Kleinpaschleben Kleinpaschleben: Über steinige Umwege zum eigenen «Nähstübchen»
Kleinpaschleben/MZ. - Obwohl Ute Schneider ihre berufliche Tätigkeit im Laufe ihres Lebens schon oft wechselte, der geschickte Umgang mit der Schere blieb stets erhalten. War es während ihrer Lehrzeit noch das eher kleinere Schneidwerkzeug einer Friseurin, so tauschte sie dieses inzwischen gegen eine große Schneiderschere aus. Die 56-Jährige hat sich nun endlich ihren Traum erfüllt. Sie führt ihr eigenes Nähstübchen. Der Weg dorthin verlief steinig und über weite Umwege. Angefangen von der Friseurin über Reinigungskraft, Bürokauffrau, Verkäuferin, Versicherungsvertreterin bis schließlich zur Näherin in der Gardinenabteilung eines Möbelkaufhauses und letztendlich zur Inhaberin ihrer Nähstube. "Das war schon immer mein Traum", erklärt die Kleinpaschlebenerin mit strahlendem Gesicht.
Im Januar 2010 meldete sie ihr Gewerbe an. Später rutschte sie aufgrund der Arbeitslosigkeit ihres Mannes als Bedarfsgemeinschaft in den Hartz-IV-Status. So bekam sie Unterstützung von der KomBa Anhalt-Bitterfeld und dem Ego-Pilotenprojekt (Ego steht für Existenzgründungsoffensive) und arbeitete sich hoch. "Ohne die Hilfe meines Mannes und meiner ganzen Familie hätte ich das aber alles nicht geschafft", betont Ute Schneider.
Während auch kleine Neuanfertigungen unter ihren Händen entstehen, werden jedoch größtenteils Änderungen getätigt. Im vergangenen Jahr präsentierte sie ihr Unternehmen erstmalig am Tag des Handwerks. Dabei nahm Armin Schenk als Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Bitterfeld ihr Werk persönlich unter die Lupe und beglückwünschte sie dazu. "An diesem Tag dachte ich zum ersten Mal: Ich habe es geschafft", berichtet die Unternehmerin über ihre Empfindungen. Viel Zeit und Kraft hatte sie in diesen Tag investiert. Fast die komplette Wohnung wurde dafür in Beschlag genommen. Denn einen separaten Laden gibt das finanzielle Budget nicht her. So richtete sich die Kleinpaschlebenerin eine Schneiderstube im Dachgeschoss ihres Hauses ein. Mittlerweile jedoch weitete sich ihr Angebot mit dem Verkauf gebrauchter sowie neuer Textilien, Kurzwaren, Spielwaren und selbsthergestellten Geschenkartikeln gewaltig aus. Damit dehnte sich auch der Platzbedarf über mehrere Zimmer aus. "Ich werde von den Wünschen meiner Kunden gelenkt und geleitet", erklärt die Geschäftsfrau ihre Firmenphilosophie.
Als besonders gefragtes Angebot entpuppten sich echte Woll- und Baumwollsocken aus dem Erzgebirge. Ursprünglich besorgte sie diese speziell für die empfindlichen Füßchen ihres Enkelkindes. Inzwischen schwören viele ihrer Kunden auf diese Socken. Schon immer galten das Erzgebirge und Produkte aus dieser Region als Vorbild für ihre eigenen Ideen.
"Mein erstes Stück war ein Dirndl für mein Kind im Kinderwagen", beschreibt die Schneiderin ihre Nähanfänge. Eigentlich jedoch begann die Liebe zur Handarbeit schon in ihrer eigenen Kindheit mit der Strickerei. Mit der Näherei entdeckte sie dann später eine Variante, die schneller zum Ziel führt. Und so ergänzte sie damit ihre Strickarbeiten. Als die handarbeitsbegeisterte Frau nach der Wende arbeitslos wurde, absolvierte sie eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Damals wusste sie noch nicht, wo und wie sie diese Kenntnisse einmal einsetzen könnte. Ohne es zu ahnen, kam sie aber damit ihrem von einem eigenen Nähstübchen ein ganzes Stück näher. Denn heute kommt ihr dieses Wissen zur Bewältigung der eigenen Buchführung zunutze.
Mehr und mehr erlas sie sich Kenntnisse und Fertigkeiten zur Schneiderei. "Ich schule mich selbst", berichtet die Quereinsteigerin. Auch im Fernsehen verfolgt sie unermüdlich die neuesten Trends bei der Mode. Zu ihrer ganz speziellen Leidenschaft zählen historische Kostüme. Nicht nur in ihrer Schneiderstube ist die Kleinpaschlebenerin anzutreffen. Auch auf Märkten wie in der Kulturscheune Wülknitz präsentiert sie ihre Produkte und führt alte Handwerkstechniken vor.