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Ein geplatzter Traum Ein geplatzter Traum: "Jackys Musik-Café" in der Wallstraße in Köthen muss schließen

Von Stefanie Greiner 29.06.2017, 11:17
Voller Optimismus: Jacqueline Baur im März 2016
Voller Optimismus: Jacqueline Baur im März 2016 Archiv/Heiko Rebsch

Köthen - Jacqueline Baur ist verzweifelt. „Aus meinem Traum ist ein Alptraum geworden“, sagt die gestandene Frau unter Tränen. Ihre berufliche Existenz ist zerstört.

Ihr Traum begann im März 2016. Da eröffnete die Gastronomin in Köthen ein Lokal. „Jackys Musik-Café“ in der Wallstraße 7. „Es war schon immer mein Traum, eine Gaststätte zu führen“, sagte die Inhaberin damals. Optimistisch, dass genug Gäste kommen würden.

Heute, ein gutes Jahr später, ist von diesem Traum nicht mehr viel übrig. Ihr wurde gekündigt, in zwei Tagen muss das Lokal geräumt sein. Jacqueline Baur ist niedergeschlagen. Sie kann ihre Miete nicht bezahlen - weder im Lokal noch zu Hause.

Die Köthenerin hat weitere offene Rechnungen. Die finanziellen Probleme machen ihr gesundheitlich zu schaffen. „Ich wollte das bis zur Rente machen“, sagt sie „Und noch länger.“

Bereits zum Ende des Jahre sollte Jacqueline Baur ihr Lokal räumen

Dass ihr Traum geplatzt ist, hat mehrere Gründe. Die Lage am Ende der Fußgängerzone, wo kaum jemand beim Bummeln durch die Innenstadt vorbeikommt. Jacqueline Baur versuchte, das Beste daraus zu machen. Sie stellte Tische, Stühle und Pflanzen raus. Die Gastronomin wollte ihrem Lokal etwas Wohnliches geben - drinnen und draußen.

Am Anfang lief alles gut. Das Musik-Café hatte seine Gäste. „Die Leute waren begeistert“, sagt die Inhaberin. „Gerade Auswärtige.“ Sie bot Frühstück und Mittagessen an. Abends gab es kleine Gerichte. Jacqueline Baur konnte sich ausprobieren.

Der Einbruch kam mit dem Ende der Biergarten-Zeit. Als die Leute nicht mehr draußen sitzen konnten. Die Gastronomin hatte deutlich weniger Gäste und damit noch weniger Einnahmen. Die offenen Rechnungen häuften sich. Zum Ende des Jahres sollte Jacqueline Baur ihr Lokal räumen. Sie konnte die Kündigung abwenden. In der Hoffnung, dass dieses Jahr alles besser werden würde. Das Problem: Die Gäste kamen nicht zurück.

Viele Ideen und Konzepte im Musik-Café gingen einfach nicht auf

Ihre Musiker-Stammtische am Montag waren gut besucht. Oft hatte Jacqueline Baur ein volles Lokal. Mit anderen Angeboten hatte die Inhaberin weniger Glück. Sie wollte einen Seniorennachmittag etablieren.

Nach einer Veranstaltung war Schluss. Irgendwer hatte sich darüber beschwert, dass die Senioren zu laut waren. Ein weiterer Plan scheiterte: Sie hatte gehofft, dass mittags Schüler vorbeikommen würden. Die leidenschaftliche Köchin bot Essen zu kleinen Preisen an. Sie verkaufte Schülern ab und zu mal Pommes. „Das reicht aber nicht.“

Einen finanziellen Puffer hatte Jacqueline Baur nicht. Die 50.000 Euro der Investitionsbank waren am Eröffnungstag aufgebraucht. Sie hatte - mit Hilfe ihres Mannes - aus dem einstigen Internetcafé ein gemütliches Lokal gemacht.

Hilfe vom Jobcenter kam nicht wie erhofft

Dass auch ihre private Existenz bedroht ist, dafür macht die Köthenerin nicht zuletzt das Jobcenter verantwortlich. „Ich lebe seit einem Jahr und drei Monaten ohne die Leistungen, die mir zustehen“, sagt sie.

Die Unterstützung berechnete sich anhand ihrer kalkulierten Einnahmen. Die hatte Jacqueline Baur zu hoch angesetzt. Was schnell klar war und dazu hätte führen müssen, dass die Leistungen angepasst werden. Sie wies immer wieder darauf hin, dass ihr mehr als die bisherigen 127 Euro zustehen. Ohne Erfolg.

Seit einigen Monaten hat die Inhaberin des Musik-Cafés Hilfe von Holger Fröhner. Der Unternehmensberater ist Präsident des Stiftungsrates der Mitteldeutschen Gründerstiftung. Auch er schrieb dem Jobcenter. Mehrfach. „Es hieß immer wieder, dass Unterlagen fehlen“, sagt er. Dabei habe das Jobcenter alle Unterlagen. „Ich habe schon mit vielen Problemfällen zu tun gehabt“, sagt er. Mit einem solchen aber noch nicht.

Am Montag hatte das Musik-Café das letzte Mal geöffnet

„Selbstständige, deren erzielter Gewinn nicht ausreicht, um ihren gesetzlich definierten Lebensunterhalt zu finanzieren, können einen Antrag auf ergänzende ALG II-Leistungen stellen“, informiert Komba-Chef Volker Krüger auf MZ-Nachfrage. Zum Fall von Jacqueline Baur darf sich der Vorstand des Jobcenters des Landekreises aus Datenschutz-Gründen nicht äußern.

„Erfüllt sich die Prognose des Selbstständigen nicht, sollte er noch innerhalb des Bewilligungszeitraums eine Anpassung vornehmen“, sagt er. „Tut er dies nicht, gehen wir als Jobcenter davon aus, dass alles okay ist, und wir erfahren erst von dem Dilemma, wenn der Betroffene schon eine lange Durststrecke bewältigt hat. Aber selbst dann besteht noch die Möglichkeit, dass der Betroffene die entgangenen Zahlungen rückwirkend erhält.“ Jacqueline Baur hofft auf genau diese Rückzahlungen. „Dann könnte ich wenigstens meine Rechnungen bezahlen“, sagt sie.

Am Montag hatte das Musik-Café das letzte Mal geöffnet, ihr Traum ist geplatzt. Es bleiben zahlreiche offene Rechnungen - und nicht zuletzt die 50.000 Euro der Investitionsbank, die Jacqueline Baur zurückzahlen muss. Irgendwie. (mz)