Kontroverse in Merseburg AfD-kritische Lesung in Merseburg: Theatertruppe wirft AfD-Mitglieder raus

Merseburg - Ein im Juni dieses Jahres öffentlich gewordenes Chatprotokoll der sachsen-anhaltischen AfD hat nicht nicht nur dem Verfassungsschutz Hinweise auf verfassungsfeindliche Einstellungen von Parteimitgliedern geliefert. Auch die Theatertruppe „bühnefrei & friends“ aus Magdeburg hat die insgesamt 360 bekannt gewordenen Seiten intensiv studiert und daraus ein Bühnenstück kreiert.
Am Montag haben die Künstler zum neunten und letzten Mal die szenische Lesung „Geleakt - aus dem Innenleben der AfD“ aufgeführt. Da auch Vorstandsmitglieder des AfD-Kreisverbands Saalekreis anwesend waren, endete die Darbietung in der Merseburger Stadtkirche mit einer Kontroverse.
AfD-kritische Lesung in Merseburg: Geleakte Whatsapp-Chats entlarven Gedankenwelt der rechten Politiker
Gleich zu Beginn hatte die Moderatorin des Abends, der nicht nur die Lesung, sondern auch eine Diskussion zum Thema Rechtspopulismus umfassen sollte, mit Blick auf die AfD-Leute im Raum klargestellt, dass Störungen der Veranstaltung nicht toleriert würden.
Zu diesen sollte es zumindest während der Lesung auch nicht kommen. Diese bot einen tiefen und entlarvenden Einblick in die Gedankenwelt zahlreicher AfD-Mitglieder, die in einer Gruppe des Chatprogramms „WhatsApp“ munter immer wieder die gemeinsamen Feindbilder von Antifa bis Lügenpresse beschworen, gegen Flüchtlinge hetzten und sich zunehmend auch gegenseitig an die Gurgel gingen, als der Verdacht eines Maulwurfs aufkam, der Interna nach draußen gab.
Mal witzig, mal erschreckend demonstrierte das Schauspiel, wie viele AfDler ticken, wenn sie sich unbeobachtet wähnen - bis hin übrigens zu Landeschef André Poggenburg, dessen Eintrag „Deutschland den Deutschen“ auch bundesweit Schlagzeilen machte.
AfD-kritische Lesung in Merseburg: AfD-Mitglieder aus dem Saal geworfen
Nach schleppendem Beginn sollte sich im Anschluss an die Lesung dann auch so etwas wie eine Diskussion entspinnen. Es ging dabei unter anderem um die Auswahl der vorgetragenen Chatpassagen. Und um das Demokratieverständnis innerhalb der AfD, über das die Zeilen Aufschluss geben sollten. Als dann auch Burkhard Raue, Schriftführer im AfD-Kreisverband, Fragen stellte, verzogen sich auf Seiten der Veranstalter, dem Merseburger Bündnis für Vielfalt und Zivilcourage schnell die Minen.
Nachdem einer der Schauspieler erklärt hatte, dass die AfD über eine steile Hierarchie verfüge und sich an einer starken Führungsfigur orientiere, hakte Burkhard Raue nach. Er wollte wissen, woran der Schauspieler dies festmache und ob er sich bei seinen Erklärungen lediglich auf das geleakte Chatprotokoll der Partei stütze.
Als der Schauspieler gerade reagieren wollte, griff die Moderatorin des Merseburger Bündnisses für Vielfalt und Zivilcourage ein und beendete die Diskussion. Mit dem Verweis auf eine anstehende zweite Gesprächsrunde, in der es um Überlegungen gehen sollte, wie dem Rechtpopulismus in Merseburg beizukommen ist, verwies sie die AfDler dann des Saals.
Für die zweite Gesprächsrunde sei es nötig, an einem Strang zu ziehen und dieselbe Idee zu teilen, erklärte sie. Kopfschüttelnd, aber ohne Proteste, verließen die Parteimitglieder daraufhin in einer Pause den Veranstaltungsort. (mz)