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Unbekannte Befreier Samuel Hogan und sein Verband erlösen am 15. April 1945 Köthen von den Nazis

Wie seine Familie sich um Gedenken und Völkerverständigung bemüht.

17.04.2021, 10:00

Köthen - In diesen Tagen jährt sich zum 76. Mal die Befreiung der Region Köthen von der Nazi-Herrschaft. Verbände der 3. US-Panzerdivision besetzten in der zweiten Aprilhälfte 1945 die Städte und Dörfer des heutigen Landkreises.

Wesentlichen Anteil daran hatte der vom 29-jährigen Oberstleutnant Samuel M. Hogan geführte etwa 400 Mann starke Einsatzverband (Task Force), der seit der Selbstbefreiung aus deutscher Einkesselung in den Ardennen kurz vor Weihnachten 1944 in den Chroniken der US-Armee als „Hogans 400“ geführt wird.

Wurde zu DDR-Zeiten die regionale US-Besatzungsgeschichte verschwiegen, erwuchs auch in den 30 Jahren nach der Deutschen Einheit nur wenig Interesse an den unbekannten Befreiern.

Artikelserie für die MZ zum 75. Jahrestag des Kriegsendes führte zum Kontakt mit der Familie

Im Rahmen einer Artikelserie für die MZ zum 75. Jahrestag des Kriegsendes 2020 spürte der Autor die Familie des 2005 verstorbenen Samuel Hogan in den USA auf. Sein jüngster Sohn William war überrascht und erfreut über die Anfrage sowie den Austausch, da er gerade an einem Buch über die Einsätze des von seinem Vater kommandierten Verbandes schreibt. Die lockere Plauderei führte zu neuen Erkenntnissen über „Hogans 400“ und ihren Kommandeur - die bisher unbekannten Befreier.

Nachdem Hogans Einsatzverband als erster der 3. US-Panzerdivision die deutsche Grenze überschritt, setzte deren Kommandeur Generalmajor Maurice Rose kurz vor der Besetzung der Stadt Köln am 6. März 1945 eine Flasche Whisky als Preis für den Kommandeur aus, der es mit seinem Einsatzverband als erster über die westlich der Stadt fließende Erft schaffen würde.

Hogans Verband war auch an der Befreiung des KZ Mittelbau-Dora beteiligt

Zwar führte Hogan seine Leute zuerst über den Fluss, er musste sich den Whisky jedoch mit seinem Freund und Kommandeurskollegen Walter Richardson teilen, der die ersten Panzer über den Fluss brachte und sechs Wochen später mit seinem Verband Bernburg befreien sollte. Die Befreiung des KZ Mittelbau-Dora am 11. April 1945 an der auch Hogans Verband beteiligt war, der Zustand und das Leid der Häftlinge, hinterließen bei Samuel Hogan einen nachhaltigen Eindruck, der ihn sein Leben lang begleitete. Seinem Sohn William erzählte er später, dass er in seinen Träumen regelmäßig Besuch von abgemagerten und sterbenden Häftlingen bekommen würde.

Nach der Befreiung der Städte Köthen und Dessau und dem Abzug in die amerikanische Besatzungszone wurde der Jurist Hogan Anfang 1946 in Ludwigsburg Verteidiger im sogenannten „Borkum-Prozess“. Bei diesem Kriegsverbrechertribunal mussten sich 15 angeklagte deutsche Militär- und Zivilpersonen verantworten, weil sie am 4. August 1944 sieben kriegsgefangene amerikanische Besatzungsmitglieder eines auf dem Borkumer Nordstrand notgelandeten B-17-Bombers erschlagen hatten.

Die Fortführung militärischer Traditionen ist der Familie wichtig

Die Fortführung militärischer Traditionen ist der Familie wichtig. Samuel Hogans in Heidelberg geborener, ältester Sohn Patrick war Nachrichtenoffizier im Vietnamkrieg. Wie ihr Vater war auch Tochter Mary in Deutschland stationiert, wo sie während des Dienstes in West-Berlin und dem oberpfälzischen Grafenwöhr ihren späteren Ehemann Bruce McPeak kennenlernte. Inzwischen aus der Armee ausgeschieden leben sie mit ihren erwachsenen Kindern Sam und Haleigh im US-Bundesstaat Virginia.

