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Rundgänge mit Einblicken in die Vergangenheit

Von WLADIMIR KLESCHTSCHOW 14.06.2010, 16:56

KÖTHEN/MZ. - Die 5. Friedhofsführung - das ist schon ein kleines Jubiläum, zumal diese Veranstaltungen der Regionalgruppe Köthen des Vereins für Anhaltische Landeskunde nur einmal jährlich stattfinden. Dass in den nächsten fünf Jahren die runde Zahl zehn erreicht wird, gilt unter den Teilnehmern als sicher: Das Interesse hält an. Am Sonnabend nahmen rund 130 Geschichtsinteressierte an einem solchen Rundgang teil.

Diesmal waren es neben Bernd Westphal auch Monika Knof, Simone Scholdra, Matthias Freundel und Enrico Kullrich, die an Grabstätten bedeutender Köthener Familien und Persönlichkeiten kleine Einblicke in die Heimatgeschichte gaben. Zum Beispiel den, dass die Stadt von Bach und Naumann auch mal in der Automobilindustrie eine Rolle spielte. Das hat Köthen Richard Deissner zu verdanken, der hier eine Fabrik errichtete und gegen 1906 die erste Karosserie für ein Kraftfahrzeug baute. Richard Deissner setzte die Geschäfte seines Vaters fort, des Stellmachers August Deissner, in dessen Betrieb Kutschen, Wagen und Schlitten hergestellt wurden.

Der Arzt Dr. Richard Wahn, der Chemiker und Weltbummler Dr. Johann Brandt, der Drogist Albert Hillebrecht, der Architekt Walter Kniestedt, der Arzt Dr. Karlhans Efferding, der Arzt Dr. Liedloff (Vorname unbekannt) - mit einigen Namen wussten manche Rundgangsteilnehmer etwas anzufangen - sogar aus eigener Erfahrung.

Wie zum Beispiel Bernd Westphal. Er wurde 1956 in der Köthener Klinik von Dr. Liedloff geboren. Wäre Westphal ein Jahr später zur Welt gekommen, wäre er womöglich von Hildegard Lüdtke versorgt worden: Sie machte 1957 in besagter Klinik ihr praktisches Jahr. Das stellte sich zufällig heraus - nach der Besichtigung der Grabstätte von Johanna Liedloff, der Ehefrau von Dr. Liedlof. Dabei gehört Hildegard Lüdtke zu den Stammteilnehmern der Friedhofsexkursionen. "Das ist immer sehr informativ und interessant", lobte sie.

"Wir bereiten uns auf die Führungen gründlich vor", erläuterte Westphal. "Es beginnt damit, dass wir über den Friedhof gehen und uns nach geeigneten Grabstätten umschauen. Danach sammeln wir Informationen zu dem jeweiligen Namen - im Archiv, im Internet." Dass diese Einblicke in die Köthener Geschichte für diejenigen selbst interessant sind, die die Führungen veranstalten, zeigt das Beispiel von Enrico Kullrich. Der junge Mann ist Köthener. Nach der Beendigung einer Lehre im städtischen Archiv wurde er nicht übernommen, fand aber eine Stelle im Universitätsarchiv in Braunschweig. Dennoch macht Enrico Kullrich bei den Friedhofsführungen in Köthen mit, weil er die Nachforschungen spannend findet.

Am Sonnabend kam Kullrich extra dafür nach Köthen. Er berichtete über das Ehrenmal für Gefallene des 2. Weltkrieges. Die Begräbnisstätte wurde eingerichtet, da in Köthen damals ein Lazarett existierte. Auf dem Friedhof fanden 219 deutsche Soldaten sowie sechs Gefangene aus Russland, fünf aus Frankreich und einer aus Italien die letzte Ruhestätte. Heute ruhen an dieser Stelle nur noch die 219 Deutsche und sechs Russen, nachdem die anderen Toten ausgebettet und in ihre Heimat überführt worden sind. Im vorigen Jahr wurde das Gräberfeld mit Bundes- und Landesunterstützung saniert.

Auch zur Führung am Samstag gaben die Vereinsmitglieder eine Broschüre heraus, in der über die jeweiligen Stationen berichtet wird. Sie kostet drei Euro. Das Geld wird für die Erhaltung historischer Grabanlagen auf dem Köthener Friedhof verwendet.