Nach dem Hochwasser Nach dem Hochwasser: Nichts zu retten

aken/MZ - An die Salami, den Käse, die Butter im Kühlschrank hat er nicht gedacht. Dafür an die Hauptsicherung. „Bevor ich gegangen bin, hab ich noch den Stecker rausgezogen.“ Und anstatt die Lebensmittel rauszunehmen, lässt er sie liegen; ohne Strom, ohne Kühlung, mitten im Sommer. „Wir dachten doch, wir sind am nächsten Morgen wieder da“, erinnert er sich.
Es kommt anders. Firmenchef Ralf Perner und seine Mitarbeiter bleiben der Arbeit nicht nur Tage, sondern Wochen fern. Die Taube neben dem Autohaus in der Köthener Landstraße tritt über die Ufer, Teile der Elbestadt werden überschwemmt. So auch Perners Autohaus. „Wir waren vier Monate nicht für unsere Kunden da“, ärgert er sich.
Das Wasser stand 80 Zentimeter
In der Werkstatt stand das Wasser 60, stellenweise sogar 80 Zentimeter hoch, schätzt er. Elektrische Geräte, Maschinen, alles, was relativ leicht zu transportieren ist, verstauen Perners Leute auf der Hebebühne und parken das kostbare Inventar knapp unter der Decke. Das reicht, um nicht nass zu werden. Aber die enorme Luftfeuchtigkeit hinterlässt trotzdem ihre Spuren. Nach und nach streikt die Technik. Vor ein paar Tagen erst ist im Autohaus auch noch der letzte PC ausgestiegen. Eine Nachwehe des Hochwassers? „Ach, wenn man das immer so genau wüsste.“ Ralf Perner nimmt es hin. Vielleicht hänge es ja tatsächlich damit zusammen, dass das Wasser so lange in den geschlossenen Räumen gestanden hat. „Aber vielleicht hätte der Rechner auch ohne Hochwasser seinen Geist aufgegeben.“ Auch das hält er für möglich.
In der Hochwasser-Hektik geht vieles unter. „Dass wir in den Schränken unsere Kundenakten aufbewahren, habe ich komplett ignoriert“, gesteht der Autohaus-Chef. Da sei später nichts mehr zu retten gewesen. „Alles, was mit dem Wasser in Berührung gekommen ist, schmeißt man fort“, ist seine Erfahrung. Rechnungen und Buchungsunterlagen waren zum Glück digital erfasst, und trotzdem gebe der Akener einiges darum, seine Kundenakten in Papierform wieder zu haben. Und speziell die aufschlussreichen Randnotizen der Mitarbeiter zu den einzelnen Aufträgen.
Die Gebraucht- und Vorführwagen rettet der 54-Jährige erst mal vor dem Hochwasser in Aken. In Micheln, Elsnigk und bei einem Geschäftspartner in Köthen kann er die Autos unterstellen. Sie bleiben unbeschädigt - bis Ende Juni das Unwetter und der Hagel neues Unheil über Aken bringen. Drei Vorführwagen kann der gelernte Autoschlosser mit deutlich sichtbaren Dellen abschreiben. Und als hätte der zweifache Familienvater nicht schon genug Existenzsorgen, verursacht der Sturm Ende Juni weitere Schäden; das Dach der Werkstatt fliegt fort.
"Ich stand nach dem Hochwasser fast alleine da"
„Das Nervenkostüm“, sagt er mit einem milden Lächeln, „ist extrem dünn.“ Obwohl er mit der Firma heute aus dem Gröbsten raus sei. Daran sei, gibt er ehrlich zu, vor ein paar Monaten nicht zu denken gewesen. „Ich stand nach dem Hochwasser fast alleine da.“ Zwei ältere Kollegen hatten sich neue Jobs gesucht oder sind aus familiären Gründen weggegangen. Im Herbst versucht Perner dann über ein Zeitarbeitsfirma neue Leute zu gewinnen. „Außer Kosten“, betont er, „nichts gewesen.“ Über eine Zeitungsannonce gerät der Akener an einen jungen Mann, der sich nicht nur für die Arbeit im Autohaus interessiert. Er kennt auch noch jemanden, der in seinem aktuellen Job unzufrieden ist. „Glück muss man haben“, lacht er und ist froh, „dass ich heute wieder eine kleine Mannschaft zusammen habe, die Spaß an Autos hat“. Sie sind zu viert - inklusive Chef.
Rund 150 000 Euro Schaden meldet Ralf Perner in seinem Autohaus, das er 1991 eröffnet hat. Nicht alles, aber vieles habe die Versicherung übernommen; „das hilft schon“. Ob er Angst hat, dass so ein Hochwasser wiederkommen könnte? „Ich versuche, mir keine Angst einreden zu lassen. Wir leben an der Elbe und mit der Elbe. Aber wenn es drei Tage lang regnet, guckt man schon etwas sorgenvoll zum Himmel.“ Er will „eigentlich nicht aufgeben“, fragt sich aber auch: „Was macht man, wenn sich die Ereignisse wiederholen?“