Köthen Köthen: «Köthen» lebt weiter dank Finanzkrise und Aschewolke
DÜSSELDORF/KÖTHEN/MZ. - Noch vor einem Jahr steuerte die für die Bachstadt fliegende Botschafterin der Lufthansa mit Namen "Köthen / Anhalt" und der Kennung "D-ABES" einem düsteren Horizont entgegen: Die größte deutsche Fluggesellschaft hatte eine Verjüngung ihrer angestaubten Kurz- und Mittelstreckenflotte geplant und bereits begonnen, sämtliche Flugzeuge der durchweg 20 Jahre alten Baureihe der Boeing 737 auszumustern und durch moderne Maschinen zu ersetzen.
Das milliardenschwere Investitionsprogramm fiel jedoch gleich mehreren Umständen zum Opfer. So hinterließen die zurückliegende weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 sowie das tagelange Flugverbot wegen einer Aschewolke über Europa nach Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull 2010 deutliche Spuren in der Ertragslage des Konzerns. Zudem beförderte der überraschend starke Anstieg der Passagierzahlen in den letzten Monaten die Abkehr von der weiteren Umsetzung der so genannten Ausflottungs-Pläne, da der bloße Ersatz der fliegenden Veteranen durch neue Flugzeuge kein Wachstum ermöglicht hätte. Die Anschaffung neuer Flugzeuge dient nunmehr der Kapazitätserweiterung und Flottenvergrößerung.
Rund 32 000 neue Lufthansa-Sitze
Bis zum Jahresende sollen nun rund 180 Flugzeuge der firmeneigenen Europaflotte, die Baureihen Airbus A 319, A 320 und A 321 sowie die Boeing 737-300 und 737-500, vollständig erneuert worden sein und eine neue Innenausstattung erhalten haben. Insgesamt will die Lufthansa rund 32 000 Sitze in ihren Flugzeugen austauschen und dabei die Zahl der buchbaren Sitzplätze um 2 000 aufstocken. Die Investitionen für die so genannte Europakabine belaufen sich nach eigenen Angaben auf insgesamt 170 Millionen Euro und sind Teil eines umfangreichen Modernisierungsprogramms des Unternehmens.
Modernes Design und LED-Licht
In einem Flugzeughangar der Lufthansa Technik auf dem Berliner Flughafen Schönefeld unterzog das Unternehmen die bereits 1992 in Verkehr gesetzte "Köthen / Anhalt" inzwischen einem altersbedingten Lifting. Der Flieger wurde in den vergangenen Wochen mit neuem Interieur ausgestattet. Ein modernes Design, Farben, Materialien und Energie sparendes LED-Licht sollen die Maschine innerlich auffrischen und das Wohlbefinden der Passagiere verbessern. Neben einem neuem Teppichboden und erneuerten Wandverkleidungen wurden bei der "Köthen / Anhalt" auch neue Sitze aus einer leichten Aluminiumkonstruktion eingebaut. Durch die geringere Sitztiefe kann die "Köthen" zukünftig, wie auch ihre 32 Schwestermaschinen, bei gleichem Sitzabstand nun 140 Passagiere befördern.
Die Bewertung des neuen Sitzkomforts an Bord einer 737 fällt bei einigen der befragten Mitreisenden auf einer der Stammstrecken der "Köthen" von Düsseldorf nach London wie auch im gelegentlichen Selbstversuch des Autors dieses Beitrags weniger positiv aus. Die neuen Sitze kommen ziemlich solide daher und erinnern auf längeren Flugstrecken eher an das Sitzgefühl der Segeltuch-Truppenbestuhlung an Bord der Bundeswehr-Transportflugzeuge Transall C-160 während des Wehrdienstes bei der Luftwaffe vor 15 Jahren.
Was passiert aber mit den alten, den ausrangierten Sitzen - auch aus der "Köthen / Anhalt"? Hier hilft ein Blick in das hessische Babenhausen, wo in riesigen Lagerhallen zeitweise bis zu 8 000 Sitze in Reih und Glied stehen und darauf warten, aufgearbeitet und weiterverkauft zu werden. Zu den Kunden zählen laut zuständigem Lufthansa-Mitarbeiter Jürgen Rumstieg vorrangig kleinere europäische Fluggesellschaften sowie Airlines aus Afrika und Asien.
Ein Schreibtischsessel gefällig?
Viele Reedereien erwerben ständig große Mengen der Sitzreihen, um diese in ihre Fährschiffe einzubauen. Aber auch Privatkunden können Sitze erstehen, die Fluggesellschaft verkauft ausrangierte Flugzeugsitze einfach so fürs Heimkino im Wohnzimmer oder beispielsweise umgebaut als Schreibtischsessel in Leder mit italienischem Fuß zum Preis von 750 Euro. Vielleicht ist ja auch ein alter Sitz der "Köthen" darunter . . .