Mitgliedschaft zahlt sich aus Mitgliedschaft zahlt sich aus: Köthener Mieterbund setzt sich für 877 Mitglieder ein

Köthen - Brigitte und Horst Müller wohnen in einer Zwei-Raum-Wohnung in Köthen. Das Seniorenehepaar ist zufrieden mit ihren gemieteten vier Wänden, doch nichtsdestotrotz staunen die beiden nicht schlecht, als die Betriebskostenabrechnung 2017 besagt, dass die Köthener 400 Euro nachzahlen sollen.
Derart viel mussten sie noch nie nachzahlen, erzählt der 82-Jährige. Seine Frau nickt behände. „Dank Frau Rehse ist es aber gut ausgegangen für uns“, lächelt seine 76 Jahre alte Gemahlin. Die Rede ist von Andrea Rehse. Sie ist beim Mieterverein Köthen/Anhalt und Umgebung - der Verein ist Mitglied im Deutschen Mieterbund - Rechtsberaterin und hat sich der hohen geforderten Nachzahlung angenommen. Das Problem waren die Wasser- und Abwassergebühren.
Der Vermieter habe einfach und einseitig - das heißt ohne das Wissen und die Zustimmung des Ehepaars - den Verteilerschlüssel geändert, erklärt Rehse den Zusammenhang. Schon allein dieses Vorgehen ist fragwürdig, doch das Umverlegen der Wasser- und Abwassergrundgebühr für leerstehende Wohnungen im gesamten Mietobjekt hat dem Ganzen die sprichwörtliche Krone aufgesetzt. Die Beraterin stellt klar: „Die Grundgebühr für leerstehende Wohnungen muss der Vermieter zahlen“.
Prüfung der Nebenkosten mit Erfolg für Familie Müller aus Köthen
Im Ergebnis zahlte Familie Müller statt der geforderten 400 Euro lediglich 124 Euro nach. Kostenersparnis: Satte 276 Euro. Brigitte Müller muss lächeln. Damit habe sich der Mitgliedsbeitrag im Mieterverein von knapp 60 Euro im Jahr schon wieder rentiert.
Und einmal, denkt die ältere Dame zurück, hatte der Verein abermals die Betriebskostenabrechnung geprüft. Im Ergebnis hat das Ehepaar damals noch 60 Euro wiederbekommen. Sie lassen ihre Abrechnungen übrigens auch prüfen, wenn diese ein Guthaben ausweist. Ein Vorhaben, das Frank Pelzer, der Vorsitzende des 877 Mitglieder starken Vereines, nur wärmstens empfehlen kann.
Familie Müller will nun das nächste Projekt angehen und den neuen Hausbesitzer auf eine Festlegung im Mietvertrag hinweisen: Das Wechseln der Auslegware nach zehn Jahren. Im Wohnzimmer und in den Fluren liege er bereits zwölf und müsste ausgetauscht werden, sagt Brigitte Müller und hofft auf einen reibungslosen Ablauf.
Beratungsbedarf beim Köthener Mieterverein ist gesunken, der einzelne Fall ist aber zeitintensiver geworden
Im vergangenen Jahr wurde in 1.009 Fällen beraten. Dabei falle ganz klar auf: Der Beratungsbedarf ist zwar mengenmäßig gesunken, der einzelne Fall dafür zeitintensiver geworden. Das liege laut Pelzer unter anderem daran, dass immer weniger Vermieter bereit sind, Belege zu übersenden. Es folgen Einsichtnahmen in die Rechnungen vor Ort und der Auswertung im Büro. Das dauert.
Manchmal lasse sich ein Fall auch nicht außergerichtlich lösen. In 2017 betraf das vier Fälle. Sie landeten vor Gericht. Zwei davon wurden zu Gunsten der Mieter entschieden, zwei laufen noch. Derzeit sähe es danach aus, dass auch ein Streit um Hausmeisterkosten vor Gericht landen werde, sagt Rehse. Der Fall: Ein Mieter soll 800 Euro Hausmeisterkosten zahlen. Für ein Jahr. „Das ist schon heftig, obwohl die Dienstleistungskosten insgesamt gestiegen sind“, ergänzt die Rechtsberaterin.
Zu den Negativhöhepunkten des vergangenen Jahres gehöre auch das Vorgehen einer Verwaltung. In dem verwalteten Objekt in Osternienburg sei laut Rehse zwei Jahre lang vergessen worden, die Heizkostenzähler in den jeweiligen Wohnungen abzulesen. Nach zwei Jahren sei eine Umlegung der gesamten Kosten angefallen - einfach umgelegt auf die jeweilige Wohnungsgröße.
Den größten Beratungsbedarf gab es zum Thema der Betriebskosten
Bei diesem notgedrungenerweise vorhandenen Verfahren kann der Mieter die Mietkosten um 15 Prozent mindern, gibt Rehse einen Tipp weiter. Für einen betreuten Mieter bedeutete diese Vorgehensweise 2016 eine Entlastung um 106, in 2017 um 158 Euro.
Die dokumentierten Zahlen im Jahresbericht sprechen für sich: Den größten Beratungsbedarf gab es zum Thema der Betriebskosten. Allein 565 Fälle wurden 2017 bearbeitet; weit dahinter Mängel mit 203 Anfragen. In den Beratungen kristallisierten sich häufig erhebliche Messdifferenzen bei den Wasserverbräuchen und falsche Grundsteuerumlagen in Häusern mit Gewerbe sowie Müllgebühren und Hausmeisterkosten als Problemfälle heraus.
Und manchmal finden sich dreisterweise in den Betriebskosten auch Verwaltungskosten. Etwa dann, wenn sich der Vermieter zum Erstellen von Abrechnungen oder Verwalten seines Objektes der Hilfe Dritter bedient. Immobilienverwalter beispielsweise. Das sind Kosten für Arbeiten, die der Vermieter hätte selbst übernehmen können, erklärt Pelzer. „Nimmt er dafür ein Dienstleistungsunternehmen, ist das seine Sache - aber diese Kosten muss ein Mieter nicht zahlen“, mahnt Pelzer die anwesenden Mitglieder zur Obacht. Allein durch die Betriebskostenrechnerei ersparte der Köthener Mieterverein seinen Mitgliedern Kostenzahlungen im fünfstelligen Bereich, setzt Pelzer fort.
In Köthen ist genügend Wohnraum verfügbar
Wohnungsnot? Die nehme in Köthen keine dramatischen Ausmaße an, antwortet Andrea Rehse auf Nachfrage. Auffallend sei jedoch, dass Objekte, die neuvermietet werden, auch ohne Modernisierungen zu einem höheren Quadratmeterpreis vermietet würden. Der momentane Stand läge in Köthen bei fünf bis 5,25 Euro pro Quadratmeter. „Das ist möglich, weil hier nicht so viele Wohnungen frei sind“, liefert sie eine Begründung nach.
Beim Wohnungsbezug empfiehlt die Expertin in Anbetracht vermehrt auftretendem Beratungsbedarfs zu Feuchtigkeitsschäden übrigens: Den Vermieter vor Einzug nach der optimalen Lüftung befragen. Das sei von Objekt zu Objekt unterschiedlich. Falle ein Schadensbild auf, dann sollte dies unverzüglich gemeldet werden. „Wer wartet, kann vom Vermieter in Regress genommen werden“, lautet ihr Ratschlag. (mz)