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Drogenrest im Rucksack? Warum 0,2 Gramm Marihuana das Amtsgericht Köthen intensiv beschäftigen

Von Susann Salzmann 21.06.2021, 13:43
Marihuana.
Marihuana. (Foto: DPA)

Köthen - Die Straftat, die Martin A. (Name geändert) begangen haben soll, ist keiner Strafe wert, plädierte die Strafverteidigerin vor dem Köthener Amtsgericht zugunsten ihres 31-jährigen Mandanten. Was sind schon 0,2 Gramm Marihuana, die der Angeklagte am Tattag vor einem Dreivierteljahr in seinem Rucksack spazieren trug? Fast nichts, argumentierte die Verteidigerin und zeigte ein winziges Plastikdöschen, in dem sich eine noch winzigere Menge befand. Mit der Veranschaulichung wollte die Anwältin dem Gericht die Absurdität aufzeigen, für solch eine Winzigkeit mit insgesamt 450 Euro Strafe zu büßen. Die nämlich hatte die Dessauer Staatsanwaltschaft bereits verhangen.

Verteidigung zielt auf Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit

Martin A. zahlte jedoch nicht. Er hegt die Hoffnung, ungeschoren davon zu kommen. Das Gesetz räumt dazu die Möglichkeit ein, Drogen-Verfahren bis zu einer Menge von sechs Gramm einstellen zu können. Dazu muss aber eine Entscheidung her, von der Strafverfolgung abzusehen. Genau darauf hatten es seine Verteidigerin und der Angeklagte abgesehen. Doch der Plan der Anwältin ging nicht so recht auf.

In der Vergangenheit wurde Martin A. bereits wegen Besitzes einer größeren Drogenmenge zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die gerade noch so zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ob die 0,2 Gramm noch aus dieser Zeit stammten, kam in der Auftaktverhandlung nicht zur Sprache. Bei einer Polizeikontrolle am 17. Oktober 2020 in Köthen fanden die Beamten die geringe Menge „Gras“. Und zwar ausgerechnet in dem Arbeitsrucksack, den sie Martin A. noch freiwillig hat durchsuchen lassen.

Von den Drogen will der Angeklagte nichts gewusst haben. Er sei noch überraschter gewesen, als die Polizei, stellte er vor Gericht dar. „Das waren Reste. Mir war nicht bewusst, dass ich so etwas dabei hatte“, erzählte der 31-Jährige in ruhigem, sachlichem Ton, während er um Glauben ringend abwechselnd tief in die Augen der Vorsitzenden Richterin Susanne Vogelsang und der Staatsanwältin blickte.

Mal gab sich der Köthener arglos und unwissend, ein anderes Mal aber zeigte er, welch Taktiker doch in ihm steckt. Ganz unverhohlen beteuerte er: „Wenn ich um die Reste gewusst hätte, wäre ich nicht das Risiko eingegangen und am Polizeirevier vorbeigegangen“, erzählte er. Reden von seinem zum positiven geänderten Lebenswandel, einem drogenfreien Leben und über anstehende Vorstellungsgespräche registrierte das Gericht zwar wohlwollend. Die Einstellung des Verfahrens lehnten Staatsanwältin und Richterin jedoch ab. Auch wegen seiner einschlägigen Vorstrafe.

Bei Nicht-Abhängigen könnten Verfahren wegen geringen Drogenmengen bis sechs Gramm im ersten und zweiten Fall eingestellt werden, pochte die Verteidigerin mehrfach darauf, das Verfahren endlich ad acta zu legen. „Das ist eine Kann-Bestimmung“, konterte Vogelsang. Verfahren müssen nicht eingestellt werden.

Das Gericht bleibt hart - Verteidigung moniert fehlendes Wirkstoffgutachten

Von dieser Ansicht wich das Gericht auch nicht ab, als schließlich das letzte bedeutsame Argument von der Anklagebank vorgetragen wurde. Mangelnde Kriminalarbeit soll dem Angeklagten das sprichwörtliche Gesäß retten. Nicht immer nämlich wird bei gefundenen Drogen ein sogenanntes Wirkstoffgutachten erstellt. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die gefundene Menge, desto unwahrscheinlicher eine aufwändige und zum Teil langwierige Überprüfung. Im Fall von Martin A. wurde kein Wirkstoffgutachten erstellt. „Wir wissen gar nicht, ob es sich um 0,2 Gramm reines Gras oder vielleicht lediglich um ein Marihuana-Tabak-Gemisch handelte“, argumentierte die Verteidigerin.

Richterin und Staatsanwaltschaft waren jedoch alles andere als leicht zu überzeugen. Deshalb geht das Verfahren wegen 0,2 Gramm Gras am 28. Juni in die Verlängerung. Dann sollen die zwei Polizeibeamten verhört werden, die Martin A. und seinen Kumpel damals am Köthener Revier antrafen.