Erfolgreich auf dem Land Erfolgreich auf dem Land: Wie ein Edderitzer ein Unternehmen gründet und Jobs schafft

Edderitz - Wer das Lager von Decolectrix in Edderitz betritt, der sieht vor allem eines: Batterien. Batterien in allen Größen und Variationen, angeordnet in mehreren Regalreihen. Dazwischen laufen die Mitarbeiterinnen des Unternehmens hin und her, bearbeiten die Aufträge, packen Briefumschläge und Pakete. „Batterien machen über 90 Prozent von unserem Umsatz aus“, sagt Johannes Schmidt, der die Firma vor viereinhalb Jahren gegründet hat.
Decolectrix verkauft über die Internet-Plattformen Amazon und Ebay vor allem Elektronikartikel, neben Batterien auch Taschenlampen, Kabel oder Adapter. Die Bestellungen laufen über ein spezielles System ein, werden dann in Edderitz verarbeitet und verpackt und schließlich durch Logistikunternehmen abgeholt und verschickt. „Es ist im Prinzip ein Jahrhunderte altes Konzept: Produkte günstiger einkaufen als man sie dann verkauft“, erklärt Schmidt.
Bereits 17 festangestellte Frauen
Dieses Konzept scheint auch heute noch zu funktionieren. Inzwischen arbeiten bei Decolectrix neben Johannes Schmidt und seiner Frau 17 weitere Festangestellte - und zwar ausschließlich Frauen. „Irgendwie haben wir ein Problem damit, Männer einzustellen“, sagt der Geschäftsführer mit einem Lachen. Die große Mehrheit der Mitarbeiterinnen war vorher arbeitslos. Einige sind alleinerziehende Mütter und haben bereits seit vielen Jahren vergeblich einen Job gesucht. Warum es für die Frauen so schwer war, eine Anstellung zu finden, kann Johannes Schmidt nicht verstehen. „Sie machen insgesamt einen super Job hier.“
Angefangen hat alles im Spätsommer 2012. Johannes Schmidt arbeitet zu dieser Zeit im Außendienst eines Elektronikgroßhandels und ist viel unterwegs. Seine Kinder habe er daher nur wenig gesehen. „Irgendwann habe ich mir gedacht: Jetzt mache ich selbst was.“ Im September des Jahres meldet er sein Gewerbe an und betreut das Unternehmen zunächst parallel zu seinem eigentlichen Job. Nach sechs Monaten ist er soweit, sich mit seiner Frau komplett auf Decolectrix zu konzentrieren. Zentrum der Arbeit wird die 40 Quadratmeter große Garage. „Hier haben wir die Ware gelagert und verpackt und quasi darin gelebt“, erinnert sich Schmidt. Die beiden arbeiten mehr oder weniger rund um die Uhr und eignen sich dabei alles im Learning-by-Doing-Modus an. „Wir haben ja ganz ohne Erfahrungen angefangen. Zu Beginn haben wir sogar die Adressen auf die Briefumschläge per Hand geschrieben.“
So entwickelt sich das Unternehmen und die Zahl der Bestellungen wächst. Schließlich kommt der Punkt, an dem die Auftragszahl zu groß für zwei Personen ist. Sie liegt zu dieser Zeit bei etwa 200 bis 300 pro Tag. Ende 2014 wird daher die erste Mitarbeiterin eingestellt, wenige Monate später folgt die zweite.
Von der Schlecker-Filiale zum Decolectrix-Standort
Im Herbst 2015 kommen noch einmal vier Angestellte dazu und zu acht wird es allmählich eng in der Garage. „Es war sehr familiär, aber auch sehr chaotisch“, sagt Schmidt. Er beginnt, nach einer geeigneten Immobilie zu suchen und wird in seinem Wohnort Edderitz fündig. Hier steht ein Gebäude zum Verkauf, in dem sich unter anderem eine Schlecker-Filiale bis zur Insolvenz der Drogerie-Kette befand.
Aus Edderitz wegzugehen, das ist für den 35-Jährigen aber ohnehin nie eine wirkliche Option gewesen. „Hier gibt es günstige Immobilien, wir können schnell und einfach Mitarbeiter akquirieren und sind in Edderitz zu Hause.“ Im Mai 2016 zieht Decolectrix mitsamt dem Lager in das Gebäude ein.
Kunden in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
Nach und nach werden weitere Mitarbeiterinnen eingestellt; auch die Sanierung des Hauses läuft weiter. Erst vor drei Wochen ist Schmidts Büro fertig geworden. Zurzeit, berichtet er, werde außerdem das Waren-Sortiment der Firma erweitert. Aktuell umfasst es etwa 4.500 Produkte. Waren werden deutschlandweit und nach Frankreich und Großbritannien verschickt, vorwiegend an Privatleute.
Die Zahl der Aufträge beträgt mittlerweile rund 2.000 bis 3.000 pro Tag, wobei diese im Winter am höchsten ist. „Ziel ist es, das Sortiment um Produkte zu ergänzen, die im Sommer laufen“, so Schmidt. Dabei liegt die Herausforderung darin, Produkte zu finden, die von den Kunden online gekauft werden. Das gelingt oft, aber nicht immer. „Man darf beim Wareneinkauf auch mal falsche Entscheidungen treffen“, sagt Schmidt, „aber eben nicht zu viele.“ (mz)
