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Die "Arche" wird 70 Die "Arche" wird 70: Seit 1948 werden in der Köthener Bärteichpromenade Kinder betreut

Von Helmut Dawal 16.04.2018, 13:06
Jason (vorn r.), Jan und Sandra mit Erzieher Frank Haustein.
Jason (vorn r.), Jan und Sandra mit Erzieher Frank Haustein. Heiko Rebsch

Köthen - Im Haus Bärteichpromenade 12a in Köthen steht ein besonderes Jubiläum bevor: Seit 70 Jahren werden hier, im heutigen evangelischen Kinder- und Jugendheim „Arche“, junge Menschen betreut. Für Heimleiter Martin Dreffke, seit dem Jahr 1992 im Amt, und Pfarrer Wolfram Hädicke von der für das Heim zuständigen St. Jakobsgemeinde ist das Anlass, einen Rückblick zu halten.

Seit dem 30. April 1948 ist die im Jahr 1902 errichtete und jetzt unter Denkmalschutz stehende Villa Zufluchts- und Aufenthaltsort für Kinder und blieb ihrem Zweck immer treu: Kindern Hilfe und ein Zuhause geben. „Zu Anfang war es ein Kriegswaisenheim mit 25 Mädchen und Jungen“, berichtet Martin Dreffke. Das Heim habe sich immer dem Wandel der Zeit untergeordnet.

Im aufblühenden Sozialismus sei es weniger um die Erziehung des Einzelnen, sondern mehr um die kollektive Erziehung gegangen, habe es Pionier- und FDJ-Kollektive gegeben. „Sicher herrschte damals ein strengeres Regime als heute. Aber dass es im Heim Schikanen gab oder Repressalien, ist nicht bekannt“, sagt Dreffke. In Spitzenzeiten zählte das Heim bis zu 50 Bewohner, was schon erstaunlich war. „Aber es gab größere Schlafsäle und Doppelstockbetten. So wurden die Kinder untergebracht.“

Seit 1994 befindet sich die „Arche“ in der Trägerschaft der Jakobsgemeinde

Nach der Wende wurde das Kinderheim zunächst durch die Stadt Köthen betrieben. Dann war das Jugendamt des Landkreises einige Zeit verantwortlich und suchte nach einem freien Träger. Seit dem 1. Januar 1994 befindet sich die „Arche“ in der Trägerschaft der Jakobsgemeinde. „Das war eine gute Wahl“, befindet Dreffke, „alles wird gemeinsam mit dem Träger entschieden. Auch mit dem Kuratorium gibt es eine gute Zusammenarbeit.“

Die heutige Kapazität des Hauses liegt bei 20 Plätzen. Die jungen Bewohner leben zwei in gemischten Wohngruppen, versorgen sich morgens und abends selbst. Das Leben ist wie in Familien organisiert. Jeder Wohnbereich wird von vier Erziehern betreut. Die Arbeit ist so eingeteilt, dass die Betreuung rund um die Uhr erfolgt.

1996 wurde mit dem betreuten Jugendwohnen begonnen. „Dafür müssen die Jugendlichen mindestens 16 Jahre alt sein. In den Wohnungen werden sie auf ein selbstständiges Leben vorbereitet“, erklärt Martin Dreffke. Im Jahr 2006 erfolgte ein Änderung im Heimkonzept. Danach ist die „Arche“ jetzt eine heilpädagogisch-integrative Einrichtung und kann auch Kinder betreuen, die seelisch traumatisiert sind oder von der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) betroffen sind.

Flexible Elternhilfe und Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Ausländer gehören auch zum Angebot der „Arche“

Zum Betreuungsangebot gehört außerdem die „flexible Elternhilfe“. Sie richtet sich an junge Familien mit mehreren Kindern, die mit ihren Elternpflichten überfordert sind und Unterstützung benötigen. Nicht zuletzt gehören zur „Arche“ zwei Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Ausländer, die bis zum 18. Lebensjahr betreut werden.

„Es gibt in unserer Arbeit keinen Stillstand. Ein klassisches Kinderheim wird immer gebraucht“, sagt Martin Dreffke und lobt sein Team, das sehr engagiert arbeitet. Insgesamt 23 Männer und Frauen in Voll- und Teilzeit, vom Erzieher bis zum technischen Mitarbeiter, sind in der „Arche“ beschäftigt.

Wolfram Hädicke schaut häufig im Heim vorbei. „Ich bin mehrmals in der Woche im Haus, und in einer gewissen Regelmäßigkeit auch zu Mittag, wenn es die schönen Speisen aus meiner Kinderzeit gibt“, sagt Hädicke mit einem Lächeln. Er habe viele Kontakte zu den Kindern aufgebaut, bemühe sich, allen zum Geburtstag zu gratulieren mit einem kleinen Geschenk. „Das lässt dann auch Vertrauen wachsen.“ Er sei der Heimpfarrer, was aber nicht heiße, dass man hier Gottesdienste feiere.

Heimleiter Martin Dreffke blickt optimistisch in die Zukunft

„Ich bin einfach Ansprechpartner seitens der Kirchengemeinde.“ Die Arbeit mit den Kindern hat aber auch Höhepunkte. Hädicke zählt dazu das Krippenspiel, das die „Arche“-Bewohner zur Adventszeit gestalten. „Da erlebt man Kinder, die man aus dem Alltag kennt, plötzlich ganz anders als Engel und Hirten.“

Heimleiter Martin Dreffke blickt optimistisch in die Zukunft. An Arbeit wird es ihm und seinem Team nicht fehlen, denn es gebe einen hohen Bedarf in der Jugendhilfe, die Einrichtungen würden aus allen Nähten platzen, formulierte Dreffke. „Das ist allerdings traurig. Für uns sichert das zwar die Existenz und unser täglich Brot. Aber dass in einem reichen und mächtigen Land wie der BRD im Sozialen, was Kinder angeht, so viel im Argen liegt, das ist für mich persönlich sehr bedenklich“, äußerte er. (mz)

Der 70. Geburtstag des evangelischen Kinder- und Jugendheims „Arche“ wird gefeiert. Am 3. Mai erfolgt um 18 Uhr im Festzelt auf dem Heimgelände ein Festakt mit Gästen aus Verwaltung, Politik, dem öffentlichen Leben sowie Freunden und Förderern.

Weiter geht es am 5. Mai ab 15 Uhr mit einem Treffen ehemaliger Bewohner und Mitarbeiter mit gemeinsamem Kaffeetrinken und dem Austausch von Erinnerungen. Am 6. Mai ist um 11 Uhr ein Fest- und Familiengottesdienst in der Jakobskirche vorgesehen, der im Zeichen des Jubiläums steht.

Ein gemeinsamer Ausflug aller Kinder und Mitarbeiter steht am 15. Mai auf dem Programm. Es geht in den Vergnügungspark Belantis. Die Kinder konnten unter mehreren Zielen auswählen und entschieden sich für Belantis.

Das Köthener Kinderheim gibt es seit 70 Jahren.
Das Köthener Kinderheim gibt es seit 70 Jahren.
Heiko Rebsch