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Der traurige Clown weint Der traurige Clown weint: Mit dem Corona-Virus droht Zirkus Altoff Köllner aus Micheln das Ende

Von Frank Jungbluth 24.03.2020, 09:37
Vier Generationen Zirkusfamilie: Die Mitglieder des Zirkus Altoff Köllner dürfen ihr Winterquartier in Micheln nicht verlassen. Die Existenz ist bedroht.
Vier Generationen Zirkusfamilie: Die Mitglieder des Zirkus Altoff Köllner dürfen ihr Winterquartier in Micheln nicht verlassen. Die Existenz ist bedroht. Jungbluth

Micheln - Nico Weisheit ist der wohl traurigste Clown der Welt. Dem 23-jährigen Spross von Mitteldeutschlands bekanntester und ältester Zirkusfamilie stehen die Tränen in den Augen, wenn er sich umsieht zwischen Wohnwagen, Pferden und Rieseneseln. Er sieht seine Mutter Liane (49). Sie telefoniert viel, sie packt mit an bei der harten Arbeit wie alle aus der Familie, sie versucht alles, um zu verhindern, dass etwas Großes doch einmal vorbei sein könnte.

„Ich kann mir kein anderes Leben vorstellen“, sagt die Frau, Artistin und Mutter. Sie ist im Wohnwagen groß geworden wie ihre Schwiegermutter Christa, die mit ihrem Mann Otto in der abgewickelten DDR die Menschen zum Lachen und zum Staunen brachte bei den vielen Tourneen, die der Zirkus Altoff Köllner durch die vergangene Republik gemacht hat.

Liane Weisheit und ihr Mann Karl Altoff Köllner kämpfen den aussichtslosen Kampf gegen das verdammte Virus, gegen Covid 19. Das Virus tötet nicht nur, es vernichtet auch Existenzen. Gut 500 Euro im Monat kostet die Familie das Überleben für sich und die Tiere im Winterquartier in Micheln am Rande des Dorfes. Sie sind dort gefangen, weil sie nicht mehr auftreten dürfen, weil sie das Zirkuslied nicht mehr spielen dürfen, weil die bezaubernde Jeannie sich nicht mehr so atemberaubend verbiegen darf, weil sie kein Publikum mehr haben.

„Noch sind wir alle gesund, aber die Herzen sind schwer bei der Vorstellung, dass das alles vorbei sein könnte“

Im großen Stall der Michelner LPG füttert Karl Altoff Köllner seine Friesenpferde. Draußen auf der Wiese traben die Dromedare, die Hunde bellen nach Fleisch, sie bekommen noch etwas, die Familie des Zirkusdirektors versagt sich solchen Luxus in diesen Tagen, denn das Geld reicht vorne und hinten nicht. Sie haben es vor zwei Wochen mit einem Auftritt in Merseburg versucht, da war auch schon kaum Publikum da, wie Liane Weisheit traurig erzählt.

Dann kamen die Absagen aus Weimar und von andernorts, dann kam das Verbot und jetzt achten alle darauf, dass Christa, die Oma der Artistenfamilie, ihren Wohnwagen nur selten verlässt, damit ihr nichts passier. Die 79-Jährige ist als ältere Dame besonders gefährdet, sich anzustecken und dann womöglich einen schweren Verlauf der Krankheit zu haben, oder sogar am Ende daran zu sterben.

„Noch sind wir alle gesund, aber die Herzen sind schwer bei der Vorstellung, dass das alles vorbei sein könnte. Wir können alle nichts anderes, wir wollen nichts anderes, der Zirkus ist unser Leben. Alles andere würde ich wohl nicht überleben“, sagt die stolze Frau mit der langen Tradition in ihrer großen Familie, die sie zusammenhalten will.

Karl Altoff Köllner bittet um Hilfe für die Tiere und den Zirkus

40 Tiere und 20 Menschen, das ist die bunte Truppe, die sich in Micheln über den Winter einquartiert hatte. Sie haben sich vorbereitet, sie haben hart gearbeitet und fleißig trainiert. Jake ist sieben Monate alt, Cabe erst neun. Sie sind die jüngsten aus den Familien Weisheit und Altoff Köllner, sie sind die Hoffnung von Christa und Liane Weisheit, dass es weitergeht mit der Tradition, dass der Zirkus nicht stirbt. „Aber, wenn man kein Geld verdient, dann ist es irgendwann zwangsläufig vorbei“, sagt sie.

Karl Altoff Köllner ist an diesem Tag mit einem Mitarbeiter ins Kaufland in Köthen gegangen und hat dort ein Schild aufgestellt. Er bittet um Hilfe für die Tiere und den Zirkus. Er muss betteln, das ist für einen stolzen Zirkusdirektor ein schwerer Weg. Immerhin, die Familie gibt nicht auf, sie laden die Menschen nach Micheln ein, sie sollen dort die Tiere besuchen, vielleicht ein wenig Artistik sehen, vielleicht ein bisschen spenden, damit die Familie ihren Betrieb durch die harte Zeit retten kann. (mz)