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Gute Zeiten, gute Zeiten Köthener Erzieherin Barbara Meier geht nach 45 Jahren in den Ruhestand

Von Matthias Bartl 31.08.2020, 11:47
Barbara Meier im Kreise von Hortkindern der Naumannschule.
Barbara Meier im Kreise von Hortkindern der Naumannschule. Bartl

Köthen - Es ist wie ein fliegender Wechsel: Alle fangen an, Barbara Meier hört auf. Pünktlich zum Schulstart, nur um einen Tag überschnitten geht die Horterzieherin am Freitag zum letzten Mal zur Arbeit in die Naumannschule. Genau genommen ist sie schon seit vier Wochen Rentnerin, aber Barbara Meier hat ein paar Tage drangehängt, damit andere Kolleginnen in der Zeit Urlaub machen konnten: „Ich weiß ja, wie das ist, wenn Ferien sind.“

Als sie angefangen hat, waren auch gerade Ferien, wobei das in den Kindergärten nicht ganz so die Rolle spielte wie in den Schulen. Am 1. August 1975 hat Barbara Meier im Betriebskindergarten Weißandt-Gölzau als Erzieherin angefangen; genauer: im Referendariat. So etwas gab es auch in der DDR, wenn man eine Fachschule für Kindergärtner absolviert hatte, zum Beispiel in Ballenstedt, wo Barbara Meier ihren Beruf fürs Leben lernte.

Den Wunschberuf hat ihr der damalige Direktor der Schlossschule Köthen verbaut

Der eigentlich gar nicht ihr Wunschberuf war. Den Wunschberuf hat ihr der damalige Direktor der Schlossschule Köthen verbaut, der die Bewerbung der jungen Barbara Warsitz für den Lehrerberuf schlichtweg weiterzureichen vergaß: „Er hat sich entschuldigt“, erinnert sich Barbara Meier. Für die dann Plan B eintrat: Kindergärtnerin zu werden.

Eine kuriose Fußnote dieser Berufsentwicklung ist, dass Barbara Meier selbst nie im Kindergarten war. Sie war 1964 mit ihren Eltern aus der Nähe des polnischen Opole nach Köthen gekommen, „und wo ich herkam, gab es keinen Kindergartenplatz“. Ihr jüngerer Bruder durfte dann in Deutschland einen Kindergarten besuchen, wofür Barbara Meier bereits zu alt war. „Und ich habe meinen Bruder schon ein bisschen beneidet.“

Nach dem Beginn in Weißandt-Gölzau hat sie in der Kita „Käthe Kollwitz“ in Köthen-Geuz gearbeitet

Kindergärtnerin ist Barbara Meier viele Jahre gewesen, ganz und gar Jahrzehnte. Nach dem Beginn in Weißandt-Gölzau hat sie in der Kita „Käthe Kollwitz“ in Köthen-Geuz gearbeitet, einem der schönsten Kindergärten der Stadt überhaupt. „Mit eigenem Swimmingpool, mit uralten Kastanienbäumen und Fliederhecken. Ein Traumobjekt.“ Wo sie 1993 die Leitung übernahm, weil die damalige Leiterin - wie viele andere Kolleginnen auch - nicht stundenreduziert weiterarbeiten wollte. „Man hatte mich gefragt, ob ich wollte. Ich kannte die Abläufe, wusste mit den Ämtern umzugehen - und habe mir gesagt: Dann mache ich das.“

Für Barbara Meier ist „Käthe Kollwitz“ allerdings nicht nur mit schönen Erinnerungen verbunden. Das Traumobjekt hatte auch Alptraumpotential: Sie hat die Schließung der Einrichtung erleben müssen. „Wir haben noch zusammen mit den Eltern dagegen gekämpft“, erinnert sie sich, „aber umsonst“. Erst hinterher habe sich herausgestellt, dass die angeblich die Schließung begründeten privaten Besitzansprüche „Lug und Trug“ gewesen seien.

Sie habe sich 1994 für den „Waldfrieden“ sogar ihre Mannschaft zusammenstellen können

Nach „Käthe Kollwitz“ kam der „Waldfrieden“ - eine Kita nach Barbara Meiers Gusto: „grün, ebenerdig, überschaubar“. Es seien damals die Leiterinnenstellen in mehreren Köthener Kindereinrichtungen ausgeschrieben gewesen, „aber für mich kam nur der Waldfrieden in Frage“.

