Lärmschutz an der B6nLärmschutz an der B6n bei Köthen: Kein Hoffnungsschimmer mehr für die Anwohner
Köthen - Die Bewohner der Siedlung werden wohl keinen Schutz gegen den Lärm von der benachbarten Bundesstraße erhalten.
Der Treffpunkt war zwar taktisch geschickt gewählt, was aber letztlich keinen Einfluss auf das Ergebnis zeigte. Denn selbst wenn das Vor-Ort-Gespräch über die Lärmbelästigung der Siedlung in der Nähe der B6n überdeutlich aufzeigte, wie lästig, anhaltend und unzumutbar der von der Bundesstraße herüberflutende Straßenkrach war, so wurde den hoffnungsfroh zum Treff erschienenen Siedlern doch unmissverständlich klargemacht, dass sie damit leben müssten. Weil der Krach quasi gesetzeskonform sei.
Das Thema ist kein neues: Schon mehrfach stand der Lärm der B6n zur Debatte, der die etwa 15 Grundstücke der Siedlung an der Wülknitzer Straße ungeschützt trifft. Ungeschützt deshalb, weil zwischen Straße und Häusern keinerlei Lärmschutz zu finden ist; keine Wand, kein Erdwall. Zwar erinnern sich Anwohner noch immer daran, dass bei der ersten Vorstellung des Straßenbauprojekts ein Lärmschutz zugesagt worden war. Die für die Genehmigung und Planung zuständigen Behörden halten dies aber für einen Irrtum.
„Es gibt keinen Rechtsanspruch auf aktiven Lärmschutz“
Inzwischen ist der Fall beim Petitionsausschuss des Landtages gelandet, dessen Vorsitzende Christina Buchheim (Linke) zu dem Treffen am Dienstagnachmittag eingeladen und ihren Ausschusskollegen Andreas Schumann (CDU) mit nach Köthen gebracht hatte. Beide Parlamentarier waren am Ende ebenso enttäuscht von der beinharten Haltung der Verwaltungsvertreter. Denn sowohl Wilfried Hundrieser vom Landesverwaltungsamt als auch Oliver Grafe von der Landesstraßenbaubehörde ließen keine Zweifel daran aufkommen, dass aus ihrer Sicht - und damit aus Sicht des Gesetzes - keine Maßnahmen zum Lärmschutz notwendig sind.
„Es gibt keinen Rechtsanspruch auf aktiven Lärmschutz“, sagte Grafe. Die lärmschutztechnischen Berechnungen, die für das Planfeststellungsverfahren gemacht wurden, seien so ausgefallen, dass die gesetzlich festgeschrieben Grenzwerte in punkto Lärm an der Siedlung nicht erreicht würden.
Mehr noch: Die Modellprognose sei davon ausgegangen, dass 2015 rund 12.000 Fahrzeuge täglich die Straße nutzen würden. Tatsächlich, so Wilfried Hundrieser, seien es derzeit aber nur etwa 6.000 Fahrzeuge. Ergo: „Das, was Sie jetzt haben, ist noch längst nicht der Verkehr, den Ihnen der Gesetzgeber zumutet“, machte Hundrieser deutlich.
Lärmpegel wird grundsätzlich nur berechnet und nicht gemessen
Auch wenn Schumann und die Siedler unisono feststellten, dass sie sich nicht vorstellen könnten, dass dies zumutbar sei, hielten die Verwaltungsbeamten gegen. Es gebe keinen Spielraum, so Hundrieser, „wir müssen Recht und Gesetz umsetzen“. Mit anderen Worten: Für Landesverwaltungsamt und Straßenbaubehörde ist das Thema durch.
Was es offensichtlich ohnehin nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens schon immer war. Die Crux dabei ist die Art und Weise, wie nach den gesetzlichen Grundlagen der Lärmpegel erstellt wird. Denn der wird grundsätzlich nur berechnet und nicht gemessen - Messungen, so sagt der Gesetzgeber, seien nur Momentaufnahmen und nicht repräsentativ für die durchschnittliche Lärmbelastung.
Vereinfacht gesagt: Der Pegel von null Dezibel von Mitternacht bis drei Uhr wird mit den 80 oder 90 Dezibel am Nachmittag zu einem Mittelwert verrührt. Da spielt es dann keine Rolle mehr, dass man ab 4 oder 5 Uhr des Straßenlärms wegen kein Auge mehr zutun kann, wie einige der Siedler klagten.
Anwohner und Bauamtsleiterin der Stadt gehen von einem Rechenfehler aus
Nicht nur die Anwohner, auch die Bauamtsleiterin der Stadt war skeptisch bis sicher, dass bei der Prognose des zu erwartenden Straßenlärms Rechenfehler gemacht worden seien. Das kann die Stadt demnächst direkt überprüfen: Grafe versprach, die Verkehrsuntersuchung, die der lärmschutztechnischen Berechnung zugrunde liegt, der Stadt zur Verfügung zu stellen. Grafe war jedenfalls sicher: „Die Rechnung ist richtig.“
Wenn sie es nicht wäre, sondern fehlerhaft, läge hier wohl die einzige Möglichkeit, dass die Siedlung doch noch zu einem Lärmschutz kommt. Ansonsten sieht es für die Grundstückseigentümer schlecht aus: Erweist sich der Planfeststellungsbeschluss als bestandssicher, wie von Hundrieser apostrophiert, erwächst daraus auch kein Grund, am (nicht vorhandenen) Lärmschutz etwas zu ändern. Alles bliebe, wie es ist.
Was die Siedler besonders aufbringt: Ein paar Kilometer weiter werden an der B6n für Krötenschutztunnel zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt, „und wir sind wohl weniger wert als ein paar Kröten?“ Der Mensch, so grantelte einer der Siedler im Weggehen, steht nun mal nicht unter Naturschutz. (mz)
Der Petitionsausschuss des Landtages behandelt Bitten und Beschwerden von Bürgern und inländischen juristischen Personen des Privatrechts (Bürgerinitiativen, Vereine). Er befasst sich mit allen Angelegenheiten des öffentlichen Rechts des Landes Sachsen-Anhalt, jedoch nicht mit privatrechtlichen Angelegenheiten. Der Ausschuss besteht aus elf ordentlichen Mitgliedern. Vorsitzende des Ausschusses ist die Köthenerin Christina Bucheim (Linke), ihr Stellvertreter der Zabitzer Dietmar Krause (CDU).
In der 6. Wahlperiode wurden 2358 Petitionen im Ausschuss abschließend behandelt. Weitere 181 Petitionen konnten noch nicht abgeschlossen werden und wurden in die aktuelle 7. Wahlperiode übernommen. (Quelle: Landtag)