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Bahnstrecke Merseburg-Leuna Bahnstrecke Merseburg-Leuna: Was erinnert heute noch an den Aue-Schreck

Von Nico Grünke 05.12.2016, 08:43
Ralf Schade zeigt das Kursbuch des Aue-Schrecks.
Ralf Schade zeigt das Kursbuch des Aue-Schrecks. Peter Wölk

Leuna - Wirklich Schreckliches hat sich auf der Strecke zumindest im Zusammenhang mit den darauf regelmäßig rollenden Vehikeln offenbar nicht ereignet: Züge, die Jahrzehnte täglich zwischen Merseburg und Leipzig fuhren und dabei auch in Leuna Station machten, bekamen von der Bevölkerung dennoch einen einprägsamen Spitznamen verpasst: Als „Aue-Schreck“ wurden sie bezeichnet.

Mit der Tatsache, dass in der Endphase des Zweiten Weltkrieges auch Flugabwehrgeschütze auf dem Abschnitt transportiert worden waren, habe das aber nichts zu tun, war von Ralf Schade zu erfahren. Der Leiter des Leunaer Stadtarchivs hat zum Thema Aue-Schreck eine Ausstellung im örtlichen Rathaus eröffnet. Und die stieß auch auf reges Interesse, was aber auch kein allzu großes Wunder war. Schließlich rollten noch bis ins Jahr 1998 Güter- sowie Personenwagen durch die Aue.

Von persönlichen Erinnerungen hatten einige Besucher zu berichten

Von persönlichen Erinnerungen hatten einige Besucher daher zu berichten. „Ich bin zwischen 1975 und 1980 fast täglich mit dem Zug von Leuna nach Halle gefahren“, erzählte etwa Hans Kirsten, der damals an der Universität in Halle Studierende im Fach Englisch unterrichtete. Kirsten hatte zwischenzeitlich auch an der Entwicklung von Unterrichtsmaterialien mitgewirkt. „In Leipzig haben wir über eine längere Zeit eine Grammatik und Übungshefte dazu entwickelt.“

Der Dozent stellte sich in der Zeit beinahe jeden Morgen gemeinsam mit Arbeitern aus dem Leuna-Werk bei einem Leunaer Bäcker für dessen besonders lecker duftende Brötchen in eine lange Schlange. Ein Zeitaufwand, den er im Grunde in Kauf nehmen musste. „Die Kollegen in Leipzig haben immer schon sehnsüchtig auf die Brötchen aus Leuna gewartet.“ Auf das gemeinsame Frühstück freute sich Kirsten dann schon immer auf der Zugfahrt von Leuna durch die Aue.

Planungen für den Abschnitt bereits Ende des 19. Jahrhunderts

Ähnliche Geschichten hatten auch andere Ausstellungsbesucher zu erzählen. Aber auch für Leute, die keine eigenen Erlebnisse mit dem Aue-Schreck verbinden, ist das, was Ralf Schade aus dem Archiv geholt hat, durchaus interessant. Äußerst betagte Kursbücher sind beispielsweise neben zahlreichen Fotos zu sehen, ebenso verschiedenen Skizzen, die sich auf den Streckenabschnitt beziehen - unter anderem Pläne für Bahnhofsgebäude. Angefangen hatten die Planungen für den Abschnitt bereits Ende des 19. Jahrhunderts.

Der Ingenieur Wilhelm Witt legte das Projekt für die Strecke vor. Kohle aus dem Geiseltal sollte etwa nach Leipzig gebracht werden. Drei Jahre später wurden die Anliegergemeinden über das Vorhaben informiert. Doch erst 1910 erteilte der preußische Landtag die Genehmigung, die Strecke zumindest bis zur preußisch-sächsischen Grenze nach Zöschen zu bauen. Die berechneten Baukosten in Höhe von 1,75 Millionen Mark sollten die Gemeinden Merseburg, Rössen, Wallendorf und Zöschen tragen.

In den letzten Kriegsmonaten wurde die Brücke bei Rössen gesprengt

Ab 1915 wurde die Strecke gebaut, wobei Kriegsgefangene zum Einsatz kamen. Nach und nach wurden einzelne Streckenabschnitte freigegeben. Der erste Zug direkt aus Merseburg erreichte jedoch erst Anfang Juli 1928 den Leipziger Hauptbahnhof. In den letzten Kriegsmonaten wurde die Brücke bei Rössen gesprengt. Wie wichtig der Verbindung war, zeigt die Tatsache, dass schon 1945 mit dem Wiederaufbau begonnen wurde. Keine zwei Jahre darauf rollte der Zugverkehr wieder. 1991 wurde letztmalig Kohle transportiert. Aschezüge vom Kraftwerk in Schkopau fuhren fortan.

Und sieben Jahre später wurde dann auch der Personenverkehr auf der Strecke eingestellt. Der Aue-Schreck war Geschichte. (mz)