Abschiebung von Tschetschenen in Merseburg Abschiebung von Tschetschenen in Merseburg: Stress für Schwangere am Morgen

Merseburg - Es ist zwischen 4?und 5 Uhr, als am Mittwochmorgen gleich ein ganzer Trupp unbekannter Menschen vor der Tür eines Hauses in der Weißenfelser Straße in Merseburg steht. In Begleitung zahlreicher Polizisten erklären Beamte der Ausländerbehörde des Kreises Maria D. (Name geändert), dass sie und ihr Mann sofort alle Sachen packen und zusammen mit ihren sieben Kindern umgehend das Land verlassen müssen.
Vielleicht wusste die Familie, die einst vor dem Bürgerkrieg in Tschetschenien geflüchtet war, bereits, dass sie keine Chance hat, in Deutschland zu bleiben. Denn schon in Polen soll sie nach MZ-Informationen ein Asylverfahren durchlaufen haben. Es fiel positiv aus. Die Familie genießt dort Schutz und sollte deshalb dorthin zurückkehren.
Die Umstände der Abschiebung am frühen Morgen stoßen allerdings auf heftige Kritik. Nicht nur bei Initiativen und Unterstützern der Familie, die seit weniger als einem Jahr in Merseburg lebte, sondern auch bei der Integrationsbeauftragten des Landes, Susi Möbbeck.
„Es ist nicht nachvollziehbar, wieso die Abschiebung nicht angekündigt war“, sagte sie gestern auf Anfrage der MZ. Die Familie wäre in aller Frühe heimgesucht worden. „Das ist ein Megastress, den man vor allem der Frau nicht hätte zumuten müssen.“ Denn zum Zeitpunkt der Abschiebung soll Maria D. in der 24. Woche schwanger gewesen sein. „Man hätte sogar überlegen müssen, ob eine ärztliche Begleitung der Abschiebung angebracht gewesen wäre“, sagt Möbbeck. „Angesichts der Schwangerschaft hätte man die Familie auf die Rücküberstellung nach Polen vorbereiten müssen.“
Noch schlimmer: Während die Beamten an der Tür der Familie klingeln, ist Maria D. mit ihren Kindern allein in der Wohnung. Vom Vater, der angeblich suizidgefährdet ist und sich in psychiatrischer Behandlung befunden haben soll, fehlt zu diesem Zeitpunkt jede Spur. Dennoch wird die Abschiebung vollzogen. Die Familie getrennt. „Das ist in Sachsen-Anhalt nicht üblich, aber rechtlich zulässig“, bemerkt Möbbeck.
Mutter und Kinder packen ihre Koffer und Rucksäcke. Die Kleinen sitzen wenig später auf der Stufe der Eingangstür des Wohnhauses. Umringt von den vielen uniformierten Polizisten warten sie, was als nächstes passiert. Nachdem die schwangere Mutter und ihre Kinder in einen Kleinbus gebracht wurden, beginnt die Polizei mit der Suche nach dem Vater - mit einem Spürhund. Durch die Fenster des Busses sieht die Familie zu, wie der Hund auf die Fährte des Vaters angesetzt wird. „Das ist unmöglich, denn nach meinem Wissensstand war keine Gefahr in Verzug, und Asylsuchende sind keine Kriminellen“, kritisierte Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck das Vorgehen der Polizei. Weitere Beamte verfolgen zudem Unterstützer der Familie quer durch das Stadtgebiet - in der Hoffnung, dass sie sie zum Vater führen?
„Man muss sich allen Ernstes fragen, auf welcher Rechtsgrundlage solche Methoden Anwendung fanden“, meinte die Integrationsbeauftragte. Die Suche mit einem Hund sei als Kriminalisierung der Asylsuchenden zu werten, „die die gesellschaftliche Debatte verschärft“, wie Möbbeck sagt. Im Umkehrschluss müsse man sich dann nicht wundern, wenn Bürger Ängste und Vorbehalte gegenüber Asylbewerbern entwickeln.
Vizelandrat Hartmut Handschak war vor Ort zu keiner Stellungnahme bereit. Aber auch schriftlich eingereichte Fragen zum Vorgehen ließ die Kreisverwaltung unbeantwortet. (mz)