1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Merseburg
  6. >
  7. Bio-Tasse mit Verfallsdatum: Bio-Tasse mit Verfallsdatum: Wie ein Merseburger das Plastikproblem lösen will

Bio-Tasse mit Verfallsdatum Bio-Tasse mit Verfallsdatum: Wie ein Merseburger das Plastikproblem lösen will

Von Undine Freyberg 06.08.2018, 05:00
Peter Putsch präsentiert links die Originaltasse der Bauhaus-Künstlerin aus Porzellan und rechts die Bio-Tasse, die in Merseburg hergestellt wird.
Peter Putsch präsentiert links die Originaltasse der Bauhaus-Künstlerin aus Porzellan und rechts die Bio-Tasse, die in Merseburg hergestellt wird. Peter Wölk

Merseburg - Wenn es nach Peter Putsch ginge, sollten Bilder wie die von Plastikmüllbergen an den Stränden der Dominikanischen Republik oder des Libanon so schnell wie möglich der Vergangenheit angehören. Und er hat eine innovative Antwort auf das globale Problem: Das Zauberwort heißt Biopolymer.

Tüte aus Biokunststoff: Nach etwa 60 Tagen Geschichte

„Einfach ausgedrückt, ist es biologisch abbaubarer Kunststoff pflanzlichen Ursprungs, der bei Bedarf nach ungefähr zwei Jahren verschwunden sein kann - aber nur wenn sich Bakterien damit beschäftigen“, erklärt Peter Putsch.

Zum Vergleich: Eine Plastikflasche oder eine Wegwerfwindel, die im Meer landen, verschwinden erst nach 450 Jahren. Bis eine Plastiktüte zersetzt ist, dauert es zehn bis 20 Jahre. Eine dünne Tüte aus Biokunststoff wäre nach etwa 60 Tagen Geschichte.

Auf der Suche nach fortschrittlichen Lösungen für das Plastikproblem

Der gebürtige Nürnberger und Wahlmerseburger Putsch ist Vorstand der Fördergemeinschaft für Polymerentwicklung und Kunststofftechnik „Polykum“. Zu diesem Verein haben sich 55 verschiedene Firmen und Institute aus der Kunststoffbranche zusammengeschlossen, die unter anderem nach fortschrittlichen Lösungen für das Plastikmüllproblem suchen.

Außerdem ist Putsch Chef der Firma Exipnos, die er 2009 als Entwicklungsabteilung der Putsch Plastics GmbH gegründet hatte. Exipnos mit Sitz in Merseburg beschäftigt sich mit der Erforschung und Produktion von Spezialkunststoffen mit besonderen Eigenschaften.

Bio-Neuauflage eines Designstücks

Um die Idee der Biopolymere bekanntzumachen, stellt Peter Putsch in seiner Firma etwas ganz Besonderes her: nämlich die Bio-Neuauflage eines Designstücks aus den 1930er Jahren. Die Lyoner Künstlerin Marguerite Friedlaender-Wildenhain, Bauhausschülerin in Weimar und später Leiterin der Keramik- und Porzellanwerkstatt an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle, hatte die Tasse - ohne Henkel, dafür aber mit Standring - 1931/32 für die Ausstattung des neuen Flughafens Halle-Leipzig entworfen. 

„Ich hatte mir ein Buch über das Bauhaus gekauft, sah darin die Tasse und war sofort begeistert“, erzählt Putsch. Denn ein Dreivierteljahrhundert nach ihrem Entwurf hat die „Ringmoccatasse“, wie sie die Künstlerin nannte, nichts an Originalität eingebüßt. Das sieht auch Sachsen-Anhalts Landesregierung so. Sie wird anlässlich des 100-jährigen Bauhausjubiläums im kommenden Jahr eine limitierte Auflage der Bio-Tasse als Geschenk zu besonderen Anlassen nutzen.

Bio-Tasse aus der Region

Das Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum für Polymersynthese und -verarbeitung in Schkopau lieferte für das Tassen-Präsent Versuchskapazitäten und Know-how. Das Chemieunternehmen BASF, das mit einem Werk in Leuna im Saalekreis ansässig ist, stellte den Biokunststoff „ecovio“ zur Verfügung, Und bei Exipnos in Merseburg wurden Tasse und Untertasse aus diesem Kunststoff im Spritzgussverfahren hergestellt.

Gerade wurde die Tasse auf einem Biopolymer-Kongress von Polykum erstmals öffentlich präsentiert. „Und sie wird nun hoffentlich als Werbeträger für Biopolymere einen Siegeszug antreten“, hofft Peter Putsch. Firmen aus Marokko, Finnland, Thailand, Frankreich, Tschechien, Österreich, der Schweiz und Deutschland seien jedenfalls begeistert gewesen von der Idee des Biokunststoffs mit Verfallsdatum. „Viele haben sich bereits für unseren Kongress im nächsten Jahr angemeldet“, freut sich der 60-Jährige.

„Aus Biopolymeren könnte so ziemlich alles hergestellt werden, was in unserer alltäglichen Welt benutzt wird“, sagt Peter Putsch. Er denke da zum Beispiel an Gehäuse von Laptops, Computern oder Haushaltsgeräte. „In jedem Fall würden die Plastikmüllberge weltweit irgendwann nicht weiter wachsen.“ (mz)