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Mieterschutz Debatte im Stadtrat: Kommt die Mietpreisbremse für Magdeburg?

Magdeburg prüft den Erlass von Milieuschutzsatzungen. Sie sollen die Verdrängung weniger zahlungskräftiger Mieter aus beliebten Stadtteilen verhindern. Kommt am Ende sogar eine Mitpreisbremse?

Von Katja Tessnow Aktualisiert: 17.11.2022, 10:26
Sanierte  Gründerzeit-Fassaden in der  Basedowstrasse in Magdeburg-Buckau. Seit 1990 flossen weit mehr als 100 Millionen Euro aus öffentlichen Kassen unterstützend in die Erneuerung des historischen Arbeiterviertels. Mit elbnahen Neubauten ergänzt, erlebt der Stadtteil den erwünschten Boom – doch die Mieten steigen.
Sanierte Gründerzeit-Fassaden in der Basedowstrasse in Magdeburg-Buckau. Seit 1990 flossen weit mehr als 100 Millionen Euro aus öffentlichen Kassen unterstützend in die Erneuerung des historischen Arbeiterviertels. Mit elbnahen Neubauten ergänzt, erlebt der Stadtteil den erwünschten Boom – doch die Mieten steigen. Foto: picture-alliance/ ZB

Magdeburg - Deutliche Signale kommen aus den Stadtteilen Stadtfeld und Buckau, aber auch anderenorts in Magdeburg steigen die Mieten. Können Milieuschutzsatzungen einer Verdrängung weniger zahlungskräftiger Bewohner entgegenwirken? Eine Stadtratsmehrheit hat diese Hoffnung.

Unter dem markigen Titel „Bezahlbare Mieten sichern – Mietsteigerungen eindämmen!“ stand zur jüngsten Magdeburger Stadtratssitzung (14. November 2022) ein Antrag der Linken zu Debatte. Sein Inhalt: Die Verwaltung möge die Ausweisung von Milieuschutzgebieten in Magdeburg prüfen.

Milieuschutz für Teile von Magdeburg - Schutz der vorhandenen Mieter vor Verdrängung

In solchen Zonen können Kommunen Mietsteigerungen im Zuge von Aufwertung, Abriss und Neubau oder Umnutzung unterbinden oder verlangsamen, wenn ansonsten sozial unverträgliche Verdrängungsprozesse oder gar eine Unterversorgung von Teilen der Bevölkerung mit Wohnraum droht. Städte wie München, Hamburg, Berlin und Leipzig versuchen längst, mit dem Instrument gegenzusteuern.

„Anlass für unseren Antrag war die Entwicklung in Buckau“, erklärt Linke-Co-Fraktionschef René Hempel. Saftige Mieterhöhungen nach Eigentümerwechseln sorgten im boomenden Viertel für Anwohnerproteste – und für den Wegzug jener, die sich die gestiegene Miete nicht mehr leisten können.

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Mieten in Magdeburg steigen: Fermersleben, Salbke und Westerhüsen beliebt zum Wohnen

„Buckau ist in den Brunnen gefallen“, urteilt Marcel Guderjahn (Gartenpartei). Für den Versuch, die Mietentwicklung hier mittels Milieuschutzsatzung zu bremsen, sei es zu spät. „Aber Fermersleben, Salbke, Westerhüsen ziehen jetzt nach. Da gehen die hin, die sich Buckau nicht mehr leisten können.“

Für sanierte Wohnungen selbst an der Salbker Hauptstraße würden inzwischen Quadratmeterpreise von zehn Euro aufgerufen, so Guderjahn. Die Intel-Ansiedlung und der geplante Neubau eines elbnahen Wohngebietes im Bereich könnten die Entwicklung beschleunigen, sorgt sich Guderjahn.

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Die Linke fordert zunächst ein „Grobscreening“ fürs ganze Stadtgebiet. „Wir müssen endlich agieren, nicht immer nur reagieren“, so Fraktionschef Hempel.

In welchen Vierteln von Magdeburg lohnt sich eine Milieuschutzsatzung

„Wichtig und richtig“ nennt der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Rösler den Versuch, soziale Verdrängung mittels Milieuschutz zu begrenzen, wenngleich die Rechnung Schutzsatzung gleich niedrige Mieten so einfach nicht aufginge. „Der Antragstitel ist etwas vollmundig“, so Rösler im Wissen um womöglich jahrelange Voruntersuchungen und rechtlich am Ende doch nur begrenzte Möglichkeiten, Mieterhöhungen mittels Milieuschutz dauerhaft zu verhindern.

Dennoch lohne es den Versuch, so Rösler. „Milieus werden zersetzt, das Wohnen wird teurer. Für Buckau ist es womöglich nicht mehr verhinderbar.“ Könne die Stadt anderenorts noch gegensteuern oder den Prozess verlangsamen, sei es minimal, dann müsse sie es tun.

