Projekt an der Hochschule Anhalt Projekt an der Hochschule Anhalt: Strom aus Klärschlamm

Köthen - Eine fünfstellige Summe an Energiekosten gibt das Klärwerk in Freyburg jeden Monat allein für die Belüftung der Klärbecken bei der Abwassereinigung aus. Ein stolzer Betrag, meint Sören Thiering, wissenschaftlicher Assistent im Fachbereich Angewandte Biowissenschaften und Prozesstechnik der Hochschule Anhalt, Studiengang Biotechnologie. Kosten, die sich im Rahmen der Abwassergebühren auch auf die Haushaltskasse der Bürger auswirken.
Praxisnahe Forschung
Das ist der Ausgangspunkt für ein Forschungsprojekt, in das Thiering an der Seite von Professor Reinhard Pätz derzeit sein ganzes Können steckt. „Stromerzeugung aus Klärschlamm“, so bringen es die Wissenschaftler auf einen einfachen Nenner. Wenn es gelänge, wenigstens einen Teil des benötigten Stroms aus Klärschlamm zu erzeugen, die Kläranlage sozusagen zum Kraftwerk zu machen, wäre das ökonomisch äußerst sinnvoll.
Interesse an dieser Entwicklung hat die Firma Binowa aus Freyburg, die sich seit 20 Jahren u.a. mit dem Bau von Biogasanlagen für landwirtschaftliche Betriebe und die Industrie, Kläranlagen und Abwasseranlagen befasst.
In einer ersten Versuchsreihe testet Sören Thiering derzeit im Hochschullabor in Köthen, wie man in einem Reaktor Mikroorganismen durch den Entzug von Sauerstoff über bestimmte biochemische Prozesse dazu bewegen kann, Elektronen abzugeben, die dann einen Stromkreis antreiben.
Wie viel Strom erzeugt wird, das hängt von der Größe und Beschaffenheit des Reaktors ab, dessen Konstruktion - was den Einsatz der Materialen anbetrifft - in jedem Fall erschwinglich bleiben muss.
Für seinen Modellversuch hat sich Sören Thiering mit einem selbst entworfenen und selbst hergestellten 3D-Drucker einen kleinen Reaktor gebaut, der aus acht Zellen besteht, die jeweils 15 mal 15 Zentimeter groß sind. Zwischen den einzelnen Zellen befinden sich Spezialmembranen und dahinter kleine Kammern, in denen sich die Mikroorganismen aus dem Klärschlamm tummeln.
Abgesehen haben es die Wissenschaftler auf jene unter ihnen, die besondere Energiebündel sind, also besonders zur Abgabe von Elektronen neigen.
Am ersten Versuchstag hat Thiering in dem kleinen Reaktor, der zwischen 500 und 600 Milliliter Klärflüssigkeit fasst, mittels Multimeter eine Spannung von 4,2 Volt gemessen, wie auf einem mit der Versuchsreihe verbundenen Laptop abzulesen ist. Ausreichend, um damit eine kleine Glühbirne zum Leuchten zu bringen. Fünf Volt würden bereits zum Betrieb eines Handys ausreichen, macht Prof. Pätz deutlich. Um am Ende möglichst so viel Strom zu erzeugen, dass die Spitzen bei der Abwasserbehandlung abgefangen werden können, müsste man natürlich einen geeigneten Reaktor bauen. So groß, dass er den Inhalt eines mittleren Klärwerkes aufnehmen kann, also etwa 1000 Kubikmeter. Thiering will seine Versuchsreihe im Labor auf einen Zwei-Kubikmeter-Reaktor beschränken. Insgesamt liegen zwei Jahre Forschung vor ihm.
In der Kläranlage Freyburg entstehen die erwähnten Abwasserspitzen - neben der Aufnahme der üblichen Haushaltsabwässer - zum Beispiel durch Einleitungen aus der Rotkäppchen-Sektkellerei.
Jedes Abwasser ist anders belastet, was zu Schwankungen in der Zusammensetzung führt und sich auf die Anlage negativ auswirkt, so die Experten. Könnte man solche Einleitungsspitzen abfangen und den Klärschlamm zur Verstromung nutzen, würde das die Kläranlage nicht nur stabilisieren, man würde am Ende auch mit einer kleineren Anlage auskommen, sagt Pätz.
Außerdem wäre es möglich, über die zusätzliche Gewinnung von Methangas einen Energieträger zur Verfügung zu haben, mit dem man den erzeugten Strom heute schon rund 80 Tage lang speichern kann.
„Entwicklung einer bioelektrischen Zelle zur effizienten Reduktion von CO² in Biogas“ lautete das Thema von Sören Thierings Masterarbeit, durch die er sich in den Augen seines Professors für die Projektleitung qualifiziert hat. „Er ist einfach ein Glücksfall für uns“, sagt Pätz. Denn Thiering bringe nicht nur wichtige Erfahrungen aus dem Biotechnologie-Studium mit, sondern auch Kenntnisse aus der Elektrotechnik und Informatik.
Interessantes Studienangebot
Für den jungen Mann, der aus Dessau stammt und sich ganz bewusst für ein Studium an der Hochschule Anhalt entschieden hat, ist die Arbeit am Projekt eine gute Chance zur wissenschaftlichen Weiterbildung.
Ein solches Projekt erfolgreich zu managen, damit erwerbe sich Thiering wichtige Referenzen, ist Prof. Pätz überzeugt, der gern noch mehr junge Leute zum Studium in Köthen ermuntern möchte. „Wir sind Spitze in der Forschung“, wirbt der Professor für die Köthener Hochschule und belegt dies mit zahlreichen Forschungsprojekten, die gemeinsam mit der Wirtschaft realisiert werden.
Was das Projekt der Klärschlammverstromung anbetrifft, so ist das Hochschulteam zum Beispiel Mitglied in einer Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für chemischen Apparatebau mit Zentren in Leipzig, Braunschweig, Frankfurt/Main und Kassel.
Am 24. September findet in Köthen zudem das 7. Biotechnologie-Kolloquium mit Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet statt, das sich diesmal speziell mit dem Thema Strom aus Mikroorganismen befassen wird.
