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Wenn das Geld nicht reicht Schuldnerberatung in Köthen bekommt aktuell mehr Anfragen von Hilfesuchenden als sonst

Zu Beginn der Corona-Krise war das noch anders.

Von Doreen Hoyer 18.05.2021, 11:38
Petra Fritsche arbeitet in Köthen bei der Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt.
Petra Fritsche arbeitet in Köthen bei der Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt. (Foto: Fritsche)

Köthen - Zunächst blieb die große Welle aus. Als vor einem Jahr der erste Lockdown lief, meldeten sich nicht wesentlich mehr Hilfesuchende bei der Schuldnerberatung als sonst, erinnert sich Petra Fritsche. Doch das wird nun langsam anders.

„Wir erwarten eine große Welle, die spätestens im nächsten Jahr voll da sein wird“, sagt die 55-Jährige, die in der Köthener Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt arbeitet und dort Privatleuten hilft, ihre finanziellen Probleme in den Griff zu bekommen. „Die Ersparnisse sind bei vielen inzwischen einfach aufgebraucht.“

„Viele melden sich erst, wenn der Gerichtsvollzieher kommt“

Seit etwa drei Monaten bekomme sie vermehrt Anfrage per Mail und Telefon, berichtet Petra Fritsche. Die Fälle, die sie dann geschildert bekommt, sind ganz unterschiedlich. Manche haben 2.000 oder 5.000 Euro Schulden. Bei anderen ist die Summe sechsstellig. „Häufig dauert es lange, bis man sich bei einer Beratungsstelle Hilfe sucht. Viele melden sich erst, wenn der Gerichtsvollzieher kommt“, sagt Fritsche.

Sie verweist auf eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, in der private Überschuldung in Deutschland im Zeichen der Corona-Krise untersucht wurde. Überschuldung bedeutet dabei, dass jemand Schulden hat und nicht in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten zu bedienen, was häufig mit schweren psychischen Belastungen einhergeht. Laut Schuldneratlas von Creditreform betrug die Überschuldungsquote in Anhalt-Bitterfeld 12,53 Prozent im Jahr 2020.

Es sind besonders die betroffen, die ohnehin oft finanzielle Probleme haben

Zentrale Ergebnisse der Studie waren: Es sind besonders die betroffen, die ohnehin oft finanzielle Probleme haben - Alleinerziehende, Menschen in Ausbildung und Geringverdiener. Die soziale Ungleichheit, jene oft beschriebene Schere zwischen Arm und Reich, wird dadurch verschärft. Besonders hohe Einkommensverluste haben Menschen, die in den Branchen Gastronomie, Tourismus und Kultur arbeiten.

Diese Studienergebnisse, sagt Petra Fritsche, treffen im Wesentlichen auch auf die Köthener Region zu. „Nur dass es hier weniger Menschen gibt, die ihren Lebensunterhalt im Bereich Kunst oder Kultur verdienen.“

Gerade Menschen, die zu Mindestlohn arbeiten, seien in einer schwierigen Lage: Krankheit, Kündigung oder auch nur eine größere Reparatur könnten schnell dazu führen, dass man seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen könne.

Zahlungsrückstände laufen laut Studie vor allem bei der Miete auf, bei Energiekosten und Handyverträgen

Zahlungsrückstände laufen laut Studie vor allem bei der Miete auf, bei Energiekosten und Handyverträgen. Das deckt sich auch mit Petra Fritsches Erfahrungen. Häufig hätten die Schuldner auch zumindest am Anfang keinen Überblick mehr, was sie welchem Gläubiger schulden.

Dazu kommt, dass die Beratung derzeit unter dem Zeichen der Kontaktreduktion steht. „Wir versuchen, vorwiegend telefonisch zu beraten“, so die 55-Jährige. Wenn möglich, scannen die Leute ihre Unterlagen ein und mailen sie. Wenn das technisch nicht möglich ist, wird ein Termin vor Ort vereinbart. „Es geht schon, aber persönlicher Kontakt ist und bleibt trotzdem das Beste.“ Schuldnerberatung per Videochat gebe es derzeit nicht.

Schuldnerberatung sucht wegen gestiegener Nachfrage nach Verstärkung

Als letzter Ausweg bleibt bei vielen Fällen die Privatinsolvenz. Nach einer neuen Regelung kann dabei die so genannte Restschuldbefreiung, bei der Schulden, die nicht beglichen werden konnten, erlöschen, schon nach drei Jahren erfolgen. Früher waren es sechs Jahre. Zuvor wird aber versucht, eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern zu finden.

Zur gestiegenen Nachfrage kommt bei der Schuldnerberatung derzeit, dass man Verstärkung gut gebrauchen könnte. Gesucht wird ein Sozialpädagoge bzw. eine Sozialpädagogin. (mz)