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Frust nach Verkauf Nach Eigentümerwechsel: Gebühren für Garagen an Rüsternbreite in Köthen gehen durch die Decke

Von Matthias Bartl 02.08.2019, 08:50
Teil des Garagenhofs an der Anhaltischen Straße in Köthen
Teil des Garagenhofs an der Anhaltischen Straße in Köthen Ute Nicklisch

Köthen - Hartmut K. (Name geändert) hat Ende der 1980er Jahre am Rand der Rüsternbreite in Köthen Garagen gebaut. Hunderte. Im Rahmen einer Garagenbaugemeinschaft, in die damals nur reingekommen ist, wer über Vitamin B verfügte oder als Handwerker unersetzlich war.

K. war Handwerker und hatte Vitamin B. Und hatte danach viele Jahre lang Freude an der Garage. Erst als Eigentümer, dann als Mieter. Jetzt aber hat Hartmut K. die gute Laune verlassen.

Nämlich als er vor einigen Tagen überraschend zwei Briefe bekommen hat. Einen vom bisherigen Eigentümer des „Garagenhofes Anhaltische Straße“, Jörg Böhning aus Fulda, den anderen von einer Garagenvermieter GmbH aus Böhlen, seit 1. Juli neue Eigentümerin des Komplexes mit insgesamt 928 Garagen.

Das hätte K. normalerweise nicht aus dem Gleichgewicht bringen müssen. Eigentümerwechsel sind heutzutage nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich war aber die Erhöhung der Miete und Pachten, die dieser Eigentümerwechsel mit sich bringen soll. Die meisten Pächter einer Garage zahlten bisher 100 Euro im Jahr plus die Grundsteuer B am Böhning. Die neue Eigentümerin verlangt demnächst nach MZ-Informationen 357 Euro im Jahr, wobei die Grundsteuer B darin schon enthalten ist. Mieter mussten bisher für ihre Garage durchschnittlich 26 Euro im Monat auf den Tisch legen. Für sie erhöht sich der Mietzins auf 35,70 Euro.

„Leider ist es für uns nicht nachvollziehbar, wie der aktuelle Zins bis heute wirtschaftlich tragbar war“

Verständlicherweise haben viele Mieter und Pächter nach Erhalt dieses Schreibens Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um diesem exorbitanten Kostenanstieg zu entgehen. Doch Hilfe ist nicht in Sicht. Die MZ hat beim Landesamt für Verbraucherschutz und bei der Verbraucherzentrale angefragt - beide Einrichtungen erklärten sich für nicht zuständig. Auch seitens der Stadt erfolgte keine Reaktion zugunsten der Mieter und Pächter. „Der jetzige Erwerber ist in die Miet- und Pachtverträge eingestiegen und hat sogleich von seinem Kündigungsrecht - entsprechend der vertraglichen Regelungen - Gebrauch gemacht“, heißt es in einer Mail an die MZ.

Für die Garagenvermieter GmbH sind die Miet- und Pachterhöhungen quasi selbsterklärend. In einem Schreiben hat sie zum einen deutlich gemacht, dass sie die Vertragspartnerschaft gern fortführen würde. Gleichzeitig wird aber geschrieben: „Leider ist es für uns nicht nachvollziehbar, wie der aktuelle Zins bis heute wirtschaftlich tragbar war.“ Vorbesitzer Böhning hatte nach dem Erwerb die Pachten und Mieten nur einmal, 2015, erhöht.

Damit die Mieter und Pächter „zukünftig planbare Gesamtkosten haben“ sehe man sich gezwungen, so die neue Eigentümerin, den Miet-/Pachtzins entsprechend anzupassen. Darüber hinaus werde eine Mindestmietdauer von einem Jahr eingeführt und man übernehme weitere Risiken der Nebenkosten (u. a. Gebäudeversicherung, wenn vorhanden Strom, anteilig Grundstückspflege und Winterdienst sowie anderes mehr).

Der jetztige Eigentümer versteht die Aufregung der Garagen-Pächter nicht

Des weiteren werden Investitionen angekündigt, zum Beispiel die Überwachung des Garagenhofs, die Erneuerung der Ausleuchtung, die Ausweitung der Stromgaragen.

Ob diese Ankündigungen Wirkung entfalten, ist zweifelhaft. In einem Schreiben von Mietern und Pächtern an die MZ wird die Erwartung geäußert, dass sich die „bislang hohe Anzahl an Pächtern“ drastisch reduzieren werde. Dies sei seit Bekanntmachung des Eigentümerwechsels zu beobachten. Der prognostizierte Exodus aus den Garagen werde Auswirkung auf die Stadt haben: Mehrere hundert Parkplätze in der Rüsternbreite und anderswo in der Stadt würden benötigt.

Auch wird von nicht wenigen vermutet, dass die Erhöhung der Mieten und Pachten genau die Vertreibung der Garagenbesitzer hervorrufen soll. Damit anschließend das Gelände beräumt und verkauft und neu bebaut werden kann. Das allerdings ist so einfach nicht: Laut Auskunft der Stadt gibt es keinen B-Plan für die Rüsternbreite, weshalb ohne ein Planverfahren eine Bebauung nicht möglich wäre. Die Garagenvermieter GmbH hat auf die von der MZ schriftlich gestellten Fragen bis Redaktionsschluss nicht geantwortet. Bei einem kurzen Telefonat mit einem Vertreter des Geschäftsführer wurde aber deutlich, dass man die Aufregung unter den Pächtern und Mietern nicht versteht: Die jetzt aufgerufenen Mieten und Pachten seien im Vergleich mit anderen Städten gleicher Größe wie Köthen absolut üblich. Nach einem Einlenken klingt das nicht. (mz)

Laut der Internetseite anwalt.de gibt es für die Höhe der Miete bei der Vermietung von Garagen keine Vorschriften. Daher könnten Eigentümer grundsätzlich jede beliebige Miethöhe fordern - solange sie nicht die Grenze zum Wucher überschreiten.

Insgesamt seien Vermieter also in der Gestaltung der Miete für eine Garage oder einen Stellplatz sehr frei.