Gefahrenabwehr in Anhalt-Bitterfeld Gefahrenabwehr in Anhalt-Bitterfeld: Ärger mit Schrottimmobilien

Köthen/bitterfeld/MZ - Im Bauordnungsamt des Landkreises Anhalt-Bitterfeld sitzen Amtsleiter Andreas Pischke und Sachbearbeiter Marco Mühlenbeck nicht selten zwischen zwei Stühlen. Zum einen sind da die Beschwerdeführer in den Kommunen, die befürchten, ein marodes Gebäude könnte zusammenstürzen und Passanten schädigen, wenn die öffentliche Hand nicht bald eingreift.
Zum anderen gestaltet sich die Suche nach den Eigentümern der meist leerstehenden Immobilien zunehmend kompliziert. Bis diese - oft auch in den USA, in Italien, der Ukraine, Spanien oder Großbritannien - gefunden sind, gehen meist Jahre ins Land. Die Gefahrenabwehr aber duldet keinen Aufschub. „Manchmal müssen wir im Bauordnungsamt regelrecht Ahnenforschung betreiben und die Nachlassgerichte bis hin zum Auswärtigen Amt bemühen“, schildert Mühlenbeck. Für den immensen Verwaltungsaufwand können maximal Gebühren zwischen 50 und 1 500 Euro in Rechnung gestellt werden.
Hier müsse der Gesetzgeber etwas ändern, fordern Pischke und Mühlenbeck. Und da sind sie nicht allein. Die Bauaufsichtsbehörden im Land machen immer wieder auf diesen Missstand aufmerksam.
„Eigentum ist ein hohes Gut“, sagt Pischke. So könne man im Falle von Schrottimmobilien nicht schalten und walten wie man wolle. In jedem Einzelfall müssen der Amtsleiter und seine vier dafür zuständigen Kollegen in Anhalt-Bitterfeld abschätzen: „Was ist verhältnismäßig?“ Wenn zum Beispiel nur ein Dachziegel herunter fällt, könne man nicht gleich das ganze Gebäude „umschuppen“, verdeutlichen sie. Für Schönheitskuren in den Gemeinden sei man nun mal nicht zuständig. Das werde oft missverstanden.
Doch die Leute vom Bauordnungsamt sind auch Realisten. Besser wird der Zustand der betreffenden Immobilien mit den Jahren nicht. „Was bei uns auf dem Tisch landet, ist meist hoffnungslos“, sagt Marco Mühlenbeck. „Wir hatten schon Objekte, wo wir das Obergeschoss bereits abgetragen haben, dem folgte eine Klage vor Gericht, fünf Jahre geschah nichts, und jetzt erfolgt der Abriss“, beschreibt Pischke einen Fall.
120 000 Euro stehen jährlich im Haushaltsplan des Landkreises für Maßnahmen der Gefahrenabwehr an Schrottimmobilien bereit, die dem Kreis nicht gehören, wo aber oft Gefahr im Verzug ist. Ausgenommen ist die Stadt Köthen, die ihr eigenes Bauordnungsamt hat und für solche Maßnahmen jährlich 30 000 Euro vorhält. Das Geld für die Ersatzvornahme werde dem Eigentümer zwar in Rechnung gestellt. Doch es fließt nur zum geringer Teil in den Kreishaushalt zurück. So konnte Kreiskämmerer Ralf Lingk 2012 von rund 100 000 Euro für Ersatzvornahmen nur 22 000 Euro rückverbuchen. Bei den Eigentümern gibt es solche, die sich wegducken, und andere, die ihre Schulden ratenweise monatlich abstottern, weil sie nicht auf einmal zahlen können.
Eine Zunahme an Fällen, in denen das Bauordnungsamt zur Gefahrenabwehr tätig werden muss, verzeichnen Pischke und seine Mitarbeiter aber nicht. Die Zahlen seien konstant. In diesem Jahr kamen im Landkreis bisher 64 Fälle zur Anzeige, davon 20 im Altkreis Köthen (in der Stadt Köthen waren es zwölf Anzeigen, dreimal musste man hier tätig werden). „Das fängt beim Aufstellen eines Sicherungszaunes an, geht über das Abnehmen von Schornsteinen, Stabilisierungsmaßnahmen bis hin zum Abriss. “ Letzterer ist aber die seltene Ausnahme. Da der Landkreis kein Eigentümer ist, sind die Handlungsmöglichkeiten gesetzlich eingeschränkt. Oft sei man mit der Hinhaltetaktik der Eigentümer konfrontiert.
Wird dem Bauordnungsamt ein Fall bekanntgemacht, meist durch Nachbarn oder die Gemeinde, wendet sich das Amt zunächst mit einem Schreiben an den Eigentümer, mit der Aufforderung, den Schaden in Ordnung zu bringen. Erfolgt das nicht, habe man die Möglichkeit, ein Zwangsgeld anzudrohen. Das ändere aber meist nichts am Zustand, sagt Pischke. Also erfolge die Ersatzvornahme durch den Kreis im Rahmen der Gefahrenabwehr. Der Auftrag wird in sogenannter freihändiger Vergabe ausgelöst, der Eigentümer bekommt die Rechnung. Wenn Gefahr im Verzug ist, wie zum Beispiel in Quellendorf in diesem Jahr, wo die Wand eines Wohnhauses einzustürzen drohte, könne man aber nicht erst lange mit dem Eigentümer telefonieren, sondern die Wand müsse sofort weg, schildert Pischke. Zahlt der Eigentümer die Rechnung nicht, werde für das Grundstück eine Grundschuld eingetragen, um sich den Anspruch zu sichern.
„Oft sind solche Grundstücke aber schon mit einer Grundschuld belastet, so dass wir an letzter Stelle kommen“, sagt Mühlenbeck. Besonders brisant wird die Sache, wenn es sich um eine Erbengemeinschaft oder um ein Spekulationsobjekt handelt. So verfolgt Mühlenbeck zum Beispiel auch Internetauktionen, um an der Sache dran zu bleiben. Manchmal sei das zum Haare-Raufen, schildert der Sachbearbeiter einen Fall aus Bitterfeld-Wolfen, bei dem kürzlich jemand ein Gebäude für 150 Euro erworben hat, für das dann im Rahmen der Gefahrenabwehr aufgrund der Einsturzgefahr des Gebäudes Kosten in Höhe von 23 000 Euro anfielen.
Der Eigentümer ist aus dem Schneider. Für das Bauordnungsamt fängt alles wieder von vorn an.