„Das schlaucht“ Trotz Ruhestand hilft 72-jähriger Arzt nun in Köthen beim Impfen gegen Corona
Der 72-Jährige praktiziert Jahrzehnte als Urologe.
Dessau - Den Kalender, erzählt Dietrich Semisch, führt seine Frau. Die habe da den wesentlich besseren Überblick. Der 72-Jährige weiß nur, dass er bereits Termine bis Juni habe. Im Impfzentrum Köthen. Der Diplom-Mediziner, längst im wohlverdienten Ruhestand, hat sich bereiterklärt, dort zu helfen und Corona-Schutzimpfungen zu verabreichen. Und ginge es nach ihm, stünde er sogar für einen Schichtbetrieb zur Verfügung. Notwendig wäre es, glaubt er.
Als die Kassenärztliche Vereinigung ihn vor Wochen fragt, ob er als Impfarzt unterstützen würde, zögert er nicht. „Wenn man sich körperlich und geistig dazu in der Lage sieht, wäre es schäbig, nicht zu helfen.“ Er weiß um die enorme Belastung der niedergelassenen Kollegen während dieser Pandemie, doch gleichzeitig müsse man mit dem Impfen vorankommen. „Das ist die einzige Möglichkeit, die Herdenimmunität so schnell wie möglich zu erreichen.“ Der gewählte Impfstoff dürfte dabei keine Rolle spielen.
Skepsis bestünde nach wie vor beim Einsatz von Astrazeneca
Doch die Realität, weiß der Köthener Urologe im Ruhestand, sieht eben anders aus. „Die Leute sind verunsichert. Deshalb muss man sich Zeit nehmen, um mit ihnen zu reden.“ Skepsis bestünde nach wie vor beim Einsatz von Astrazeneca. Der Vorteil, gegen eine schwere Covid-19-Erkrankung geschützt zu sein, so Dietrich Semisch, wiege seiner Meinung nach viel schwerer als die Wahrscheinlichkeit, dass schlimme Nebenwirkungen durch die Impfung auftreten könnten. Dietrich Semisch wird nicht müde, dies zu unterstreichen.
„Ich beschäftige mich seit 1969 mit Medizin“, berichtet er. Bis Ende 1991 leitet er die urologische Ambulanz des Köthener Krankenhauses. Anschließend gründet er gemeinsam mit seiner Frau, einer Zahnärztin, eine Praxisgemeinschaft. Bis 2015 führt er die und arbeitet anschließend noch einige Zeit als Facharzt im Medizinischen Versorgungszentrum in der Helios-Klinik Köthen.
„Eigentlich wollte ich gar nicht Medizin studieren. Ich konnte kein Blut sehen“
„Eigentlich wollte ich gar nicht Medizin studieren. Ich konnte kein Blut sehen“, erzählt er schmunzelnd und berichtet von seinen Ambitionen, sich der Elektrotechnik zu widmen. Doch dazu sollte es nicht kommen. Bei der Armee schwenkt er um. Auch, um nicht im Schatten seiner Schwester zu stehen, die sich für die Medizin entschieden hatte; „was die kann, kann ich auch“, denkt er sich.
Schließlich studiert Dietrich Semisch, der im thüringischen Bad Salzungen geboren ist, Medizin an der Charité in Berlin. Seinen Facharzt macht er in Pasewalk. Von dort aus geht’s mit Mitte?30?nach Köthen, wo er sich schnell heimisch fühlt und viele Patienten betreut.
Er wäre dafür, dass sich jeder Arzt, der abkömmlich sei, an den Impfaktionen beteiligt
„Ich sehe im Nachhinein, dass ich doch einen recht guten Ruf hatte“, schlussfolgert er aus vielen schönen Begegnungen bei seinen Impfeinsätzen. Er genießt das. Obwohl er auch gestehen muss: „Einen ganzen Tag lang zu impfen, schlaucht ganz schön. Aber ich werde natürlich durchhalten.“
Er wäre dafür, dass sich jeder Arzt, der abkömmlich sei, an den Impfaktionen beteiligt. Er freut sich schon auf seine nächsten Einsätze, die nur durch das Engagement vieler Ehrenamtlicher möglich seien, hebt Dietrich Semisch hervor.
Den Helfern zu danken, sei das Mindeste, was man tun könne. Seitens der politisch Verantwortlichen, meint er. (mz/Sylke Hermann)