Pommernschafe erobern Elsdorf Pommernschafe erobern Elsdorf: Primigenius setzt Landschafe zur Landschaftspflege ein

Elsdorf/Wulfen - Der feine Nieselregen macht den Tag ungemütlich. Da bleibt im Trocknen, wer nicht unbedingt raus muss. Für Stefan Reinhard ist das gegenwärtig keine Option. Seit drei Wochen etwa fährt er oder einer seiner Mitarbeiter zur ehemaligen Kiesgrube Elsdorf, um nach den Neuankömmlingen zu sehen.
Die gemeinnützige Primigenius GmbH, eine hundertprozentige Tochter des Köthener Naturschutzbundes, hat sich zwölf Rauhwollige Pommersche Landschafe zugelegt. Der Primigenius-Geschäftsführer schaut also nach, ob es seinen Schützlingen gut geht, wie sie zurechtkommen in der ihnen noch fremden Umgebung. Mit dabei ist diesmal auch Claudia Meier.
Sie ist in der Gesellschaft zuständig für Heckrinder und Koniks, die in der Oranienbaumer Heide und im Wulfener Bruch weiden. Nun also auch für die Schafe. Allesamt stehen die Tiere in Diensten des Naturschutzes, sind Landschaftspfleger im Ganzjahreseinsatz, schützen Lebensräume für seltene und in ihrer Existenz bedrohte Tier- und Pflanzenarten.
Sieben Hektar für die Pommernschafe bei Elsdorf
An der Sandkiete bei Elsdorf sollen die Pommernschafe auf einer insgesamt sieben Hektar großen Fläche für den Erhalt der noch in Ansätzen vorhandenen Trockenrasenfläche sorgen, die begonnene Verbuschung zurückdrängen, so dass Kräuter und Gräser auf dem nährstoffarmen Boden wieder eine Chance und Licht zum Gedeihen haben. „In kürzester Zeit wird es hier überall prächtig blühen“, blickt Claudia Meier zuversichtlich auf wärmere Jahreszeiten.
Schon von weitem sind die Veränderungen auf dem Gelände, das die Gesellschaft von der Mitteldeutschen Baustoffe GmbH und von der Stadt Köthen gepachtet hat, zu erkennen. Ein Viehhänger, der später durch einen beweglichen Unterstand ersetzt werden soll, steht da, eine Solaranlage ist aufgebaut.
Und um etwa sechs Hektar der vom zertifizierten Öko-Betrieb gepachteten Fläche, die sich südlich des weiterhin ohne Einschränkungen nutzbaren Weges am Kiessee befindet, spannt sich ein moderner Weidezaun. Im Oktober habe eine Fachfirma den stromführenden Zaun gesetzt, erinnert sich Stefan Reinhard.
Wolfssicherer Zaun soll die Schafe schützen
Es sei ein wolfssicherer Zaun, der alle diesbezüglichen gesetzlichen Vorgaben erfülle. Stabil ist er und 1,20 Meter hoch, die untere Litze etwa 20 Zentimeter über dem Erdboden, der Strom wird aus dem Sonnenlicht gewonnen. „Wir haben für den Schutz der Tiere gesorgt“, sagt der promovierte Agraringenieur und hofft, dass dies auch ausreichend ist. „Eine Informationstafel wird noch aufgestellt, damit Spaziergänger erfahren, was wir hier tun“, fügt er hinzu.
Doch wo sind sie nun, die Rauhwolligen Pommerschen Landschafe? Am anderen Ende des Geländes grasen sie, mit dem bloßen Auge aus der Ferne nicht zu erkennen. Nach einem kurzen Fußmarsch sind sie dann doch zu sehen. Neugierig kommen einige näher.
Vor ihrer Zeit bei Primigenius haben sechs von ihnen dem Naturschutzbund Barleben gehört, die anderen auf einem Biohof in Halle/Westfalen gelebt. „Es war nicht einfach, Pommernschafe, die aus ökologischer Tierhaltung stammen, zu finden“, sagt Claudia Meier. Letztlich hat es geklappt. Die zwei Mutterschafe und zehn Lämmer aus diesem Jahr scheinen sich in Elsdorf bereits wohl zu fühlen.
Pommernschafe: Gesund, fruchtbar, genügsam und robust
Es sind alles Herdbuchtiere, also registriert und mit beglaubigter Abstammung. „Damit haben wir die Chance zu züchten, im Moment ist das jedoch nicht vorgesehen“, sagt der Geschäftsführer. Wie auch, wenn der Bock fehlt. Doch die Zucht der Pommernschafe mit ihren ursprünglichen rassetypischen Eigenschaften - gesund, fruchtbar, genügsam und robust - ist wichtig.
