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Lautstarker Abzug Familie Ritter aus Köthen: Umzug aus Kolping-Straße in Augustenstraße

Von Doreen Hoyer und Martin Tröster 19.04.2019, 15:29
Ein Team für Stern-TV war vor Ort.
Ein Team für Stern-TV war vor Ort. Ute Nicklisch

Köthen - Ein alter Kühlschrank wird auf das Fensterbrett im ersten Stock gehievt. Ein Stoß und er fällt nach unten, zerfällt in Einzelteile beim Aufprall auf der Straße. Es folgen Sofateile, kleine Tische, Bettwäsche. Die Entrümpler haben gut zu tun am Mittwochmorgen in der Adolf-Kolping-Straße 19. Die Zimmer, die sie ausräumen, waren bis zu diesem Tag von Köthener Obdachlosen belegt, darunter Mitglieder der Familie Ritter, bundesweit seit 25 Jahren bekannt durch Stern-TV-Auftritte.

Deren Mitglieder sind alles andere als erfreut über den Auszug. Einer der Söhne von Familienoberhaupt Karin Ritter bedroht einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes: Er wisse, wo dieser wohne „und mal sehen, ob du auch morgen noch so feierst, wenn ich bei dir vor der Tür stehe“. MZ-Reporter bedroht er - wie es zuvor sein Bruder tat - auf ähnliche Weise und fügt hinzu, er werde seinen Anwalt gegen die Berichterstattung der MZ einschalten.

Derzeit ist er derjenige, der Probleme mit der Justiz hat: Zusammen mit einem anderen Bruder soll er einen Obdachlosen überfallen haben. Da er ohnehin nur auf Bewährung draußen ist, erwartet ihn im Prozess eine mehrjährige Haftstrafe. Hätte es die Staatsanwaltschaft nicht versäumt, im Dezember beim entsprechenden Haftprüfungstermin die Strafakte vorzulegen, wäre er wie sein mitangeklagter anderer Bruder mit hoher Wahrscheinlichkeit in Untersuchungshaft geblieben. Stattdessen brach er kurze Zeit später mit Komplizen in den Köthener Tierpark ein. Die MZ hat diese Justizpanne im März aufgedeckt.

Umzug der Familie Ritter: Stern TV ist wieder dabei

Einzelne Mitglieder der Familie geben dem Stern-TV-Team am Mittwoch bereitwillig Antworten. Polizisten haben in der Straße Stellung bezogen und begleiten hin und wieder die Mitarbeiter der Stadt ins Gebäude.

Die Obdachlosen müssen das Haus in der Kolping-Straße verlassen, da die Unterbringung dort von Anfang an nur als Interimslösung geplant war. Die Unterkunft in der Augustenstraße ist umgebaut und wieder nutzbar.

Allerdings unter ganz anderen Bedingungen als zuvor - die Stadt zieht jetzt andere Saiten auf: Die Unterkunft soll nur noch von 18 bis 8 Uhr genutzt werden. Die Obdachlosen dürfen keine eigenen Möbel in die Zimmer stellen (die MZ berichtete). In den Zimmern steht nur das Nötigste: Bett, Stuhl, Tisch, Schrank. Ein Sicherheitsdienst soll für Ordnung sorgen, etwa dafür, dass die neuen Bäder und Toiletten nicht demoliert werden. Sie sollen außerdem verhindern, dass nicht wieder andere Bewohner Opfer von Attacken der Ritter-Brüder werden.

Neue Regeln für Familie Ritter: Verlagern sich Probleme nur?

Auf die Frage der MZ, ob er damit nicht das Problem verlagere, wenn insbesondere die berüchtigten Rittersöhne tagsüber ohne Unterkunft und dann mehr im öffentlichen Raum präsent sind, sagt Oberbürgermeister Bernd Hauschild: „Das wird die Zeit zeigen.“ Es sei ihm bewusst, dass sich die Ritters dann woanders aufhielten. „Sie können sich tagsüber in der Unterkunft aufhalten, wenn sie im Krankenstand sein sollten.“ Letztlich räumt Hauschild ein: „Ich habe derzeit keine andere Lösung.“ Allerdings werde er, wie mit Stadträten vereinbart, sich Modelle in Bernburg und in Bitterfeld anschauen, wie die Kommunen mit derartigen Problemen verfahren.

Rechnet die Polizei damit, mehr zu tun zu bekommen, wenn Teile der Familie sich tagsüber nicht mehr in eine Unterkunft zurückziehen können? „Für uns als Polizei ändert sich nichts“, sagte eine Sprecherin. „Wenn es erforderlich wird, werden wir natürlich tätig werden.“

Karin Ritter lässt am Mittwoch jedenfalls verlauten, sie werde auf keinen Fall wieder in die Augustenstraße ziehen. Wohin sonst, wisse sie aber auch nicht. „Nun lebe ich eben auf der Straße.“ Anders scheint es bei einem ihrer Söhne auszusehen: Er komme gerade von einer Wohnungsbesichtigung und habe eine Bleibe gefunden, sagt er. Ärger gab es allerdings um eine Garage, in der einige der Obdachlosen ihren Besitz eingelagert hatten. Der Mietvertrag für die Garage sei ihm soeben gekündigt worden.

Umzug der Familie Ritter: Möbel und Kartons landen im Sperrmüll

Ohnehin landet ein Großteil der Möbel und Kartons, die die Entrümpler am Mittwoch aus dem Haus in der Kolping-Straße holten, in einem der bereitgestellten Container für Sperrmüll. Einiges wird in einem Privatauto verstaut, andere Dinge tragen die Arbeiter in einen Transporter, um sie einzulagern.

Das Ausräumen werde wohl den ganzen Tag dauern, sagt ein Stadtmitarbeiter der MZ gegen Mittag. Ab und zu nähern sich Schaulustige, die den Auszug mit einigem Sicherheitsabstand beobachten.

Wenn der Wohnblock leer steht, ist der Weg frei für den Teilabriss des Gebäudes, den der Eigentümer, die Wohnungsgesellschaft Köthen, vorgesehen hat.

(mz)