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Projekt an der Hochschule Anhalt „KiSchu“ - Software-Entwickler programmieren in Köthen eine App, die Kinder besser schützen soll

Vier junge Softwareentwickler haben in Köthen ein innovatives Unternehmen gegründet, das hilfreiche Apps entwickelt - für das digitale Lernen und zum Erkennen von Kindeswohlgefährdungen.

Von Robert Martin 07.08.2021, 09:00
Felix Reichel, Robert Boehm, Laura Netzband und Marcel Jürß (von links) von Perdix Creations haben die Kinderschutz-App „KiSchu“ entwickelt.
Felix Reichel, Robert Boehm, Laura Netzband und Marcel Jürß (von links) von Perdix Creations haben die Kinderschutz-App „KiSchu“ entwickelt. (Foto: Robert Martin)

Köthen/MZ - Kindeswohlgefährdungen per App erkennen? Was wie Zukunftsmusik klingen mag, ist nun dank eines Köthener Unternehmens möglich. Die jungen Gründer von Perdix Creations haben die Kinderschutz-App „KiSchu“ gemeinsam mit einem Jugendhilfezentrum entwickelt. Die Anwendung für Smartphones, kurz App genannt, wurde am 1. Juni veröffentlicht und kann inzwischen kostenlos heruntergeladen werden. Die App stellt Fragen, mit denen Pädagogen potenzielle Kindeswohlgefährdungen erkennen können und gibt rechtssichere Handlungsempfehlungen.

Der Weg zur Kinderschutz-App war alles andere als geradlinig

Der Weg zur Kinderschutz-App war dabei alles andere als geradlinig. Hinter Perdix Creations stecken Robert Boehm, Felix Reichel, Marcel Jürß und Laura Netzband. Die vier kennen sich vom Studium aus Wernigerode, dort haben sie an der Hochschule Harz Spieleentwicklung studiert.

Nach ihren Abschlüssen 2018/19 waren sie erst einmal auf Jobsuche. Denn die Spielebranche steckt, obwohl sie Teil des aufstrebenden Informatik-Sektors ist, noch in den Kinderschuhen - feste Stellen sind rar gesät und auch eher nicht in Sachsen-Anhalt zu finden. Aber da sie bereits während ihres Studiums von ihren Professoren dazu ermutigt wurden, auch über Firmengründungen in der Region nachzudenken, hatten sie bereits Ideen für einen Plan B.

Ihr erstes konkretes Projekt trug den Namen „Digital classroom“ (deutsch: digitales Klassenzimmer) und war als App zur Motivation von Schülern gedacht. „Als digitales Bienchen“, so Marcel Jürß. „Jugendliche wachsen in digitalen Lebensformen auf, aber die Schule ist noch analog. Das wollten wir ändern“, erklärt Robert Boehm den Schritt in Richtung digitale Bildungsarbeit. Mit diesem Projekt bewarben sie sich auf Fördermittel und erhielten wenig später im August 2019 die Zusage für ein Gründerstipendium an der Hochschule Anhalt.

„Wir unterstützen Studierende auf dem Weg in die Selbstständigkeit“, erklärt Christian Schöne, Leiter des Gründerzentrums „Found it!“ an der Hochschule Anhalt. Anfangs sei er noch skeptisch gewesen, das junge Team habe ihn aber schnell mit dem „Trend-Thema spielerisches Lernen“ überzeugt, sagt Schöne. Ihm sei bald klar geworden, dass Perdix Creations sehr erfolgreich werden könnte. „Wir haben sehr darum geworben, dass das Team hier bleibt in der Region.“ Erfolgreich, denn die Gründung erfolgte am Hochschulstandort in Köthen.

Die App „KiSchu“
Die App „KiSchu“
(Foto: Perdix Creations)

Boehm, Reichel, Jürß und Netzband stürzten sich in die Arbeit und das digitale Klassenzimmer nahm bald Gestalt an. Erste Kooperationspartner waren auch schon dabei, doch dann kam Corona und mit der Pandemie die Schulschließungen.

Doch was der Sargnagel für das junge Unternehmen hätte sein können, entwickelte sich zum Beschleuniger. „Corona war ein Extra-Boost“, erklärt Marcel Jürß. Weil sie durch die Umstände gezwungen waren, über ihren bisherigen Tellerrand hinauszublicken.

Über die IHK kam dann der Kontakt zum Jugendhilfezentrum Groß Börnecke in Hecklingen (Salzlandkreis) zustande. Dessen Leiter Sven Schulze hatte die Idee, eine App zur Einarbeitung für Erzieher zu entwickeln, was bis zum Ende des Jahres 2020 in enger Zusammenarbeit mit den Jungunternehmern passierte. Mit Perdix Creations zusammenzuarbeiten, habe viel Spaß gemacht, erklärt Schulze. „Sie sind engagiert und haben eine Vision.“

App soll eine Hilfestellung für Pädagogen sein

Beste Voraussetzungen für weitere Projekte - und für eine Kinderschutz-App. Da sie inzwischen Erfahrung hatten, entwickelten sie diese innerhalb weniger Wochen, woraufhin sie im Heim intern auf Herz und Nieren getestet wurde. „Viele Erzieher stecken im Alltag in einem Dilemma, wenn sie Kinder mit Hämatomen sehen“, erklärt Heimleiter Schulze. Ein weit verbreitetes Problem: Laut Daten des Statistischen Bundesamts war das Kindeswohl bereits im Jahr 2019 bei 55.000 Heranwachsenden in Deutschland gefährdet.

Um Pädagogen emotionale und mentale Unterstützung zu geben, sei die App sehr hilfreich, erklärt Schulze. 500 Downloads sprechen für den Erfolg der App, Kooperationsanfragen gibt es inzwischen weit über Sachsen-Anhalt hinaus.

Die Entwickler bleiben indes nicht bei einem Thema und suchen weiter neue Möglichkeiten. Ihr aktuelles Projekt: Eine App, mit der Kinder spielerisch an Museen herangeführt werden sollen. Und sie wollen in der Bachstadt bleiben. Robert Boehm: „Ich finde es unglaublich, welche Forschung in Köthen betrieben wird.“