Köthen Köthen: Letzter Bereitschaftsdienst vor dem Ruhestand
köthen/MZ. - Mit Abschiedsterminen ist das manchmal schon so eine Sache. Eigentlich hat Stephanie Asten schon in der vergangenen Woche ihre Praxis geschlossen. Hat sich noch mal mit ihren Mitarbeiterinnen hingesetzt, einen Schluck getrunken, eine Kleinigkeit gegessen. Und sich dann in den Ruhestand verabschiedet. Allerdings nur bis Freitag: Da macht die Fachärztin für Innere Medizin für Pneumologie und für und Radiologie noch einmal Bereitschaftsdienst. "Eigentlich war ich für den 4. Januar eingeplant, was mich schon bisschen verwirrt hat, weil ja bekannt war, dass ich aufhöre." Ganz abwenden konnte sie den Dienst zwar nicht mehr, aber wenigstens liegt er noch im alten Jahr. "Ich mache da den Fahrdienst, auch Hausbesuche, wenn nötig. Das ist dann aber bestimmt meine allerletzte Amtshandlung."
Nach vielen Jahren als Ärztin auf verschiedensten Positionen. 1972 hat Stephanie Asten, nachdem sie in Jena Medizin studiert hatte, im Krankenhaus Köthen angefangen zu arbeiten. Und darüber hinaus, nebenbei kann man an dieser Stelle wirklich nicht sagen, die Ausbildung zur Fachärztin für Innere Medizin begonnen. Auch das war, wie das Studium, ein langer Weg - sechs Jahre hat es gedauert, 1978 war die Facharzt-Ausbildung abgeschlossen und Stephanie Asten wurde Stationsärztin im Krankenhaus Süd.
Für vier Jahre bis 1982. Es hätten durchaus auch mehr werden können, aber es kam anders - und die Personalie brachte Stephanie Asten auf einen Posten, der ihr in Köthen einen ungemein hohen Bekanntheitsgrad verschaffte. 1982 nämlich wurde die Nachfolge für den Lungenarzt Ernst Wernicke gesucht. Der war zwar schon seit langem de facto Rentner, aber bis dahin hatte sich niemand gefunden, der Wernickes medizinische Aufgabe übernehmen konnte und wollte: die Durchführung der Röntgen-Reihenuntersuchungen und der Tuberkulose-Fürsorge.
Mit eigenem TB-Labor
Das war buchstäblich ein Lebenswerk, denn die Röntgenreihenuntersuchungen in der DDR erfassten buchstäblich jeden einzelnen Bürger, mehrfach über die Jahre hinweg. "Wir hatten", erinnert sich die Ärztin, "auch ein eigenes TB-Labor, denn es gab in der DDR noch TB-Kranke. Das waren nicht viele, aber doch noch einige." Ab 1982 nach der Übernahme der Stelle in der poliklinischen Abteilung für Lungenkrankheiten und Tuberkulose erfolgte nebenbei die Zusatzausbildung für Lungen- und Bronchialheilkunde mit Abschlussprüfung im August 1988.
TBC verbreitet sich durch Ansteckung, so dass dort, wo sie denn auftrat, im Ernstfall auch größere Gruppen befallen werden konnte. "So einen Fall gab es einmal in der Küche von Kesselbau", sagt Stephanie Asten - ein größeres Problem sei die Behandlung aber nicht gewesen. War die Lungentuberkulose in der DDR kein Problem mehr, so hatte eine Lungenärztin auch jenseits dieses Arbeitsfeldes genug zu tun: Chronische Bronchitis und Asthma hatten Zuwachs, auch Berufskrankheiten der Lunge, hervorgerufen beispielsweise durch Asbeststaub, waren zu behandeln. Die Zahl derer, die durch ihr Sprechzimmer gingen, kann Stephanie Asten heute nur noch ganz grob schätzen. "Wir hatten 1500 Patienten im Quartal, darunter waren aber auch viele, die mehr als einmal kamen oder kommen mussten."
Ärztin und Managerin
Als die Wende kam, war es mit dieser Gesundheitsvorsorge vorüber. Stephanie Asten, bei der Poliklinik angestellt, wurde gekündigt. "Da blieb mir wie vielen anderen nichts anderes übrig, als mich selbstständig zu machen." In der Arztsprache heißt das: Man ist niedergelassen. Was bedeutet, dass vom Arzt neben seiner medizinischen Profession nun ebenso Qualitäten als Manager verlangt werden. Und er ist im Extremfall auch Konkurrent der anderen Ärzte. Letzteres ist Stephanie Asten erspart geblieben: "Lungenärzte sind eine relativ kleine Gruppe." In Bernburg etwa gibt es überhaupt keinen, weshalb viele Patienten aus dem Salzlandkreis den Weg in die Köthener Schillerstraße fanden.
Was die 64-Jährige in den vergangenen Jahren besonders geärgert hat, ist die ausgeuferte Bürokratie in der Medizin. "Das hat immer mehr Zeit gefressen", stellt sie nüchtern fest. Sie habe versucht, mit verkürzten Sprechzeiten die Stunden für den Papierkram zu erwirtschaften, "das hat aber nicht funktioniert, dadurch wurden die Anmeldezeiten immer länger." Das Ende vom Lied: Den meisten Bürokram hat Stephanie Asten in ihrer Freizeit erledigt.
Für die hat sie künftig eine bessere Verwendung. Zum Beispiel mal richtig weit wegzufahren im Urlaub, was aus persönlichen Gründen nie so richtig ging; 2013 steht auf alle Fälle eine Flussfahrt auf der Rhone auf dem Programm. Das Fotoarchiv soll in Ordnung gebracht werden. Und da sind ja auch die Enkel, für die man dann mehr Zeit übrig hat als bisher: Derzeit noch zwei, aber Anfang Januar steht Enkelkind Nr. 3 ins Haus - ein besonders schöner Start in das Rentnerdasein.