Deutsche Bahn Deutsche Bahn: Wird Köthens Bahnhof abgeschafft?

Köthen - Karl Jüsgen? Vermutlich würde man in Köthen nur Kopfschütteln ernten, wenn man einfach mal so auf der Straße Passanten danach fragte, ob sie diesen Namen kennen. Karl Jüsgen ist hierzulande ein Unbekannter. Wiewohl er ein Bauwerk geschaffen hat, das wohl jeder Köthener schon einmal betreten hat: Jüsgen, einer der bedeutenden Eisenbahnarchitekten des Wilhelminischen Zeitalters, ist der Erbauer des Empfangsgebäudes des Köthener Bahnhofs.
Das hat in diesen Tagen in der Kreisstadt doppelte Bedeutung: Zum einen wird im nächsten Jahr ebendieses Empfangsgebäude 100 Jahre alt. Zum anderen kann es gut sein, dass man sich dieses Jubiläums in Köthen nicht so recht erfreuen kann - die Deutsche Bahn nämlich hat Pläne offenkundig werden lassen, den Bahnhof zu verkaufen; am liebsten an die Stadt selbst - die dies natürlich überhaupt nicht will. Und kann...
Bahnhof-Verkauf mit gravierenden Konsequenzen?
Mit dem Verkauf des Bahnhofs einher könnten noch andere gravierende Änderungen der Köthener Eisenbahn-Welt gehen, die der Stadtverwaltung ebenso wenig passen würden.
Zwar konnte der da noch amtierende OB Alexander Frolow in einer seiner letzten OB-Amtshandlungen dem Stadtrat einen „kleinen Erfolg“ vermelden - den Stopp aller Verkäufe von Bahnimmobilien in Köthen nämlich - , aber ob dies eine endgültige Entscheidung der Bahn ist, weiß man zum jetzigen Zeitpunkt nicht.
Für manch einen Stadtrat waren die Vorhaben der Bahn in Köthen zu weitgehend, als dass man sie so sang- und klanglos beenden könnte. Und wollte.
Auf die Planungen der Bahn wurde man in Verwaltung und Stadtrat durch einen MZ-Beitrag im Februar aufmerksam. In dem war von erheblichen Investitionen auch im Bereich des Bahnhofs Köthen die Rede.
Hörte sich positiv an, war es aber nicht. „Bei einem Gespräch im März erklärte der Vertreter der DB Netz unverblümt, dass die Bahn den Personenbahnhof neu bauen, den kompletten Bahnhof neu planen wolle“, sagt Georg Heeg, der an dem Gespräch teilnahm, weil ihn die Stadt ermächtigt hatte, als Fachmann für die Bahn alle notwendigen Schritte zu tun, um Klarheit in die Angelegenheit zu bringen.
Nur noch zwei Bahnsteige und ein Tunnel
Klarer konnte es gar nicht werden: Ein Stück weiter, etwa 50 bis 100 Meter, südlich des jetzigen sollte ein neuer Bahnhof entstehen, wenn man das Konstrukt denn so nennen möchte, das aus lediglich zwei Bahnsteigen bestehen sollte, für deren Zugang ein neuer schmuckloser Betontunnel angelegt werden sollte, von dem aus man über Rampen zu den vier Bahnsteigkanten hätte kommen sollen. „Das war die Extremvorstellung, die die Bahn hat durchblicken lassen“, erinnert sich Heeg. Auch sollten die Bahnsteige viel kürzer ausfallen, als sie es derzeit sind.
Stadt hält Verlagerung für nicht notwendig
„Diese Verlagerung ist aus meiner Sicht nicht notwendig“, sagt Georg Heeg. Die Höhe des derzeitigen Personentunnels liege über dem von den Bahn geforderten Minimum. Der Abstand zwischen Oberkante Tunnel und Oberkante Schiene differiert um 25 Zentimeter, was sich ausgleichen ließe.
Der Abstieg zwischen Schiene und Bahnsteigkante liege bei 76 Zentimetern - nach Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung dürfte sie zwischen 38 und 96 Zentimetern liegen. Witzig: Beim ersten Gespräch kündigten die Vertreter der Bahn an, die Bahnsteige in Köthen auf die Regelbahnsteighöhe von 55 Zentimetern anzuheben - „sie wussten nicht mal, dass wir in Köthen mit 76 Zentimetern schon weit drüber lagen und gar keine Anhebung benötigten“, so Heeg.
Der auch Vorschläge hat für die Neuanordnung der Durchfahrts-gleise - und feststellt, dass es bei genauem Hinschauen keine technischen Gründe dafür gebe, den Bahnhof überhaupt zu verändern. „Alles ist lösbar.“ Und wenn es das sei, entfalle für die Bahn auch der Grund, sich vom Bahnhof Köthen zu trennen.
Bahn-Ensemble unter Denkmalschutz
Ohnehin dürfte die Vermarktung nicht so unkompliziert sein, wie man sich das bei der Bahn gedacht haben mag. Immerhin steht das komplette Bahn-Ensemble unter Denkmalschutz - was Interessenten und Investoren eher abschrecken dürfte. Auch die Bahnsteige samt Dächern und Einbauten sind geschützt, die Brücke an der Hennecke-Kreuzung ebenso wie der Wasserturm.
Stadtrat und Stadtverwaltung haben in einem Brief an den Konzernbevollmächtigten der DB für Sachsen-Anhalt, Eckart Fricke, Unverständnis und Empörung über den geplanten Verkauf und die Nutzungsaufgabe des Bahnhofs deutlich gemacht.
„Wenn alle privaten Eigentümer denkmalgeschützter Gebäude in Deutschland ebenso handeln würden, sähe es um das baukulturelle Erbe in unseren Städten sehr traurig aus“, heißt es in dem von OB Hauschild und Stadtratsvorsitzenden Sobetzko unterzeichneten Schreiben. (mz)
