Chemieriese Braskem Chemieriese Braskem: Schkopauer führt Geschäfte eines brasilianischen Weltkonzerns

Schkopau - Während sich die brasilianische Nationalmannschaft bei der Fußball-WM schon verabschiedet hat, trumpfen die „Brasilianer“ in Schkopau groß auf: Seit 20 Jahren wird im Chemiepark Polypropylen (PP) produziert. Das Material ist Ausgangsstoff für diverse Erzeugnisse von der Automobilindustrie über die Landwirtschaft bis hin zu Haushaltsgegenständen. Seit 2011 gehört das Werk zum brasilianischen Chemieriesen Braskem, der die Anlage von Dow gekauft hatte.
Von Anfang an hat an den europäischen Braskem-Standorten ein waschechter Schkopauer das Sagen. Dabei wollte Hans-Jürgen Buchmann als Jugendlicher nie in die Chemie. „Das waren ja damals ganz andere Zeiten“, sagt er. „Alles war verdreckt, und ich habe gesehen, wie mein Großvater und meine Eltern tagein tagaus in Buna gearbeitet haben.“
Buchmann wollte ein anderes Leben führen. Der 60- Jährige wollte Musiker werden. „Ich habe Posaune gespielt und noch andere Instrumente“, erzählt er. Dann aber studierte er in Merseburg doch Werkstofftechnik - und war nach seinem Abschluss bei der Delegierung zu spät. „Da waren nur noch zwei Plätze in Buna und einer in Leuna frei“, so Buchmann. Er musste sich seinem Schicksal fügen.
Mit nur 32 Jahren wurde Hans-Jürgen Buchmann Abteilungsleiter
Zunächst arbeitete Buchmann im wissenschaftlichen Koordinierungszentrum, dessen Aufgabe unter anderem die Materialprüfung war. Später ging es für ihn in die Walzmischung. Mit nur 32 Jahren wurde er bereits Abteilungsleiter in der Warmkautschuk-Produktion.
Dann kam die Wende. Und für Buchmann blieb Mitte der 90er nur noch die Rolle des Abwicklers. „Von 200 Mitarbeiter konnte ich immerhin 20 durch Kontakte in neue Jobs vermitteln“, erzählt Buchmann, der selbst völlig vergessen wurde.
„Meine Frau, die ebenfalls arbeitslos wurde, und ich saßen schon auf gepackten Koffern, um die Region zu verlassen“, sagt Buchmann. Da kam plötzlich das Angebot von Dow, in einem mehrwöchigen Kurs in den Niederlanden die Programmierung von Großanlagen zu lernen.
„Wir produzieren pro Jahr 350.000 Tonnen und arbeiten an der Kapazitätsgrenze“
Für Buchmann war das nichts, dachte er zumindest. „Aus sechs Wochen wurden zehn Monate“, sagt er. Am Ende baute er die PP-Anlage, die er noch heute leitet, am Reißbrett mit auf.
Schon damals hätte Dow keinen Hehl daraus gemacht, die PP-Anlage abstoßen zu wollen. „Im Zuge eines US-Geschäfts sollte Braskem auch die europäischen Werke mit übernehmen“, erzählt Buchmann. „Darauf war man aber gar nicht vorbereitet.“
Dass die Übernahme dennoch klappte, macht Buchmann noch immer zufrieden: „Wir produzieren pro Jahr 350.000 Tonnen und arbeiten an der Kapazitätsgrenze“, sagt er. Erst vor drei Jahren investierte der Konzern vom Zuckerhut in Schkopau kräftig: Zehn Millionen Eigenmittel flossen aus Eigenmitteln in ein modernes Prozessleitsystem, das elektronische Hirn der Anlage.
Trotz der schwieriger gewordenen Wirtschaftslage glaubt Buchmann nach wie vor an gute Geschäfte: In den USA ist der Konzern inzwischen größter Hersteller von PP, in Südamerika sowieso. Dort ist Braskem zudem dabei, die biobasierte Produktion von Kunststoffen anzukurbeln. Polyethylen, ein weiteres zentrales Produkt, wird seit geraumer Zeit aus Zuckerrohr hergestellt.
„An jedem Standort sind wir präsent und wollen den Menschen etwas zurückgeben“
Auch Aufreger wie der Korruptionsskandal der brasilianischen Odebrecht-Gruppe, die große Anteile an Braskem hält, scheinen am Konzern halbwegs schadlos vorbeizugehen. „Im Zuge des Skandals, der ganz Lateinamerika erschüttert hatte, hat sich Braskem neu aufgestellt, von der Chefetage bis hin zum Logo“, sagt Buchmann.
Der Europa-Chef und sein Team sind derweil nicht nur in der Chemie dick im Geschäft. Auch sozial engagiert sich Braskem immer wieder. Erst Mitte Juni ging die halbe Belegschaft beim Benefizlauf des Merseburger Lions-Clubs an den Start, um für den guten Zweck möglichst viele Runden zu drehen.
„An jedem Standort sind wir präsent und wollen den Menschen etwas zurückgeben“, sagt Buchmann. So hielt man es auch nach dem verheerenden Hochwasser im Jahr 2013, das auch im Saalekreis große Schäden anrichtete. Damals spendete das Unternehmen spontan 10.000 Euro. (mz)