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Vom „Kleenen Mester“ Welche Berührung hatten Juden in Gröbzig mit dem Weihnachtsfest?

Weihnachten ist ein christliches Fest, kein jüdisches. Welche Berührungspunkte die Religionen aber haben können, zeigt ein alter Fall aus Gröbzig.

Von Doreen Hoyer 12.12.2021, 12:00
Museumsleiterin Anett Gottschalk mit dem Meisterstück von Hirsch Wolf Blumenthal, einem Tresoraufsatz.
Museumsleiterin Anett Gottschalk mit dem Meisterstück von Hirsch Wolf Blumenthal, einem Tresoraufsatz. (Foto: Ute Nicklisch)

Gröbzig/MZ - Ist eine Synagoge der richtige Ort für den zehnten Teil der MZ-Adventsserie? Immerhin ist Weihnachten ein christliches Fest, kein jüdisches. Aber die Religionen existieren nicht völlig getrennt nebeneinander her. Ein gutes Beispiel dafür findet sich in Gröbzig in der Stadt Südliches Anhalt, wo die Synagoge als Teil des gleichnamigen Museumskomplexes die Hausnummer 10 in der Langen Straße hat.

Inwiefern waren also Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Gröbzig in Weihnachtsfeierlichkeiten eingebunden? Oder blieb jeder für sich? Museumsleiterin Anett Gottschalk hat nach Anfrage der MZ im Archiv nachgeschaut und kann zum Beispiel von Hirsch Wolf Blumenthal berichten. Er lebte von 1843 bis 1934, war zunächst Pferdehändler, später Schmied und wohnte am Gröbziger Marktplatz.

„Durch Berichte von Zeitzeugen wissen wir, dass er den Spitznamen ,Kleener Mester’ hatte“, sagt Anett Gottschalk. In einer Firma in Leipzig sei eine Maschine kaputt gewesen, die niemand reparieren konnte außer ihm. Man bot ihm dann auch eine Anstellung an, die er aber ablehnte.

In Archiven in Gröbzig und Dessau finden sich Stücke, die an die Familie Blumenthal erinnern

Blumenthal hatte ein Schaufenster in Gröbzig mit ausgestellter Ware und vor mit allem Blechspielzeug. Dieses habe er zu Weihnachten und auch zu Chanukka an die Kinder im Ort verschenkt, erzählt die Museumsleiterin weiter. Eine Gröbziger Zeitzeugin habe davon berichtet. „Ein tolles Bild für das konfessionsübergreifende Zusammenleben in Gröbzig.“

Kennkarte von Ernst, einem Sohn von Hirsch Wolf Blumenthal.
Kennkarte von Ernst, einem Sohn von Hirsch Wolf Blumenthal.
(Foto: Ute Nicklisch)

Blumenthal war Gemeindevorsteher und hatte wohl acht oder neun Kinder. In Archiven in Gröbzig und Dessau finden sich Stücke, die an die Familie erinnern. So etwa ein metallener Tresoraufsatz, das Meisterstück des „Kleenen Mesters“ und die Kennkarten zweier seiner Kinder, versehen mit einem großen „J“ für Jude. Blumenthals Beerdigung war die letzte, die auf dem jüdischen Friedhof in Gröbzig stattfand. Von seinen Kindern weiß man, dass zum Beispiel Ernst Blumenthal (1884 bis 1943) und Emmi Bäcker (geborene Blumenthal, 1890 bis 1941) deportiert wurden.

Ist von Weihnachten und Judentum gleichzeitig die Rede, dann wird oft auf Chanukka verwiesen

Vor allem in der Zeit nach der Revolution von 1848 seien Juden in Anhalt sehr assimiliert gewesen, so Gottschalk. So habe es zwischen den Religionsgemeinschaften vermutlich einige Überschneidungen gegeben, doch leider sei die Quellenlage dazu nicht besonders umfangreich.

Ist von Weihnachten und Judentum gleichzeitig die Rede, dann wird oft auf Chanukka verwiesen - auch zu diesem Fest soll Blumenthal seine Figuren an Kinder verschenkt haben. Dabei greift die Beschreibung Chanukkas als „Jüdisches Weihnachten“ viel zu kurz, denn Chanukka hat rein gar nichts mit Jesus zu tun. Das so genannte Lichterfest dauert acht Tage und erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem - 164 Jahre vor Christi Geburt. Die jüdischen Makkabäer waren zuvor vertrieben worden, konnten Judäa aber zurückerobern und führten den traditionellen jüdischen Tempeldienst wieder ein. Die Menora, der siebenarmige Leuchter im Tempel, soll eigentlich niemals erlöschen. Es fand sich aber nur noch ein Krug mit geweihtes Lampenöl und neues herzustellen, würde acht Tage dauern.

Das Museum Synagoge wird aktuell umgebaut.
Das Museum Synagoge wird aktuell umgebaut.
(Foto: Ute Nicklisch)

Das Museum Synagoge Gröbzig nimmt weiter Quellenmaterial an

Die Ölmenge im Krug würde erfahrungsgemäß nur einen Tag reichen - wie durch ein Wunder aber brannte das Licht acht Tage, bis neues Öl bereit war. Daran erinnern die Lichter des neunarmigen Leuchters Chanukkia - der neunte, mittlere Arm wird Diener genannt. An diesem werden die anderen Lichter nach und nach angezündet - jeden Tag eines mehr. Das erinnert an den Adventskranz, bei dem jede Woche ein neues Licht angezündet wird. Ansonsten gibt es Parallelen zwischen Weihnachten und Chanukka insofern, als dass beide Feste im Dezember stattfinden. Da der jüdische Kalender sich vom gregorianischen Kalender unterscheidet, wechseln die acht Chanukka-Tage im Dezember von Jahr zu Jahr. 2021 fand Chanukka vom Sonnenuntergang am 28. November bis 6. Dezember statt, kommendes Jahr werden es der 18. bis 26. Dezember sein.

Das Museum Synagoge Gröbzig nimmt weiter Quellenmaterial an, das auf das Leben der jüdischen Gemeinde im Ort verweist, zum Beispiel alte Zeitungen.