Schließlich werden sie in der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) geführt, ist ihr Bestand bedroht. Auch deshalb hat sie Primigenius angeschafft.
Anke Mückenheim, Vorstandsvorsitzende des Zuchtverbandes für Ostpreußische Skudden und Rauhwollige Pommersche Landschafe und selbst Schäferin in Schleswig-Holstein, kann das nur bestätigen. „Wir führen in den Herdbüchern knapp 3.000 Muttertiere und circa 200 Böcke. Die Tendenz ist sinkend“, sagt die GEH-Rassebetreuerin.
Wolle der Pommernschafe ist begehrt
Es gebe in Deutschland viele kleine Bestände der Pommernschafe, aber auch ein paar größere. „Fällt da einer weg, dann sind das gleich mal 500 Tiere weniger.“ Auch in Sachsen-Anhalt ist die Zahl der Pommernschafe durchaus überschaubar. Hans-Jörg Rösler, Geschäftsführer des Landesschafzuchtverbandes, informiert, dass es hier lediglich „127 Mutterschafe und zehn Böcke der Rasse bei sechs Züchtern gibt“.
Claudia Meier und Stefan Reinhard haben ihren Schafen etwas Brot zum Knabbern mitgebracht. Da lassen sich die Mutigsten nicht zweimal bitten. Und aus der Nähe, beim sanften Griff in die sich - wie die Rassebezeichnung deutlich macht - rau anfühlende Wolle, wird klar, warum sie sich so gut für den ganzjährigen Aufenthalt im Freien eignen, egal wie das Wetter ist.
Auch der andauernde Nieselregen kann ihr Vlies nicht durchdringen, ihre Haut bleibt trocken. Anke Mückenheim erklärt es so: „Anders als Merinoschafe etwa, haben die Pommern noch Kurz- und Langhaar, das ersteres überwächst.“ Man unterscheide zwischen diesem längeren Deckhaar und der kürzeren feinen Unterwolle. Das Regenwasser laufe so gut ab.
Im Mai werden die Elsdorfer Pommern geschoren
Zudem entstehe so ein Vlies mit großem Volumen. Dort könne sich Luft halten, was die Tiere wärme. Und die Wolle sei, obwohl sie eben viel, viel rauer als bei anderen Schafen ist, nicht nur ein guter Schutz, sondern durchaus begehrt, für die Pulloverherstellung etwa.
„Im Mai“, sagt Claudia Meier, „werden auch die Elsdorfer Pommern geschoren, dann könnte es sein, dass die Primigenius GmbH deren Wolle zur Weiterverarbeitung an eine Berliner Wollmanufaktur abgibt.“ Erste Kontakte seien bereits geknüpft worden.
Die Schafe indes interessiert das weniger. Sie wollen noch ein paar Leckerbissen. Wie auf einer Schnur aufgereiht folgen sie daher Claudia Meier und Stefan Reinhard ein Stück des Weges, als die sich im Nieselregen auf den Weg nach Wulfen zu den Koniks und Heckrindern machen. (mz)
Die ursprüngliche und hauptsächliche Heimat der Rauhwollschafe liegt in Pommern und den vorgelagerten Inseln, also den Küstengebieten der Ostsee.
Das mischwollige Vlies der mittelgroßen Schafe ist grau, schwarz oder graublau. Kopf und Beine sind schwarz; der Schwanz ist lang und bewollt. Schleimhäute und Zunge sind dunkel pigmentiert. Alle Tiere sind hornlos. Rauhwollige Pommersche Landschafe haben eine Widerristhöhe von 65 bis 75 Zentimetern.
Mutterschafe wiegen 50 bis 55 Kilogramm, Böcke bis zu 75 Kilogramm. Die Lämmer werden schwarz geboren und entwickeln das typische Pommernvlies im Laufe des ersten Lebensjahrs. Rauhwollige Pommersche Landschafe sind besonders geeignet für die Landschaftspflege auf trockenen Sandböden oder feuchten Weiden.
In den 1980er Jahren gab es auf Rügen nur noch einen Restbestand von 46 Mutterschafen und sieben Böcken. Die Züchter dort begannen jedoch mit der Erhaltungszucht. Sie exportierten damals auch die ersten Zuchtböcke in die BRD, im Jahr der Wende folgten weibliche Zuchttiere. Inzwischen ist der Bestand der Pommernschafe wieder angewachsen.
Weitere Informationen finden sich unter www.g-e-h.de