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Erfahrungsbericht Erfahrungsbericht: Von der Sucht zurück ins Leben

Von Katrin Noack 26.10.2012, 09:39

Köthen/MZ. - Und noch längst nicht wieder angekommen. Anfang des Jahres ist der 27-jährige wieder bei den Eltern und Großeltern eingezogen. Und das als Ex-Junkie nach erfolgreicher Entgiftung, Entzug und einer Rehabilitation in einer speziellen Klinik für Drogenabhängige.

Seine Rückkehr war alles andere als vorhersehbar. Zehn Jahre hat die Droge Crystal das Leben von Markus Schmidt beherrscht. "Anfangs habe ich das Crystal aus Neugier genommen", sagt der gelernte Tierpfleger. Bekannte von Bekannten verkaufen dem damals 17-Jährigen die Droge. Beim Besuch in der Disko soll das Crystal für den besonderen Kick sorgen. "Ich hatte Bauchkribbeln und ich war glücklich", beschreibt er die Wirkung.

Das Glück hält nur ganz kurz, Markus Schmidt muss mehr Crystal nehmen, um dieses Gefühl wieder zu erleben. "Es wurde schnell mehr. Und wenn ich Probleme mit der Familie oder Freunden hatte, nahm ich noch mehr", schildert er. Schnell wird Crystal das Wichtigste in seinem Leben. "Gleich nach der Arbeit habe ich das Zeug gekauft, genommen und dann die Nächte durchgemacht", erinnert er sich. Um genug für den eigenen Konsum zu haben verkauft er die Droge nach kurzer Zeit selbst. Er fährt weite Strecken, um sie zu beschaffen - sogar bis nach Tschechien. "So lange ich Crystal verkaufte, war ich angesagt", sagt er. "Aber ich war mein bester Kunde", schildert er seine Situation. Schulden habe er durch die Dealerei gemacht und auch seine Miete habe er nicht mehr zahlen können, weil sein ganzes Geld für die Droge drauf ging.

Kurz vor dem Organversagen

Aber nicht nur sein Geld opfert Markus Schmidt der Droge, sondern auch seine Gesundheit. Mit der Zeit hinterlässt das Crystal Spuren: "Ich nahm 25 Kilo ab, mein Gesicht war eingefallen und ich war immer nur nervös", schildert der schlanke junge Mann. Seine Hände habe er nicht mehr koordinieren können. "Ich konnte mir nicht mal eine Dose selbst aufmachen". Manchmal, erzählt er, habe er sich mit den Drogenspritzen sogar verletzt.

Nachdem er auf Droge einmal fast drei Wochen am Stück wach geblieben ist, hat er auf der Arbeit einen Kreislaufkollaps. Kurz vor einem Organversagen sei das gewesen, schildert Markus Schmidt.

Was das Crystal bei ihm anrichtet, wird dem jungen Mann mit der Zeit durchaus bewusst. Er beginnt eine Entgiftung, und bald eine zweite. "Nach zwei Wochen hatte ich einen Rückfall und nahm teilweise noch mehr". Der Arbeitgeber ist kulant, nimmt hin, dass der eigentlich fleißige Mitarbeiter manchmal nicht zur Arbeit kommt. Auch die Eltern und vor allem die Mutter, bemerken den Verfall, unternehmen aber nichts. "Sie wollte es zuerst nicht wahrhaben", weiß Markus Schmidt.

Dann 2010 bricht alles zusammen. Markus Schmidt verliert seine Arbeit und seine Wohnung, die Bank zieht sein Auto ein. Der Bruder wendet sich ab. Freunde aus der Zeit vor der Sucht hat er da schon längst nicht mehr. Die Eltern nehmen den jungen Mann, der nichts mehr hat, wieder bei sich auf. Doch sie wissen nicht, was sie tun sollen. "Beide waren fix und fertig", weiß er heute.

In ihrer Verzweiflung wendet sich die Mutter an Kerstin Beutler von der Drogenberatungsstelle des DRK Bitterfeld in Köthen und bringt ihren Sohn dazu, dass er sie begleitet. Wieder geht er zur Entgiftung, wieder hat er einen Rückfall. Schließlich entscheidet sich Markus Schmidt für eine Langzeittherapie und bekommt einen Platz. Dort erlebt er zum ersten Mal wieder ein Leben ohne Drogen. Mit strengen Regeln, stark reglementierten Besuchen und vielen Gesprächen als Teil der Therapie. "Anfangs fiel es mir sehr schwer über die Probleme zu sprechen", erinnert er sich. Andere in der Klinik haben immer Rückfälle. Markus Schmidt aber hält durch "Ich habe kapiert, man kann es nur selbst schaffen".

Seit einem Jahr clean

Seit einem Jahr ist er weg vom Crystal. Doch der Weg zurück ins normale Leben ist kein leichter. "Ich habe hier an vielen Orten Erinnerungen, da ist schnell alles wieder da", schildert er. Seine Stütze ist seine Familie. Zu Hause kümmert er sich um die Großeltern und die vielen Tiere. Neue Freunde, die nichts mit den Drogen und der Sucht zu tun haben, hat er noch nicht gefunden. Auch eine neue Arbeit sucht er noch. Gerne möchte er wieder als Tierpfleger arbeiten. "Es ist wichtig, sich wieder aufzurappeln", weiß der junge Mann inzwischen.

Und er weiß um die Gefährlichkeit der Droge. "Man realisiert nicht, wie schnell man drin ist", sagt er heute. Er möchte, dass anderen ein Schicksal wie das seine erspart bleibt. Auch wenn es ihm nicht leicht fällt seine Geschichte zu erzählen. Markus Schmidt weiß: Auch hier in der Region ist die Droge ganz nah. "Man muss das mal erzählen, denn das passiert hier überall ringsrum", betont er..