1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Elbe-Hochwasser 2013 in Aken: Elbe-Hochwasser 2013 in Aken: Am 11. Juni gegen 5 Uhr brach der Deich

Elbe-Hochwasser 2013 in Aken Elbe-Hochwasser 2013 in Aken: Am 11. Juni gegen 5 Uhr brach der Deich

Von Matthias Bartl 11.06.2013, 20:19
Drei Männer stehen im Juni 2013 nahe dem Deichbruch im Wald bei Aken.
Drei Männer stehen im Juni 2013 nahe dem Deichbruch im Wald bei Aken. Archiv/Ute Nicklisch Lizenz

Aken - Um 10.45 Uhr steht ein Hubschrauber über dem Gelände. „Die glauben“, sagt Siegfried Mehl und blickt kopfschüttelnd nach oben, „immer noch nicht, dass der Damm zu ist.“ Die - das sind die Dessauer, die Leute auf der anderen Seite des Waldstücks östlich von Aken. Mit denen hat Mehl seit Samstagmorgen über Kreuz gelegen und tut das auch am Dienstagvormittag noch. Am Samstagmorgen, als der Deich im Wald gebrochen war. Am Dienstagvormittag, als Mehl an der Spitze von Hunderten Feuerwehrleuten nach buchstäblich 76 Stunden ohne Pause einen neuen Deich mitten im Wald gebaut hatte. Ein Meisterwerk an Einsatzbereitschaft und Logistik und Sachverstand. 9.17 Uhr hatte man den neuen Deich dicht.

Der „Retter von Aken“ heißt Siegfried Mehl. Der Wasserbauingenieur will von solchen Bezeichnungen nichts hören. Es seien so viele gewesen, die im Akener Busch und auf der Straße nach Dessau an der Rettung der Stadt gearbeitet haben. Die, da sind sich Mehl und Michael Kiel von der Technischen Einsatzleitung im Rathaus Aken sicher, schneller vonstatten gegangen wäre, wenn Dessau gleich am Sonnabendmorgen mit den Akenern zusammengearbeitet hätte.

Mehl war am Sonnabend kurz vor 5 Uhr mit Einsatzkräften in das schwer zugängliche Waldstück vorgedrungen, hatte die Bruchstelle gesucht und gefunden. Mehl kämpfte sich mit Feuerwehrleuten und Soldaten auch zu „Mutter Sturm“ vor, fand dort Dessauer, die „an der tiefsten Stelle“ einen Notdeich errichtet hatten und nicht auf Mehls Forderungen eingingen, sich die Bruchkante selbst anzusehen - als Beweis dafür, dass ein Eingreifen sowohl von Aken als auch von Dessau aus notwendig sei.

Diese Kooperation kam nicht zustande. Was die Akener Entschlusskraft nicht minderte, einen Weg gegen das Elbewasser zu suchen, dass mit atemberaubenden Tempo durch den Wald schoss und schon früh begann, Susigke zu fluten. „Wir haben uns entschlossen, einen Hakendeich zu bauen“, so Siegfried Mehl. Das ist schnell hingeschrieben; doch mussten dafür ungezählte Tonnen Schotter Hunderte Meter lang auf die Straße nach Dessau aufgebracht werden. Außerdem riskierten die Feuerwehrleute später im Wald zwischen Straße und Elbe Kopf und Kragen, um dort erst einmal die Bruchkante zu sichern.

Am Montag, nach 48 Stunden, hatte man auf der Straße den Hakendeich so weit aufgeschüttet, dass die Strömungsgeschwindigkeit von drei Metern pro Sekunde auf unter einen Meter pro Sekunde gefallen war. Das war der Moment, in dem Siegfried Mehl sich zusammen mit einem Taucher im Schlauchboot auf dem Wasserweg zu „Mutter Sturm“ aufmachte, um die Dessauer dort zu treffen. „Ich habe dann zwei Dessauer an die einzige vorhandene Bruchstelle gebracht und den Leuten gesagt: Das fließt jetzt in Richtung Dessau. Da waren sie dann doch beeindruckt.“

Gegen 12 Uhr am Montag kam dann ein Aufklärungshubschrauber, „dann wollten die Dessauer helfen, taten das auch, haben aber immer noch bezweifelt, was wir machen“, so Michael Kiel. Dabei habe man den Dessauern sogar gesagt, welche Technik sie nehmen sollen. Letzten Endes wurden per Hubschrauber einige Big Bags an die Bruchstelle im Wald geworfen, „und wir haben dann Vorbereitungen getroffen, die Big Bags manuell zu verbauen“. Notwendig war dazu, eine Baustraße in den Wald zu schneiden, das Ganze in rasendem Tempo nach dem Motto: „Je kürzer der Weg zur Bruchstelle umso besser.“ Wehren aus dem Bitterfelder Raum hatten Mehl zum Staunen gebracht: „Die sind in zwei Stunden mit ihren Kettensägen 300 Meter weit durch den Kiefernwald durchgetobt, das war eine absolute Leistung.“

Um 4.30 Uhr am Dienstagmorgen stand Siegfried Mehl zum x-ten Mal in diesen Tagen an der Bruchstelle - diesmal aber durfte man zum ersten Mal Hoffnung schöpfen. Denn Fahrzeuge der Firma Jäger brachten Schotter an die Bruchstelle, wo die Big Bags lagen, und verfüllten das Ganze.

„Ein Dessauer“, stellt Kiel fest, „hat sich hier die ganze Zeit nicht an der Bruchstelle sehen lassen, obwohl das Wasser auch Dessau bedroht hätte.“ Was den Akener besonders ärgert: „Heute (am Dienstag - d.Red.) um 6 Uhr haben wir dort angerufen und die Hubschrauber abbestellt, die ja woanders sicherlich nötiger gewesen wären. Wir haben gesagt, wir verfüllen das maschinell. Die haben nicht geglaubt, dass wir das schaffen.“

Und doch war es am Dienstagvormittag so weit: Ein neuer Deich im Wald war fertig, ein Hakendeich gigantischen Ausmaßes stand auf der Straße nach Dessau und sammelte Wasser. „Aus diesem Ring lassen wir das Wasser nun ganz langsam rauslaufen“, erläuterte Siegfried Mehl.

Der, nach kritischen Momenten befragt, zwei Dinge aufzählt, die ihn besonders in Rage gebracht haben: Einmal der Umstand, dass der LHW das Schöpfwerk bei Obselau, das Taube-Wasser in die Elbe fördert, einfach abschaltete. „Dass das kaputtgewesen sein soll, glaubt niemand.“ Und zum anderen, dass im Zuge der Evakuierung am Sonnabend alle Arbeiter von der Bekämpfung des Deichbruchs abgezogen wurden. „wir wären sonst sicher ein bisschen eher fertig geworden.“ (mz)