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Stadtführung in Köthen Stadtführung in Köthen: Was Sprichwörter erzählen

Von LUisa Peine 05.05.2014, 06:28
Wettertechnisch war die Premiere der Stadtführung „Per Sprichwort durch Köthen“ nicht nicht gerade einladend, dennoch fanden sich zehn Interessierte, die Gästeführerin Annette Thaut am Ludwigsdenkmal begrüßte.
Wettertechnisch war die Premiere der Stadtführung „Per Sprichwort durch Köthen“ nicht nicht gerade einladend, dennoch fanden sich zehn Interessierte, die Gästeführerin Annette Thaut am Ludwigsdenkmal begrüßte. rebsch Lizenz

Köthen/MZ - Nasskalt und ungemütlich war es - keine guten Voraussetzungen für eine Stadtführung. „Aber zum Glück regnet es nicht“, zeigte sich Annette Thaut, Gästeführerin der Stadt Köthen, zufrieden. Zum ersten Mal hieß das Motto: „Per Sprichwort durch die Stadt“. Was darunter zu verstehen ist, machte die Köthenerin sogleich deutlich: „Verstehen können wir das Leben, wenn wir in die Vergangenheit blicken, aber begreifen nur in der Zukunft“, zeigte sie auf das Denkmal, das am Köthener Schlossplatz 1907 eingeweiht worden war. Ein perfekter Beginn für die Führung, denn natürlich passt ausgerechnet Fürst Ludwig, Begründer der Fruchtbringenden Gesellschaft, dessen Gedankengut noch heute in der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft weiterlebt, in besonderer Weise zu einer Stadtführung, in der es weitgehend um Sprache geht. Von seiner Kavalierstour durch Europa brachte er die Idee aus Italien mit, informierte Thaut, eine Gesellschaft zu gründen, die der deutschen Sprache wieder ihren Rang verschaffen sollte, den sie gegenüber dem Latein oder dem Französischen und Italienischen verloren hatte. Unter Ludwigs Regentschaft kam auch der Reformpädagoge Wolfgang Ratke nach Köthen, wo er nicht nur das Schulwesen voranbrachte, sondern auch die didaktischen Grundlagen für das Lernen. Wobei es nicht zuletzt um die Qualität der Schulbücher ging: „Die erste Schulbuchdruckerei Deutschlands entstand in Köthen“, wusste die Stadtführerin zu berichten.

„Zu gehen in die Fremd, zu sehen was die Welt in Sitten in sich trägt“ – frei nach diesem Spruch führte Annette Thaut die Gruppe weg von Ludwig in den äußeren Schlosshof, an die Rückseite der Kirche St. Maria. „Diese Kirche haben wir Fürst Ferdinand zu verdanken“, so Thaut. Der oft von Krankheiten heimgesuchte Ferdinand und seine Frau in zweiter Ehe, Julie, gingen auf Kurreise nach Paris und konvertierten dort zum Katholizismus. „Überlege genau, was du tun willst, aber wenn du es tust, dann tue es entschlossen“ – das passt zu Herzog Ferdinand, denn er beschloss den Neubau dieser Kirche“, informierte Thaut. Ursprünglich sollte der Bau um einiges imposanter werden. Doch nach dem Einsturz des Baugerüsts, der das Leben von sieben Arbeitern auslöschte, fiel nicht nur Baumeister Bandhauer in Ungnade, Herzog Ferdinand überlebte das Unglück nur um kurze Zeit. Sein Bruder Herzog Heinrich, ein Protestant, nahm 1830 nicht nur den Platz auf dem Thron ein, sondern gab Ferdinand das Versprechen, die Kirche fertigzustellen. Thaut zeigte ein Bild herum, das den ursprünglich geplanten, hoch aufragenden Turm der Kirche zeigte. „Heinrich ließ ein Dach aufsetzen und die Kirche weihen, so wie er es versprach, aber der Turm blieb weg.“

Zwischenstopp vor der Lutzeklinik

Weiter ging es durch den Schlosspark mit einem kurzen Zwischenstopp vor der Lutzeklinik in der Springstraße. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“, lautete Thauts Fazit zum 1813 geborenen Arthur Lutze. Zu Lebzeiten habe er über 1,5 Millionen Menschen behandelt. In Eigenstudien hat Lutze die Schriften Samuel Hahnemanns verinnerlicht und praktizierte ohne Doktorgrad an der eigenen Klinik, wo er auch unentgeltlich Behandlungen durchführte. 1855 errichtete er die Lutze-Klinik, die damals hochmodern war – ausgestattet mit Heizung, Fahrstuhl und Fahrservice nebst Pferdekutsche. Trotz seiner vielen Predigten zur gesunden Lebensweise ohne Alkohol, Tabak und ohne Fleisch, verstarb Lutze mit 57 Jahren, „wie das Motto eingangs vermuten ließ, an Erschöpfung“.

Beim Thema Homöopathie angelangt, ging es weiter entlang des thematischen Pfades zwischen Springstraße und Magdeburger Straße. Der Standort der alten Stadtmauer, dort, wo die Magdeburger Straße in die Bernburger übergeht – vor der Creperie Lorette, war ein weiteres Ziel. Zum Magdeburger Turm wusste Thaut ein passendes Zitat von Gottfried Keller: „Ruhe zieht das Leben an, Unruhe verscheucht es“. Annette Thaut berichtete, dass die Tore als Ein- und Ausgang der Stadt jeden Abend geschlossen wurden, sonntags blieben sie regelmäßig zu – als Lärmschutz für die Bürger.

Die letzten Besichtigungsorte lagen in der Wallstraße direkt nebeneinander: Das Hahnemann-Haus und die Homöopathische Bibliothek. „Es war nicht immer eine Bibliothek – 1829 wurde das kurzlebige Spital der Barmherzigen Brüder von Gottfried Bandhauer erbaut“, erzählte Thaut. „Der sicherste Reichtum ist die Armut an Bedürfnisse“, zitierte sie dazu passend, denn behandelt wurde jeder Mann, egal welcher Konfession oder welchem Stand er angehörte. Abschließend gab sie den Gästen noch ein Zitat von Dietrich Bonhoeffer mit auf den Weg: „Ehrfurcht vor dem Vergessen und die Verantwortung für die Zukunft geben dem Leben die richtige Richtung“.

Helgard Borschel war sehr angetan von der Führung. Ohne Umschweife ging sie auf Annette Thaut zu und bedankte sich herzlich – wobei sie sicherlich für jeden der Gäste sprach. „Ich bin aus Bernburg hergezogen. Man kennt die ganzen Gebäude zwar schon, aber dazu noch nähere Informationen zu bekommen – in der Kombination mit den Sprichwörtern – war wirklich sehr schön“, befand die Köthenerin.