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Jugend musiziert Jugend musiziert: Brüderliche Erfolgserlebnisse

Von MATTHIAS BARTL 02.04.2010, 17:34

KÖTHEN/MZ. - Regina Baufeld überlegt lange und schüttelt dann den Kopf. Nein, sie kann sich nicht erinnern, dass ein Köthener Musikschüler mal bei "Jugend musiziert" einen Landeswettbewerb gewonnen hat. Regina Baufeld ist seit 13 Jahren an der Musikschule tätig, die den Namen "Johann Sebastian Bach" trägt, und hätte so etwas sicherlich nicht vergessen - immerhin ist solch ein Erfolg einer mit Seltenheits- und besonderen Erinnerungswert.

Insofern wird das Jahr 2010 in besonderer Weise in die Geschichte der Schule eingehen, denn dem Pianisten Nick Gerngroß ist der große Wurf gelungen. Der 19-Jährige gewann einen 1. Preis in der Kategorie Streichinstrumente Violine / Viola AK III als Klavier- und Cembalobegleiter seines Bruders Tim, der in derselben Kategorie einen 2. Preis erhielt. "Es wurde zwar zusammen gespielt, aber separat gewertet", erklärt Regina Baufeld die unterschiedlichen Platzierungen. Und Tim, 12 Jahre alt, trägt es mit Gelassenheit, dass der ältere Bruder beim Landeswettbewerb einen Platz besser war. Er wolle schon mal Erster werden, sagt Tim, "aber nicht diesmal".

Man übertreibt nur unwesentlich, wenn man feststellt, dass das Leben der Brüder von der Musik dominiert wird. Bei Tim ist dies ein Zustand, der mehr oder minder seit dem ersten Geburtstag anhält. Und

Regina Baufeld ist daran schon genauso lange beteiligt. "Als er ein Jahr alt war", denkt sie zurück, "hat er bei mir in der allerersten Eltern-Kind-Gruppe an der Musikschule angefangen." Das Talent des Jungen, der so pfiffig gucken kann wie

kaum ein zweiter, habe sich beizeiten gezeigt. Und nicht nur das: "Man hat schon früh gesehen, dass er ein Geiger wird", sagt Regina Baufeld. Bruder Nick, der derzeit an seinem Abitur bastelt und bei Jana Quilitzsch Klavierunterricht erhält, ist 1994 in die musikalische Früherziehung gekommen - und hat seitdem nicht wieder lassen können von der Musik. Lassen und lassen wollen: Nach dem Abitur am Ludwigsgymnasium, so plant Nick Gerngroß, soll ein Studium an einer Musikhochschule folgen. "Ich möchte Korrepetitor werden." Ein Korrepetitor begleitet Sänger, Chöre oder Tänzer, wenn diese ihre Rollen einstudieren. Er spielt am Klavier den Part des Orchesters und gibt, vor allem bei Solosängern, auch Tipps für die Einstudierung des jeweiligen Stückes. In gewisser Weise würde Nick damit beruflich die Kooperation fortsetzen, die er derzeit noch mit seinem kleineren Bruder, aber auch anderen Schülern der Musikschule pflegt. Tim Gerngroß dagegen muss noch gar keine weitreichende Zukunftspläne machen: Er geht derzeit in die 6. Klasse der Freien Schule Anhalt in Osternienburg. Und neben der Musik spielt er auch gern Tischtennis und zaubert. Letzteres passt durchaus zu den flinken Fingern, die auch ein Violinspieler braucht.

Das Köthener Duo ist in Magdeburg mit Händel, Schubert und Perlman zum Erfolg gekommen. Für die Erstellung des Programms ist zunächst einmal die Ausschreibung ausschlaggebend: Die schreibt vor, wie lang das Programm sein darf, wie viele Musikepochen vertreten sein müssen. "Und natürlich soll das Programm möglichst vielfältig sein und anspruchsvoll, damit man auch zeigen kann, was man kann", meint Regina Baufeld: Gut ein Jahr vorher bereite man die Grobplanung vor, fünf, sechs Monate vor Wettbewerbsbeginn im Januar geht man in die Details. Und siebt dabei auch so manches Stück aus, das nicht passt.

"Und dann muss man eigentlich jeden Tag üben", sagt die Pädagogin und ihre beiden Schützlingen nicken unisono. Geschenkt gibt es nichts und die Auswahl des Programms für ein Duo ist auch schwerer als für einen Solomusiker. "Das Stück muss zum Schüler passen", weiß Regina Baufeld - und bei zwei Schülern müssen beide gut damit zurechtkommen. Der Perlman beispielsweise passe gut zu Tim, Händel sei dagegen das Richtige für den Barock-Fan Nick, der besonders gern auch Cembalo spielt. Musikalisch familiär vorbelastet sind beide übrigens nicht: Vater Gerngroß ist Kraftfahrer, die Mutter Laborantin. Allerdings haben sie ihre Jungs immer nach Kräften unterstützt und motiviert.

Während sich Nick und Tim auf der Bühne in Händels F-Dur-Sonate versenkten und in Schuberts g-moll-Sonate und in Perlmans Israelisches Konzert, saß Regina Baufeld beim Landeswettbewerb entspannt im Publikum. "Ich versuche zu genießen, was die beiden machen. Ich erfreue mich an schöner Musik auf schönen Instrumenten." Sie konnte sich der Gerngroß-Brüder sicher sein, selbst wenn die Startbedingungen an diesem Tag nicht optimal waren. Das fing schon damit an, dass durch die Zeitumstellung am Morgen eine Stunde fehlte und das Klavier-Geige-Duo beim Start nach Magdeburg noch ziemlich müde war. Außerdem hatte es Probleme mit dem Saal im Magdeburger Konservatorium gegeben, so dass man während der Einspielzeit umziehen musste. "Das alles macht dann schon ein bisschen nervös", gibt Nick Gerngroß zu. Ohnehin sei die Einspielzeit mit fünf Minuten recht knapp, "da muss man schon gut strukturiert sein". Das waren die beiden Köthener Jungs offensichtlich - die beiden vorderen Plätze sind deutliches Zeichen dafür, das sie nicht nur Tasten und Bogen im Griff hatten, sondern auch ihre Nerven.

Regina Baufeld ist denn auch stolz auf Nick und Tim. Dennoch will sie den ersten und den zweiten Platz bei "Jugend musiziert" in Sachsen-Anhalt nicht überbewerten. Das sei wie mit dem Buchstaben I: Der Punkt darüber sei schön, aber auch ohne ihn ist das I als Buchstabe zu erkennen. Der Sieg ist schön, aber nicht das Allerwichtigste. "Der Weg ist viel wichtiger als das Ziel."

Und da bleibt für Musiker immer etwas zu tun. An der Technik zum Beispiel. Das Üben von Etüden und Tonleitern, von Akkorden und Dreiklängen ist zwar nicht gerade das, was einem Zwölfjährigen Spaß macht, aber ohne Handwerk geht es auch an Geige und Klavier nicht. Dass es sich lohnt, hat nicht zuletzt das Schubert-Stück beim Wettbewerb gezeigt: "Das hat Tim an seine Grenzen gebracht", sagt Regina Baufeld, die insgesamt 30 Geigenschüler und 150 Kinder in der musikalischen Früherziehung betreut.

Die Liebe zur Musik hat bei Nick und Tim aber auch Grenzen: Mit Pop oder Rock, Hiphop und Schlager haben beide nichts am Hut. Und im Unterschied zu Notenblättern sind ihnen Hitparaden ein Buch mit sieben Siegeln.