Marys Sohn Sam studiert Theologie und Kirchenmusik am College und durchläuft nebenbei seine Ausbildung zum Reserveoffizier. Als ausgebildeter Tenor führte ihn vor zwei Jahren eine Tournee durch Kirchen Südeuropas. Marys Tochter Haleigh besucht derzeit noch die Oberstufe und sammelte als Golfspielerin zahlreiche Pokale auf Jugendturnieren. Freundschaftliche Kontakte nach Deutschland werden gepflegt, regelmäßig ist die Familie zu Besuch in Nürnberg.

„Eigentlich wollte ich zum Ende des Jahres ausscheiden“

Samuel Hogans jüngster Sohn William begann seinen Militärdienst 1998 in der gleichen Einheit wie sein Vater 60 Jahre zuvor. Nach Stationierung in Afghanistan, wo die texanische Lone Star-Fahne seines Vaters am Einsatzfahrzeug nicht fehlen durfte, wurde er Militärattaché an verschiedenen Botschaften der USA in Mittelamerika und arbeitet jetzt als Referent im US-Verteidigungsministerium.

„Eigentlich wollte ich zum Ende des Jahres ausscheiden“, so der 45-jährige Oberstleutnant, „aber die Army erfüllt mir auf den letzten Metern noch meinen langgehegten Traum von einer Kommandierung nach Europa.“ Statt in das zivile Berufsleben zu wechseln, übernimmt William Hogan nun zum 1. August diesen Jahres die Position des US-Verbindungsoffiziers im „Hexagone Balard“, dem Hauptquartier der französischen Armee in Paris.

Neben rationalen Rechercheergebnissen enthalten die Kapitel auch traurige und amüsante Anekdoten

Mit seinem Buch-Projekt ist es William Hogan ein Anliegen, den vielen um seinen Vater bei der Befreiung Europas von der Nazi-Tyrannei kämpfenden und gefallenen Soldaten ein Gesicht zu geben. Um auch den nachfolgenden Generationen zu verdeutlichen, wie beschwerlich und opferreich der Kampf für Freiheit und Demokratie in Europa war.

Neben rationalen Rechercheergebnissen enthalten die Kapitel daher auch traurige und amüsante Anekdoten sowie Ereignisse aus dem Alltagsleben der Soldaten, wie zum Beispiel die Truthahnschwemme an Weihnachten 1944: Statt in den Gulaschkanonen von Hogans Verband zu landen, wurden die tiefgefrorenen Vögel an die hungernden Dorfbewohner in den Ardennen verschenkt. In einem der Kapitel wird sogar eine Begebenheit aus Köthen erzählt.

Im Dezember diesen Jahres ist auf Einladung eines belgischen Traditions- und Heimatvereins ein internationaler Traditionsmarsch geplant

William Hogan und die Familie seiner Schwester besuchen regelmäßig Europa, um Freundschaften, Gedenken und Traditionen zu pflegen. Freunde in Belgien haben einen alten Jeep aus Hogans Verband originalgetreu restauriert. Authentisch bestückt mit der texanischen Lone-Star-Flagge ist der Wagen ein beliebtes Fotomotiv auf Gedenk- und Traditionsveranstaltungen in Belgien und den Niederlanden.

Im Dezember diesen Jahres ist auf Einladung eines belgischen Traditions- und Heimatvereins ein internationaler Traditionsmarsch geplant, um an den Ausbruch der „Hogans 400“ aus der deutschen Einkesselung vor 77 Jahren zu erinnern. In zeitgenössischen Uniformen begeben sich die Protagonisten auf die knapp zwölf Kilometer lange Marschroute über die bewaldeten Hügel der Ardennen. Als Teilnehmer sind auch die Hogans dabei.

Der begeisterte E-Gitarrist William Hogan plant aber auch einen Abstecher in die Köthener Region. Seine Buch-Recherchen und der nette Kontakt zur Mitteldeutschen Zeitung hätten ihn nicht nur neugierig auf Köthen und Dessau gemacht - „auch die kleine Stadt Aken an der Elbe, deren Einnahme meinen Vater und seine Leute ordentlich gefordert hätte, werde ich mir bei Gelegenheit mal ansehen“, so William Hogan. (mz/Marcus Michel)