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Sokotra, Santiago, Steutz

Von MATTHIAS BARTL 14.12.2008, 18:43

STEUTZ/MZ. - Abdulraqeb Al-Okaishi macht einen verfrorenen Eindruck. In Sokotra sind es jetzt 28 Grad im Sonnenschein, in Steutz pendelt die Quecksilbersäule um den Gefrierpunkt, der Himmel ist grau wie Nilpferdhaut. Die Insel Sokotra ist die Heimat des Jemeniten Al-Okaishi, der in Dresden "Sustainable Tropical Forrestry" studiert, in Steutz ist er an diesem Wochenende dabei, als einer von vielen "Wikiwoods" Bäume zu pflanzen. Insofern stört ihn das Wetter auch nicht wirklich: Bei der Arbeit wärmt man sich schnell auf - und außerdem hat Abdulraqeb sichtlich Spaß daran, zusammen mit anderen Bäume in die Erde zu bringen.

Mehrfache Partnerschaft

Das Pflanzen ist eine Aktion der Wikiwoods, die hier bei Steutz Partner sind für den WWF und die Gemeinde Steutz. Eine Wiese zwischen der Ortschaft und der Elbe, direkt am Elberadweg gelegen, soll zur Streuobstwiese umgewandelt werden. Die Gemeinde hat den Grund und Boden zur Verfügung gestellt, der WWF, der an der Elbe ein Großprojekt zum Erhalt der Auenwälder umsetzt, hat alles organisiert, was mit der Aktion logistisch und finanziell zu tun hat. Und neben den Wikiwoods haben auch der Förder- und Landschaftspflegeverein (FÖLV) für das Biosphärenreservat "Mittelelbe" und die Reservats-Ranger Pflanzhelfer aufgeboten.

Astrid Eichhorn vom WWF, die das Großprojekt an der Elbe leitet, war beeindruckt von der Resonanz, die der Wikiwoods-Aufruf gefunden hatte. "Ich hatte mit viel weniger Helfern gerechnet", sagte sie angesichts der gut drei Dutzend Frauen und Männer, die nach kurzer Einweisung über die nicht ganz einen Hektar große Wiese ausschwärmten und daran gingen, die Obstbäume in die Erde zu bringen. Die promovierte WWF-Projektleiterin war von den Wikiwoods angesprochen worden, die ständig bundesweit nach Mitpflanzprojekten suchen. "Weil wir Wald entwickeln, waren wir für die Wikiwoods interessant", so Eichhorn.

Propaganda in der Mensa

Die kommen, organisiert über das Internet, aus allen möglichen Ecken Deutschlands. Allein von der Dresdner Uni waren vier Studenten nach Steutz gekommen. Neben Al-Okaishi von der Drachenbaum-Insel Sokotra im Golf von Aden pflanzten Gabriela Fuentealba Varela und Claudia Silva aus Santiago de Chile sowie die Kroatin Sasa Danon Obstbäume auf der anfangs leicht schneebestäubten Wiese. Gabriela Fuentealba gehört zu den Wikiwoods-Pionieren. "Beim letzten Mal bin ich allein zu einer Pflanzaktion an der Ostsee gefahren", sagt sie. Danach habe sie sich die Frage gestellt, ob nicht ein paar Kommilitonen mitmachen würden. "Ich habe in der Mensa Propaganda für Wikiwood gemacht", sagt sie und lacht. Als nächstes wolle man versuchen, eine Mitpflanzaktion bei Dresden zu organisieren.

Regina Frens, Bürgermeisterin von Steutz, freut sich sehr darüber, wie schnell sich die kleine Fläche an der B 187 a in einen potentiellen Garten verwandelte. "Hier standen früher Pappeln. Die waren schon ziemlich marode, und der Sturm Kyrill hat ihnen dann den Rest gegeben." Für Steutz ist die Streuobstwiese die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches. Eigentlich wollte man eine Fläche auf der anderen Straßenseite, wo schon alte Obstbäume stehen, weiter entwickeln, aber die Fläche war im Eigentum der bundeseigenen Bodenverwaltungs- und -verwertungsgesellschaft (BVVG) "und was die für die Fläche haben wollte, konnten wir als Gemeinde nicht bezahlen". Umso so besser sei es, dass man jetzt auf einer Gemeindefläche arbeiten könne.

In der "Wohnstube" des FÖLV

Die 80 Obstbäume, Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume, stammen aus einer Baumschule bei Magdeburg und sind allesamt alte, hiesige Sorten: "Landsberger Renette ist darunter", zählt Carola Schuboth auf, "Baumanns Renette, Rheinischer Bohnenapfel und andere." Schuboth ist eine von sechs Leuten aus dem FÖLV, die in Steutz mit dabei waren. Das Biosphärenreservat ist quasi die "Wohnstube" des FÖLV, für den die Pflanzaktion in Steutz "eine der größeren Aktionen" des Jahres war, so FÖLV-Chefin Birgit Krummhaar. Das Biosphärenreservat hatte außerdem mit Heiko Engel, Axel Zehle, Uwe Brückner und Harald Kötz vier Ranger zum Pflanzen geschickt - allesamt erfahrene Forstleute, wie Freiwilligenkoordinator Brückner betont, "die wissen, wie richtig gepflanzt wird und die zur Not auf einen Pflanzschnitt machen können".

Für solchen Fall und Ähnliches waren auch noch weitere Profis in Gestalt von Frank und Paul Hering als Vertreter des Landschaftsbau-Unternehmens Hering aus Zörbig an Ort und Stelle. Mit dem WWF stehe man seit einigen Jahren im Kontakt, so Landschaftsgärtnermeister Frank Hering. Man habe sich auf naturschutzfachliche Arbeiten spezialisiert und über Ausschreibungen an der Umsetzung von Naturschutzprojekten Teil gehabt, etwa an der Saalberghaudüne bei Dessau. Bei Steutz haben die Herings die Fläche für die Pflanzung vorbereitet, haben Pappelstümpfe gefällt, Astholz geschreddert, Pflanzlöcher gebohrt. "Und wir sind für die nächsten drei Jahre für die Pflege zuständig." Und auch die Steutzer werden dabei nicht abseits stehen, ist sich Regina Frens sicher. "Das ist schließlich unsere Wiese."