„Enorme Herausforderung“ Renate Wiehle ist eine von vielen Hausärzten in Köthen, die Patienten gegen Covid-19 impfen
Köthen - Renate Wiehle hat schon einen anstrengenden Tag hinter sich. Und er ist noch lange nicht vorüber. Seit dem frühen Morgen ist sie im Impfzentrum zugange, das glücklicherweise nur wenige Meter von ihrer Praxis am Köthener Marktplatz entfernt ist. Nun sitzt sie wieder an ihrem Schreibtisch – und bereitet sich auf die Sprechstunde vor. Gleich ist es mit der Ruhe vorbei.
Seit 1991 arbeitet die Renate Wiehle als niedergelassene Allgemeinmedizinerin. Seit über einem Jahr begleitet SARS-CoV-2 ihren Arbeitsalltag. Wie lange noch weiß keiner. Die Leute, beobachtet sie, seien ungeduldiger als noch zu Beginn der Pandemie.
Dieses ungeduldig sein, bereitet ihr inzwischen Sorge. Weil es doch mit einer gewissen Unbekümmertheit einhergehe. Wenn sie sich auf den Straßen umsehe, wie dicht die Menschen beisammen stünden, ohne Masken – die Ärztin nimmt das mit Unverständnis zur Kenntnis. Allein das Impfen, untermauert sie, werde nicht reichen, diese Pandemie zu überwinden. Es brauche die Anstrengung aller.
Seit 14 Tagen impft Renate Wiehle ihre Patienten in der Praxis
Sie will ihren Teil beitragen. Seit 14 Tagen impft sie ihre Patienten in der Praxis. Dass es nun für die Hausärzte mehr Impfstoff geben wird, begrüßt sie. „Wir bestellen, was wir können.“ In der vergangenen Woche bekommt sie lediglich für zwölf Patienten Impfstoff von Biontech und für zehn von Astrazeneca. „Das ist gar nichts“, sagt sie.
Es ist erste Mal, dass sie auch Astrazeneca erhält. Ein Impfstoff, der in der öffentlichen Debatte viel Gegenwind einstecken muss. „Es herrscht eine große Verunsicherung unter den Leuten.“ Dass dieser Impfstoff „in der Regel eine stärkere Impfreaktion auslöst“, sei bekannt. Deshalb ist Renate Wiehle bestrebt, ihre Patienten gut aufzuklären, mit ihnen zu sprechen, ihre Sorgen und Ängste ernst zu nehmen. „Ich würde niemandem einen Impfstoff aufzwingen.
Ich versuche meinen Patienten klar zu machen, wie wichtig diese Impfung ist.“ Doch die Akzeptanz für den Impfstoff ist nach wie vor gering. Das spürt sie in der vergangenen Woche sehr deutlich. Und vor allem haben ihre Schwestern am Telefon alle Mühe, Personen zu gewinnen, die sich mit Astrazeneca impfen lassen – und nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission auch dafür in Frage kommen. Das sind Menschen über 60. „Es war schwer, die zehn Personen für die Impfung mit Astrazeneca zu finden“, konstatiert Renate Wiehle.
Circa 200 Frauen und Männer, schätzt die Hausärztin, würden darauf warten, bald von ihr geimpft zu werden
Circa 200 Frauen und Männer, schätzt die Hausärztin, würden darauf warten, bald von ihr geimpft zu werden. Es sind vorzugsweise die älteren, aber auch die mittleren Jahrgänge. Je nach Priorität werden die Impfkandidaten angerufen. Der Aufwand für ihre Mitarbeiterinnen sei enorm, weiß Renate Wiehle, die dankbar für deren Einsatz ist. Vor allem organisatorisch muss in der Hausarztpraxis einiges umgestellt werden, um überhaupt impfen zu können.
Einfach mal zwischendurch den Impfstoff – ganz gleich welchen Herstellers – verabreichen, sei keine Option. „In der Zeit, in der wir impfen, machen wir nichts anderes.“ Das passiert außerhalb der regulären Sprechzeiten. Und ist akribisch vorbereitet. Sind die Spritzen aufgezogen, müssen zeitnah sechs Personen geimpft werden. Anschließend müssen die Geimpften 15 Minuten zur Nachbeobachtung dableiben. „Das ist für jede Praxis eine riesige Herausforderung“, betont Renate Wiehle.
Renate Wiehle findet das Impfen wichtig, „damit wir vorwärts kommen und alle wieder in die Normalität zurück können“
Sie zieht den Hut vor allen Kolleginnen und Kollegen, die gegen Covid-19 impfen – vor allem vor denen, die allein in der Praxis sind. Renate Wiehle hat tatkräftige Unterstützung von Dr. Sophie Stolte, die bei ihr eine Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin absolviert.
Um den Impfprozess voranzubringen, sei das extrem hilfreich. Nur deshalb kann sie Anfang des Jahres die Impfaktionen in den Pflegeheimen begleiten und auch jetzt im Impfzentrum in Köthen mitarbeiten. Renate Wiehle findet das wichtig, „damit wir vorwärts kommen und alle wieder in die Normalität zurück können“.
„Es wäre schön, wenn wir so viel Impfstoff bestellen könnten, wie wir wollen und dass wir zügiger vorankommen“
Wo sich die Menschen impfen lassen, ob im Impfzentrum oder in ihrer Praxis, das spiele keine Rolle, sagt Renate Wiehle und plädiert dafür, weiter so schnell es geht die Menschen zu impfen – in den Praxen und parallel in den Impfzentren.
„Es wäre schön, wenn wir so viel Impfstoff bestellen könnten, wie wir wollen und dass wir zügiger vorankommen“, wünscht sie sich. Doch im Moment müssten sich die Haus- und Fachärzte noch einschränken. 50 Patienten pro Woche, schätzt Renate Wiehle, könnte sie in ihrer Praxis in Köthen impfen. Das ließe sich organisieren. Sie hofft, dass das bald möglich sein wird. Und das Tempo zunimmt. „Ich denke, es gibt bei uns eine Menge Praxen, die sich bemühen.“ (mz/Sylke Hermann)