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Ermittlungen in Görzig Ermittlungen in Görzig: Bürgerwehr stellt vermeintliche Diebesbande an den Pranger

Von Helmut Dawal und Christine Färber 29.01.2016, 07:27
Der Steckbrief: Die Gesichter und die Wohnorte der darauf abgebildeten Personen wurden unkenntlich gemacht.
Der Steckbrief: Die Gesichter und die Wohnorte der darauf abgebildeten Personen wurden unkenntlich gemacht. MZ Lizenz

Weissandt-Gölzau - Plakate im A4-Format, eingesteckt in eine schützende Klarsichtfolie, haben in den vergangenen Tagen in Weißandt-Gölzau, Zörbig und mehreren Dörfern für viel Diskussionsstoff gesorgt. Gefunden wurden die Zettel mit der Überschrift „Achtung vor Diebesbande“ unter anderem an Verkaufsstellen und an Betonmasten. Die Plakate wurden im Stil eines Steckbriefes gestaltet, sie warnen vor einer regionalen Diebesbande. Diese sei mit Einbrüchen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld und dem Saalekreis in Verbindung zu bringen. Die Täter gehörten zum Drogenmilieu. Von ihnen gehe ein hohes Gefährdungspotential aus, da die Einbrüche zur Suchtfinanzierung dienten.

Plakate nicht gestattet

Und damit jeder weiß, um wen es geht, sind Fotos von fünf Männern abgebildet und die Wohnorte der vermeintlichen Täter angegeben, die aus Radegast, Schrenz, Löbersdorf und Werben stammen sollen. Unterzeichnet ist der Steckbrief von der „Gölzauer Bürgerwehr“.

Inzwischen beschäftigt sich die Polizei mit dem Vorfall. „Unsere Beamten haben einige dieser Zettel in Görzig entdeckt und weggenommen“, teilte Ralf Moritz, Sprecher der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost, auf MZ-Anfrage mit. „Es ist grundsätzlich nicht statthaft, solche Plakate auszuhängen. Sie greifen in allgemeine Persönlichkeitsrechte ein“, betonte Moritz. Es bestehe die Gefahr, dass Personen beliebig und ohne Grund an einen öffentlichen Pranger gestellt werden. Auch der Staat dürfe nicht ohne Weiteres solche Plakate aufhängen. „Für den Staat bestehen hinsichtlich der Veröffentlichung von Fahndungsplakaten hohe Hürden“, äußerte Moritz. Diese Hürden bestünden zu Recht, damit nicht jede Person ohne Grund in der Öffentlichkeit stigmatisiert werde.

Wer steckt dahinter?

Im konkreten Fall werde wegen Verleumdung ermittelt. „Ein Mann, der auf dem Plakat genannt wurde, hat Strafanzeige wegen übler Nachrede erstattet“, informierte der Polizeisprecher.

Sind die fünf Männer der Polizei bekannt, wie auf dem Plakat behauptet wird? Diese Frage ließ Ralf Moritz offen. „Zu Personen äußern wir uns aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht“, sagte er.

„Das ist Selbstjustiz, das geht gar nicht“, erklärte die Weißandt-Gölzauer Ortsbürgermeisterin Erika Scheller. Kameraden der Gölzauer Feuerwehr hätten die Zettel eingesammelt, die im Ort hingen. Wer zur „Gölzauer Bürgerwehr“ gehöre, könne sie nicht sagen. „Viele Bürger rätseln, wer dahinter steckt.“ Ein übermäßiges Aufkommen an Einbrüchen kann die Ortsbürgermeisterin nicht ausmachen. „Natürlich passiert immer mal was. Aber von vermehrten Straftaten in unserem Ort kann keine Rede sein“, sagte Erika Scheller.

Warum die Aktion rechtswidrig ist, lesen Sie auf Seite 2.

Nico Hofert, Fachbereichsleiter für Bildung, Wirtschaft und Ordnung der Stadt Zörbig, hat zwar davon gehört, dass es diese Bürgerwehr gibt und dass Plakate ausgehängt worden seien. „Offiziell aber ist mir davon nichts bekannt. Und dass es konkret Zörbiger betrifft, davon weiß ich nichts.“ Hofert macht aber klar: Sich um kriminell gewordene Bürger zu kümmern, ist die hoheitliche Sache der Polizei, so der Ordnungsamtschef. „Es gibt ein Sicherheits- und Ordnungsgesetz in Sachsen-Anhalt, das ist unsere Handlungsgrundlage.“ Zudem: Werden Plakate ohne Genehmigung irgendwo in den Kommunen angebracht, so Hofert, dann sei das eine rechtswidrige Sondernutzung der Flächen.

Richterlicher Beschluss nötig

Auch für Reiner Schock, Rechtsanwalt aus Halle, steht fest: „Das ist rechtswidrig.“ Hinter diesem Steckbrief stecke eine private Initiative, „es ist nicht ersichtlich, dass hier im Auftrag des Rechtsstaats gehandelt wird“, erläuterte er auf MZ-Nachfrage. Laut Schock gelten hohe Maßstäbe, wenn Namen und Fotos von Menschen im Zusammenhang mit einer Straftat öffentlich gemacht werden, die auch von Polizei und Staatsanwaltschaft eingehalten werden müssen. „Eine öffentliche Fahndung darf nur nach einem richterlichen Beschluss erfolgen“, verwies der Jurist auf den Paragrafen 131 b in der Strafprozessordnung.

Auch für die private Ebene gelten Regeln. „Da gilt das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Man darf niemanden an den Pranger stellen“, betonte Schock. Betroffene könnten in einem solchen Fall auf Schmerzensgeld und Schadenersatz klagen. Geregelt sei das im Grundgesetz, im Bürgerlichen Gesetzbuch und ferner im Strafgesetzbuch in mehreren Paragrafen, in denen es um Ehrverletzungsdelikte gehe. (mz)