Sie habe sich 1994 für den „Waldfrieden“ sogar ihre Mannschaft (eigentlich: ihre Frauschaft) zusammenstellen können. Mitarbeiter, auf die sie sich jederzeit verlassen konnte. „Leiten heißt allein sein“, weiß Barbara Meier. Zumindest dann, wenn es um Entscheidungen geht. Das bedeutet, auch mal deutlich zu werden, statt diplomatisch zu bleiben.

Das bedeutet zu versuchen, allen Mitarbeitern die besten Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entlocken. Die Stärken des Einzelnen dem Team nutzbar machen. „Jeder hat seinen Sonnenaufgang“, sagt Barbara Meier - eine Metapher, die sie gern verwendet.

Die Eltern habe sie immer mit im Boot gehabt

Auch auf sich selbst bezogen: Sie habe - die Schließung von „Käthe Kollwitz“ einmal ausgeblendet - eigentlich immer nur gute Zeiten erlebt. Glück gehabt. Dem Glück mit zahlreichen Weiterbildungen die Sporen gegeben, „um Neues kennenzulernen“. Und immer eine Vorstellung davon zu haben, wie man das Beste für den Kindergarten erreichen konnte.

Im „Waldfrieden“ führte diese Überlegung etwa zur Bildung eines Fördervereins, „damit auch auf diesem Weg ein paar Mark in den Kindergarten investiert werden konnten“. Die Eltern habe sie immer mit im Boot gehabt - und nachdem der „Waldfrieden“ 2011 von der Kommune an die „Lebenshilfe“ in neue Trägerschaft ging und Barbara Meier wieder einmal einen Neuanfang suchen musste, seien Eltern mit folgendem Lob auf sie zugekommen: „Wenn Sie den Waldfrieden behalten hätten, hätten wir noch mehr Kinder gekriegt.“

Barbara Meier ist es im Beruf nie um Karriere oder Status gegangen

Was nach dem Trägerwechsel im „Waldfrieden“ geschah, zeigt im Übrigen, dass es Barbara Meier im Beruf nie um Karriere oder Status gegangen ist. Als man sich in der Stadtverwaltung die bange Frage stellte, „was machen wir nur mit Ihnen“, hatte die unprätentiöse Frau schon eine Lösung parat: „Ich gehe in den Hort.“ Da sei ihr Gegenüber regelrecht konsterniert gewesen - ohne mit der Wimper zu zucken von der Leiterin zur Horterzieherin.

„Das war aber eine gute Entscheidung“, weiß Barbara Meier 14 Jahre später. Es sei so interessant, mit den Kindern zu arbeiten, „von denen kann man einiges lernen“. Zum Beispiel, sich Antworten auf Fragen genau zu überlegen. Die Kinder ernst zu nehmen, „man muss nur den Nerv haben, sich darauf einzulassen“. Umso mehr beklagt sie, dass der Staat zu wenig in Bildung investiert. Dass er zu wenig in die Erzieher investiert, sowohl in der Quantität als auch in die Qualität. Unter diesem Aspekt gilt ihr Lob auch der Ausbildung in der DDR.

Barbara Meier wird sich im Ruhestand nicht langweilen, das steht fest

In der Wende, „als alle dachten, sie müssen was anderes machen, habe ich schon von meiner Westverwandtschaft her gewusst, wie wichtig ein guter Kindergarten ist.“ Sie habe sich das am Wohnort ihrer Verwandten angeschaut und war gelinde gesagt entsetzt. Und auch wieder nicht: „Die Erzieherinnen dort hatten eine Wald- und Wiesen-Schulung durchlaufen, wir hatten eine solide pädagogische Ausbildung erhalten.“ Und damit ein Fundament, dass ihre Arbeit 45 Jahre lang getragen hat.

Was kommt danach? Barbara Meier wird sich nicht langweilen, das steht fest: Da sind drei Enkel, die sich auf Zeit mit Oma freuen - und umgekehrt. Generell wird mehr Zeit für die Familie bleiben. Sie will die Bücher lesen, für die immer zu wenig Zeit war, jeden Morgen Frühsport machen. Und dies und das und jenes. „Was“, sagt Barbara Meier, „was will ich schon groß planen. Das Leben schreibt am Ende seine eigenen Pläne.“ (mz)