Bitte recht freundlich Bitte recht freundlich: MZ-Redakteur arbeitet einen Tag als Telefonist im Callcenter

Merseburg - „Guten Tag, mein Name ist Marcus Radde, wie kann ich Ihnen denn helfen?“, sagt der junge Mann und setzt kein freundliches Gesicht auf, als er seinen nächsten Kunden begrüßt. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, denn der Gesprächspartner kann den 20-Jährigen ohnehin nicht sehen. Radde, der trotzdem sympathisch klingt, ist nämlich einer von bundesweit rund 158.000 Menschen, die ihren Lebensunterhalt in einem Callcenter verdienen. „Mit der Arbeit hier will ich mir ein finanzielles Polster für ein Studium anlegen“, sagt der junge Mann, der seit sieben Monaten bei der TAS AG in Merseburg arbeitet.
60 Mitarbeiter in Merseburg
In der früheren Filiale der Dresdner Bank in der Gotthardstraße betreibt die 1992 als Familienunternehmen gegründete TAS AG seit zwei Jahren schon einen zweiten Callcenter-Standort neben der Zentrale in Leipzig. Neben Radde sollen hier in zwei Schichten rund 60 weitere Mitarbeiter Kunden verschiedener Unternehmen glücklich machen. Die TAS AG arbeitet unter anderem für die Sparkassen und beantwortet mit ihren Mitarbeitern Fragen zu Verträgen oder Schriftverkehr mit den jeweiligen Kreditinstituten.
Aber auch ein namhafter Möbelhändler und ein Internetportal, das Infos zu allen denkbaren Dienstleistungen rund ums Haus bietet, gehört zum Kundenstamm. „Ich hatte eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker begonnen, dann aber gemerkt, dass das nicht wirklich passt“, erzählt Radde. Ungelernt hat er dann bei der TAS AG angefangen. Denn um die Gesprächspartner am Telefon zufrieden zu stimmen, dafür braucht man keine bestimmte Ausbildung. „Unsere Mitarbeiter werden von uns natürlich geschult“, sagt Unternehmenssprecherin Nicole Wagner-Geyer.
Abhängig vom Themengebiet, in dem sie später arbeiten sollen, können die Schulungen Tage, aber auch Wochen umfassen. Gerade der Finanzsektor ist natürlich komplex, benötigt Vorbereitung. „Wir sollten viele Dinge auswendig lernen“, erzählt Radde. Falls ein Gespräch knifflig zu werden droht, liegt auf dem Tisch vor ihm ein Leitfaden, in dem beispielsweise verschiedene Produkte noch einmal genauer erläutert sind. „Viele Anfragen beantwortet man irgendwann ganz routiniert, weil sie immer wieder auftreten“, erzählt Radde.
Callcenter: Kontakt zwischen dem Anrufer und Fachfirmen zu vermitteln
Zum Beispiel Fragen zu Auszahlungen oder Kündigungsfristen von Verträgen, die abgeschlossen wurden. „Sitzt Ihre Mutter denn neben Ihnen“, fragt Radde in seinem nächsten Gespräch den Anrufer, der im Auftrag seiner Mutter einen Vertrag auflösen will. „Das Bankgeheimnis“, erklärt Radde. „Anrufer müssen sich immer legitimieren.“ Zahlreiche Fragen stellt eine Etage über ihm derweil auch Katrin Saal. Sie hat schon mehrjährige Callcenter-Erfahrung. „Wie groß ist Ihr Dach denn?“, fragt sie den Anrufer, der sich für eine Solaranlage interessiert.
Saals Aufgabe ist es, einen Kontakt zwischen dem Anrufer und Fachfirmen zu vermitteln, die ihm dann konkrete Angebote unterbreiten. „Auch hier braucht man ein gewisses Fachwissen, die Mitarbeiter sind teils auf Küchen, andere auf Markisen spezialisiert“, erklärt Unternehmenssprecherin Wagner-Geyer. Routiniert arbeitet Katrin Saal einen vorgegeben Fragenkatalog ab, um die Anfrage des Kaufinteressenten zu spezifizieren. Nach gut zehn Minuten ist das Gespräch beendet.
Mitarbeiter des Callcenters erhalten Nacht- und Feiertagszuschläge
„Um im Callcenter arbeiten zu können, sollte man grundsätzlich freundlich sein und ein sonniges Gemüt haben“, sagt Wagner-Geyer. „Ein kleines Helfersyndrom schadet auch nicht“, ergänzt sie und lächelt. Hochdeutsch sei keine Voraussetzung, werde mit den Mitarbeitern aber auch trainiert. „Auch Übungen, wie man aufgebrachte Anrufer beruhigen kann, erhalten die Kollegen.“ Zumindest im Fall der TAS AG soll auch der Verdienst stimmen. Es werde Mindestlohn gezahlt.
Ab einer bestimmten Firmenzugehörigkeit gehe die Bezahlung darüber hinaus, heißt es. Zudem erhalten Mitarbeiter Nacht- und Feiertagszuschläge. „Außerdem lieben wir Partys“, sagt die Sprecherin. Bei diesen seien auch die Familien der Mitarbeiter willkommen. „Das gehört dazu, wenn man sich von den Angehörigen auf der anderen Seite auch Verständnis für Urlaubssperren oder Überstunden erhofft.“ Damit die Arbeit am Telefon zudem nicht zu eintönig wird, steht im Merseburger Callcenter ein Tischkicker. „In Leipzig wird zwischendurch auch mal Tischtennis gespielt“, sagt die Sprecherin.(mz)

