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Nach sechs Jahren Pause Nach sechs Jahren Pause: Im Brauhaus Köthen reift wieder Bier heran

Von Matthias Bartl 25.09.2018, 08:36
Im Köthener Brauhaus wird wieder Bier gebraut. Jean Titze, Jürgen Titze und Stephan Nickel (v. li.) begutachten den Vorgang.
Im Köthener Brauhaus wird wieder Bier gebraut. Jean Titze, Jürgen Titze und Stephan Nickel (v. li.) begutachten den Vorgang. Ute Nicklisch

Köthen - „Der Name stimmt wieder“, sagt Stephan Nickel und setzt ein breites Grinsen auf. Auch wenn noch ein paar Tage daran fehlen, dass das Bonmot tatsächlich Wirklichkeit wird, mit dem der Chef des Köthener Brauhauses eine Rückkehr zu alter Tradition bezeichnet, so liegt doch im ältesten Gasthaus der Kreisstadt mehr als nur ein Hauch von Biergeruch in der Luft.

Und er kommt nicht aus den Biergläsern der Gäste. Er kommt von den beiden voluminösen Kupferkesseln am Ende des Gastraumes. Rund sechs Jahre lang haben die Kessel nur optisch an die Brautradition des Hauses erinnert - jetzt soll in ihnen wieder Bier heranreifen. Hausgemacht.

Brauhaus Köthen: Bier mit eigener Note

Mit eigener Note. Eigenem Namen. Köthener Bier. Das von einem Mainzer gebraut wird. Jean Titze ist an der Hochschule Anhalt Professor für Lebensmitteltechnologie pflanzlicher Produkte - und gleichzeitig Brauherr der „Campuskrone“, der Biermarke, die seit Jahren an der Hochschule in einer der Hallen am Hubertus in kleinen Chargen gebraut wird.

Dass Titze jetzt in einem Kessel ganz anderer Größenordnung Maische ansetzt, geht auf seinen Präsidenten zurück: Jörg Bagdahn hat vor etwa einem Jahr die Initialzündung dazu gegeben, dass am Köthener Brauhaus wieder der Name stimmt. „Er hat sich bestimmt gedacht: Wir haben“, scherzt der Professor und feixt, „jetzt den Titze und der kann Bier brauen.“

Brauhaus Köthen: Bierbrauen ist eine Kunst

Was nicht nur durch Lehrbrauerei an der Hochschule und die „Campuskrone“ belegt ist. Einen erheblichen Teil seines Lebens leitete Titze als sogenannter Postdoc - wobei man nach vollendeter Promotion befristet an einer Uni tätig ist - die Brauerei am University College Cork der National University of Ireland. Mit anderen Worten: Jean Titze kennt sich im Metier auch mit größeren Kesseln schon aus.

Denn Brauen ist eine Kunst. Mehr noch als ein Handwerk. Zwar kann man die benötigten Mengen an Malz und Zucker aufs Gramm bemessen. Zwar kann man die notwendigen Temperaturen dank moderner Technik aufs Grad genau einstellen, damit zum Beispiel exakt bei 78 Grad Celsius abgemaischt wird.

Nach sechs Jahren Pause wird im Brauhaus Köthen wieder Bier gebraut

Zwar kann man die Menge des nachzugießenden Wassers milliliterpräzise bestimmen und auf den Punkt die richtige Ladung Hefe zur Würze geben - am Ende ist es auch immer die Nase, das Auge und der Gaumen des Braumeisters, der aus der Kombination von Wasser, Hopfen und Malz ein Bier macht, das die Fachleute mit der Zunge schnalzen lässt.

Oder eben nicht. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg im Brauhaus. Am Tag des ersten Suds redet man über Technik und darüber, ob sie nach sechs Jahren Pause überhaupt noch funktioniert. Das tut sie, nickt Jean Titze, der sich für diesen Tag familiäre Unterstützung mitgebracht hat, die allerdings mehr ist als moralische Rückendeckung: Jürgen Titze ist Ingenieur, Verfahrenstechniker, Herr der Ventile, Leitungen und Handräder. Auskenner senior hilft Auskenner junior.

Wie Bier im Brauhaus Köthen gebraut wird

Beide Titzes bemühen sich übrigens aufopferungsvoll, dem neugierigen Laien die technischen, physikalischen und chemischen Abläufe des Brauens zu vermitteln, was sich in dessen Ohren anhört, als wollten Alchemisten einen taufrischen Adepten auf den Weg zum Stein der Weisen weisen.

Immerhin. Einiges davon ist hängengeblieben. Dass die Brauer am Morgen des Sudtages 150 Kilogramm Malz geschrotet haben, das in die Maischepfanne kommt, wenn das Wasser 58 Grad hat. Dass Würze entsteht. Die gekocht wird und an die dann Hopfenpellets kommen: Hallertauer Perle, Magnum und Saazer Hopfen.

Bierbrauen im Brauhaus Köthen: Aus Zucker wird Alkohol

Dass die unlöslichen Hopfenbestandteile wieder raus müssen aus der Würze: Was in einem Whirlpool passiert, wo die Würze derart umgerührt wird, dass ein Teetasseneffekt entsteht, in dem sich der sogenannte Heißtrub unten absetzt und die Würze oben abgezogen wird. Und zwar in Richtung Würzekühler: neun Grad Celsius sind das Ziel.

Dann landet das Zwischenprodukt im Gärkeller, der sich drolligerweise im Dachbereich befindet. Und viel später kommt Hefe dran (mit 15 bis 20 Millionen Zellen pro Milliliter), dadurch wird der Zucker in der Würze in Alkohol umgewandelt.

Nach etwa sechs Wochen ist das Bier im Brauhaus Köthen gebraut

Etwa fünf bis sechs Wochen nachdem der Sud angesetzt wurde, ist daraus tatsächlich Bier geworden. Köthener Bier. „Und zwar ein Top-Bier in Spitzenqualität“, wie Jean Titze die Richtung vorgibt. In drei Sorten: Pils, Zwickel hell und dunkel.

Bis es soweit ist, haben die Protagonisten noch Zeit nicht nur über Namen, sondern vor allem über den Fortgang nachzudenken. Denn das Bier muss ja auch an den Mann oder die Frau gebracht werden, und aus 800 Litern Würze wird auch fast genau so viel Bier.

Brauhaus Köthen: Es scheiterte an der Vermarktung des Bieres

Im ersten Anlauf war das Brauhaus genau daran gescheitert, die großen Biermengen vernünftig zu vermarkten. „Die Anlage war und ist für das Brauhaus allein einfach zu groß“, sagt Stephan Nickel. In der eigenen Gastronomie habe man vielleicht 20 bis 25 Prozent absetzen können, „für eine schwarze Null müsste eine Menge mehr fließen“.

Ziel müsse es also sein, ein Konstrukt zu finden, in dem die Bierproduktion ökonomisch sinnvoll umgesetzt werden kann; eine „kleine Familie“, die das Bier mit vertreibt. Vielleicht ein, zwei Kneipen, die mitziehen. Eine Flaschenabfüllung wird es nicht geben, „dafür haben wir nicht die Technik“, so Nickel. Der ohnehin erst einmal abwarten muss, wie das flüssige Produkt des Testlaufs ausfällt.

Eins allerdings ist jetzt schon klar: Die Anlage ist fit für größere Aufgaben. Für ein schönes Köthener Bier. (mz)

Hier entsteht die sogenannte Würze.
Hier entsteht die sogenannte Würze.
Ute Nicklisch