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Tragischer Unfall in Kita "Pinocchio" Tragischer Unfall in Kita "Pinocchio" in Köthen: Kam Blitzeinschlag wirklich aus heiterem Himmel?

Von Karl Ebert 07.06.2018, 05:00
Blick auf die Kita „Pinocchio“ in der Köthener Rüsternbreite.
Blick auf die Kita „Pinocchio“ in der Köthener Rüsternbreite. Heiko Rebsch

Köthen - Das Kind, das beim Blitzeinschlag in die Köthener Kindertagesstätte „Pinocchio“ am letzten Freitag schwer verletzt wurde, liegt offenbar noch immer im Krankenhaus. Auf eine entsprechende Nachfrage der MZ bei der Stadtverwaltung sagte Pressesprecherin Caroline Hebestreit: „Wir haben keinen neuen Sachstand zu unserer Mitteilung vom Dienstag. Zudem sind auch wir verpflichtet, den Datenschutz zu wahren und solche Informationen vertraulich zu behandeln.“

Laut MZ-Recherchen erlitt das Kind bei dem Unglück Verbrennungen und wird in Halle weiterbehandelt. Den Transport dorthin musste ein Rettungswagen übernehmen, weil der eigentlich angeforderte Hubschrauber wegen einer aktuellen Warnung vor Gewittern mit Sturmböen keine Starterlaubnis erhalten hatte.

Vier weitere Verletzte kamen mit unregelmäßigem EKG-Befund bzw. Knalltraumata in verschiedene Kliniken. Insgesamt waren bei dem Unglück fünf Rettungswagen mit Sanitätern, zwei Notärzte und zwei Kameraden der Feuerwehr Köthen im Einsatz.

Unklare Angaben zu der Anzahl der Verletzten in der Kindertagesstätte „Pinocchio“

Unterschiedliche Aussagen gibt es nach wie vor zur genauen Anzahl der Verletzten. Während man nach MZ-Informationen auf Landkreisebene weiterhin auf den fünf beschriebenen Fällen beharrt, bleibt die Stadtverwaltung bei ihrer Darstellung von fünf Erwachsenen und zwei Kindern, die bei dem Unglück verletzt wurden. „Auch da gibt es unseren Angaben vom Dienstag nichts hinzuzufügen“, erklärt Sprecherin Caroline Hebestreit. Das Deutsche Rote Kreuz schließlich verweigerte Angaben zur Anzahl der Verletzten aus Datenschutzgründen.

Hätte das Unglück in der Kindertagesstätte „Pinocchio“ vermieden werden können? So, wie es sich jetzt darstellt, führte die Verkettung einer Reihe von unglücklichen Umständen zu dem Unfall. Da war die offenbar falsche Einschätzung der Wettersituation, die bei Dutzenden von offiziellen Warnungen am Tag mitunter wirklich schwer ist.

Offen ist auch die Frage, ob die Betreuerinnen überhaupt Kenntnis von einer offiziellen Gewitter-Warnung für den vergangenen Freitag hatten und in Unkenntnis dieser die Entscheidung getroffen haben, das Kita-Fest zunächst wie geplant unter freiem Himmel durchzuführen.

„An diesem Tag herrschte definitiv eine Gewittersituation“

MZ-Recherchen beim Deutschen Wetterdienst in Leipzig haben jedenfalls ergeben, dass es bereits seit den frühen Morgenstunden des 1. Juni offizielle Warnungen vor starken Gewittern für den Landkreis Anhalt-Bitterfeld gegeben hat. Meteorologe Thomas Hain hat sich die Unterlagen des Wetterdienstes vom vergangenen Freitag noch einmal genau angesehen.

„An diesem Tag herrschte definitiv eine Gewittersituation. Eine offizielle Warnung für den Landkreis Anhalt-Bitterfeld wurde um 8.57 Uhr herausgegeben, gültig vom 1. Juni 12 Uhr bis 2. Juni 0 Uhr. Die lautete: Warnungen vor starken Gewittern mit Sturmböen bis zu 75 Kilometern pro Stunde und Starkregen mit 25 Litern pro Quadratmeter“, sagte Hain.

Wetterdienst widerspricht der Darstellung der Stadtverwaltung Köthen

Damit widerspricht der Wetterdienst auch der Darstellung der Stadtverwaltung Köthen, die durch die Leiterin des Ratsbüros, Ilona Häckel, am Dienstag erklärt hatte „zu dem Zeitpunkt war nur leichter Regen, ein Unwetter war nicht zu erwarten. Der Blitz kam aus heiterem Himmel.“ Das sieht Meteorologe Hain durchaus anders.

„Mir steht es nicht zu, das Geschehen vor Ort zu bewerten. Aber ich hatte selbst Dienst. An diesem Tag lagen große Spannungen in der Atmosphäre. Und da war am Nachmittag nicht nur eine Wolke unterwegs, sondern massive Gewitterfronten, die man hätte sehen können“, so Hain. Deshalb wurde die Warnung für Anhalt-Bitterfeld um 16.21 Uhr aktualisiert - 45 Minuten vor dem Unglück. (mz)