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Köthen Köthen: Der Zuschlag gilt auch ohne Hammer

Von WLADIMIR KLESCHTSCHOW 15.09.2010, 18:41

KÖTHEN/MZ. - Seine erste Immobilie hat Jusek 1999 in Dessau versteigert. Seit 2005 ist er in Köthen tätig. Wie viele Häuser, Baugrundstücke und sonstige Objekte seitdem durch seine Hände gegangen sind, hat er nicht gezählt.

Eins weiß der Rechtspfleger aber: Die Zahl der Zwangsversteigerungen von Immobilien nimmt zu. Ein deutliches Indiz dafür ist im Erdgeschoss des Gerichtsgebäudes zu beobachten, wo an den Wänden in Wort und Bild über solche Auktionen informiert wird. Die Informationstafeln mit den entsprechenden Anzeigen nehmen heute viel mehr Platz ein, als noch vor fünf oder zehn Jahren.

"Es gibt verschiedene Gründe, warum Immobilien zwangsversteigert werden", sagt Dieter Jusek. "Manch Kleinunternehmer nimmt einen Kredit auf, das Gewerbe läuft schlecht oder erbrachte Leistungen werden nicht bezahlt, die Gläubiger wollen ihr Geld haben... Ich kenne einige, die in eine solche Situation unverschuldet gerieten." Oft wird eine Immobilie wegen Scheidung oder Arbeitslosigkeit zwangsversteigert. Oder manche Investoren verspekulieren sich, die erwarteten Mieteinnahmen bleiben aus oder sind zu gering. "In Köthen kommen aus diesem Grund immer wieder Eigentumswohnungen unter den Hammer", sagt Jusek.

Wird die Immobilie von jemandem ersteigert, müssen die bisherigen Besitzer sie räumen - auch eine menschliche Tragödie. Bleibt das Herz eines Rechtspflegers davon unberührt?

"Als Mensch tut es mir in manchen Fällen leid für die Betroffenen, besonders, wenn Kinder leiden", so Jusek. "Nur: Ich muss streng zwischen meinen privaten Gefühlen und meiner Dienstpflicht trennen."

Des einen Leid ist des anderen Freud. Zwangsversteigerungen bieten oft eine günstige Kaufchance für jene, die relativ preiswert zu einer eigenen Immobilie kommen wollen. Bieten mehrere Interessenten mit, steigt der Zuschlagspreis. Ist jemand der alleinige Bieter, kann seine Rechnung eher aufgehen. Allerdings müssen die potenziellen Käufer beim ersten Versteigerungstermin mindestens 50 Prozent des Verkehrswertes bieten. Das ist zwingend vorgeschrieben, um die Interessen der Schuldner und der Gläubiger zu schützen und die Immobilie nicht zu verschleudern. Dabei kann der Gläubiger sich sogar weigern, dass das Objekt für weniger als 70 Prozent den Besitzer wechselt.

Erst ab dem 2. Termin kann der Zuschlag auch unter der 50-prozentigen Grenze des Verkehrswertes erteilt werden. Aber auch hier kann der Gläubiger sogar nach dem Abschluss der Bietzeit den Zuschlag verhindern. Bis zu fünf Termine sind in einem Verfahren möglich, so der Rechtspfleger.

Wer bei einer Zwangsversteigerung ein Gebot abgibt, muss auf Verlangen - und das ist meistens der Fall - eine Sicherheitszahlung leisten. Möglich ist es mittels eines bestätigten Bankschecks oder einer vorherigen Überweisung auf das Konto der Landeshauptkasse.

Hat ein Interessent eine Immobilie ersteigert, so erhält er eine angemessene Zeit, um den Preis zu zahlen. Neben der gebotenen Summe kommen auf ihn weitere Kosten zu wie Gerichtsgebühr, Grunderwerbsteuer sowie die Gebühr für den Eintrag ins Grundbuch. So kommen fünf bis sieben Prozent von der Kaufsumme zusätzlich zusammen. Zahlt er nicht umgehend, muss er auch noch die Zinsen aufbringen.

Dieter Jusek teilt übrigens einen interessanten Fakt mit: 70 bis 80 Prozent der Versteigerungen enden, ohne dass ein Zuschlag erteilt wird. Das liegt unter anderem auch daran, dass nicht jede Immobilie begehrt ist. "Neue Eigenheime in guter Lage sind eher gefragt, als betagte unsanierte, die sich vielleicht auch noch in einem kleinen Dorf befinden", beschreibt der Rechtspfleger die Situation.

Der berühmte Auktionshammer ist übrigens bei den Versteigerungen im Amtsgericht Köthen nicht präsent: Die Institution besitzt keinen. Dieter Jusek sagt nur die bekannte Formel "Zum ersten, zum zweiten und zum dritten!" Mit der Verkündung des Zuschlags ist der Meistbietende Eigentümer des versteigerten Grundstücks.