeheure Faust in die Quader gefasst und sie wie Spielzeug umher geworfen habe.
Die Wahrsagerin nutzte die Gelegenheit und ging zum Rathaus. Dort hatten sich Bischof, Domkapitel, Bürgermeister und Ratsherren versammelt. Sie erzählte ihnen, dass ihr ein Engel erschienen sei und ihr gesagt habe, dass der Teufel der Stadt Schaden wolle und daher die Brücke immer wieder einreißen werde.
Einen Ausweg gebe es allerdings: Ein sündenfreies Menschenleben müsse als Opfer in die Brücke eingemauert werden. Sie schlug für diese Rolle, dass neugeborene Kind des Fischerpaares vom Neumarkt vor. Als die Wahrsagerin dessen Namen erwähnte, erklangen plötzlich die Glocken. Die Anwesenden sahen dies als göttliches Zeichen.
Von diesem Zeichen berichteten sie auch dem Paar, dass sie nun um ihr Kind baten. Die Mutter weigerte sich jedoch es herauszugeben. Die Stadtführung griff daraufhin zur Gewalt, warf den Fischer in den Kerker und entriss der Mutter ihr Kind. Der Bau der Brücke wurde erneut begonnen und als die Bögen sich wieder gen Himmel streckten, zog eines Tages ein langer Zug unter Glockengeläut zur Brücke. Der Bischof selbst trug das unschuldige Kind. Es trug ein weißes Gewand und einen Rosenkranz auf dem Kopf. Unter Chorgesang und Gebet wurde es lebendig in die Brücke eingemauert.
Die Eltern wiesen in ihrer Trauer alle Geschenke zur Entschädigung ab. Die Mutter konnte den Verlust nicht verwinden, wurde trübsinnig und stürzte sich eines Tages in die Saale. Zwar konnte sie gerettet werden, doch wenig später erlag sie den Verletzungen. Der Türmer bekam es derweil mit dem Gewissen. Er gestand dem Rat, dass ihn die Wahrsagerin zum Läuten der schicksalsträchtigen Glocken überredet habe. Auch den Bischof plagten Alpträume. Die Wahrsagerin wurde verhaftet. Im Verhör gestand sie ihre Schuld. Der Türmer und sie fanden daraufhin ihr Ende auf dem Scheiterhaufen.