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„Auch die Verwaltung hat festgestellt, dass es Stadtteile gibt, für die wir etwas tun müssen“, räumt der Baubeigeordnete Jörg Rehbaum (SPD) ein. Buckau sei ein schlechtes Beispiel. „Wir haben hier selbst viel in die Verbesserung des Wohnumfeldes investiert. Natürlich steigen die Mieten.“ Rehbaum benennt die Neustadt und Sudenburg als Stadtteile mit Handlungsbedarf. „Sudenburg würde ich am ehesten sehen. Da sollten wir unbedingt den Anfang machen.“

Kommt eine Mietpreisbremse in Magdeburg?

Mirjam Karl-Sy (Tierschutzpartei) lenkt den Blick in der Debatte aufs gesamte Stadtgebiet. „Überall steigen die Mieten, auch im sanierten Plattenbau. Das können sich viele nicht mehr leisten.“ Leider habe die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft viel verkauft; mit dem Effekt einer Ghettoisierung armer Bevölkerungsteile in unsanierten Plattenblöcken im Privatbesitz.

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Karl-Sy regte im Zusammenhang eine Überarbeitung der städtischen Unterkunftsrichtlinie an. Sie legt fest, bis zu welchem Quadratmeterpreis sich Menschen eine Wohnung suchen dürfen, deren Miete der Staat bezahlt. Für einen Dreipersonenhaushalt gelten zum Beispiel aktuell 351 Euro Grundmiete (kalt, ohne Betriebskosten) als angemessen. Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) räumte am Rande ein, dass die Richtlinie gerade überarbeitet werde. „Die Mietentwicklung ist, wie sie ist. Wir werden unsere Richtlinie anpassen müssen“, so Borris. Nach oben, das steht außer Frage.

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Magdeburger Stadtrat stimmt für Milieuschutzsatzungen

Kontra Milieuschutz begehrt AfD-Fraktionschef Frank Pasemann, selbst im Immobiliengeschäft tätig, auf. „Das ist eine alte, linke Idee und hat nie funktioniert.“ Die Folge sei nur, dass Vermieter nicht mehr investierten und Wohnraum verfalle. Aktuell brutale Kostensteigerungen verursachten aktuell viel mehr die steigenden Energie- und Nebenkosten aufgrund verfehlter Bundespolitik.

Eine Ratsmehrheit (26 Stimmen), getragen von Linke, Grüne/future!, SPD und Kleinfraktionären, stimmte am Ende für den Versuch, Mietpreise und Verdrängung mit Milieuschutzsatzungen zu bremsen. Zehn Gegenstimmen und zwei Enthaltungen steuerten AfD, CDU und FDP bei. Ob Magdeburg die Mietpreisbremse mit solchen Schutzsatzungen rechtlich sauber ziehen kann, müssen nun zunächst Voruntersuchungen erweisen.

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Hintergrund

Laut Baugesetzbuch (Paragraf 172) können Kommunen für einzelne Viertel Satzungen „zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt“, aber auch aus sozialen Gründen erlassen, nämlich „zur Erhaltung der Wohnbevölkerung der Bevölkerung“.

Mit sozialen Erhaltungssatzungen (Milieuschutzsatzungen) versuchen Kommunen die Verdrängung von Mietern und die soziale Entmischung ganzer Stadtviertel durch Mietsteigerungen im Zuge von baulicher Aufwertung, Abriss und Neubau oder Umnutzung von Wohngebäuden zu unterbinden oder mindestens zu verlangsamen.

Milieuschutzsatzungen können bauliche Veränderungen und Umnutzung mindestens befristet untersagen, soweit sie zur sozialen Entmischung oder zum Wohnraummangel führen. In Städten wie München, Hamburg, Köln, Frankfurt/Main, Berlin und Leipzig waren oder sind solche Satzungen bereits in Kraft und erwiesen sich vor Gericht in der Regel als bestandsfähig.

Magdeburg hat bisher nur Satzungen zum Erhalt baulicher Ensembles erlassen, davon allerdings schon reichlich viele zum Beispiel für die Siedlung Reform, die Curie-Siedlung, Alte und Neue Neustadt, Cracau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen, Stadtfeld und Sudenburg.

Mietsteigerungen unter anderem in den Magdeburger Stadtteilen Buckau und Stadtfeld und Anzeichen der Verdrängung weniger zahlungskräftiger Mieter motivierten die Linke zum Antrag der Prüfung auf Erlass sozialer Erhaltungssatzungen für einzelne Stadtviertel in Magdeburg. Nach Auskunft des Baubeigeordneten hat die Verwaltung dafür Sudenburg im Visier. Im Zuge der Intel-Ansiedlung und erwarteten Investitionen in den Wohnungsmarkt rücken auch Salbke, Westerhüsen und Fermersleben in den Blick. Ob es Handlungsbedarf gibt, soll nun geprüft werden.