Chemie aus dem Untergrund Chemie aus dem Untergrund: Naphthalin-Belastung in der Naumannschule Köthen entdeckt

Köthen - Mit der Naphthalinbelastung von Schulen hat die Stadt Köthen schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht, als vor einigen Jahren in der Ratkeschule Ausgasungen des aromatischen Kohlenwasserstoffs die Verwaltung zu erheblichen und teuren Sanierungen zwang. Jetzt hat sich ein gleichartiges, wenn auch in der Dimension kleineres Problem in der Naumannschule aufgetan.
„Wir mussten im Nebengebäude der Schule, das aus DDR-Zeiten stammt, drei Räume schließen“, sagt Bauamtsleiterin Katrin Töpfer. Dabei handelt es sich um den Kunstraum, um einen Vorbereitungsraum und um einen Raum für die pädagogischen Mitarbeiter und die Hausaufgabenbegleitung.
Zutage getreten ist das Problem - wie immer - durch Geruchsbelästigungen. „Als wir damit konfrontiert wurden“, so Sozialdezernent Alexander Frolow, „hat das Schulamt der Stadt umgehend bei der Unfallkasse entsprechende Messungen in den Räumen beauftragt.“
Hohe Naphthalin-Konzentration in mehreren Räumen der Naumannschule
Dabei stellte sich heraus, dass im Vorbereitungsraum und im Raum der Hausaufgabenbegleitung die Naphthalin-Konzentration sehr hoch („über dem Richtwert“) war, wenn die Messung unter so genannten Ausgleichsbedingungen erfolgt war - was bedeutet, dass man in dem Raum nach einer unbelüfteten Nacht Messungen vornimmt. Dagegen hat die Messung unter Nutzungsbedingungen (zehn Minuten Stoßlüftung vor der Messung) keine Richtwertüberschreitung ergeben.
Im Kunstraum fand sich zwar wenig Naphthalin in der Luft, dafür aber Phenoxyäthanol und 2-Äthylhexanol - und die gemessenen Konzentrationen lagen um das Zehnfache über dem Wert, der als Unbedenklichkeitsempfehlung gilt. Man merkt übrigens durch den beißenden Geruch schnell, wenn sich beide Stoffe in der Luft befinden: Es kratzt im Hals, die Augen tränen.
Reagiert wurde auf die Messergebnisse zum einen dadurch, dass die betroffenen Räume nicht mehr für den Schulbetrieb genutzt wurden, zum anderen dadurch, dass in den drei Räumen Kernbohrungen durchgeführt wurden. „Ergebnisse gibt es aber noch nicht“, sagt Katrin Töpfer.
Die Ursache der Ausdünstungen ist bislang noch nicht gefunden
Die darauf hofft, dass die Resultate der Kernbohrung auch Aufschluss darüber geben, wie es überhaupt zu den Ausgasungen kommen konnte und wo deren Quelle liegt. Zu Letzterem gibt es immer schon sehr starke Vermutungen, dass das Übel - wie in der Ratkeschule - im Fußboden liegt. Oder vielmehr in dem Material, das zu DDR-Zeiten zwischen Zementestrich und Fußbodenbelag eingebaut worden ist.
Und das in dem Nebengebäude der Naumannschule bei der Sanierung vor einigen Jahren nicht entfernt, aber wahrscheinlich beeinflusst wurde. „Damals wurde nur neuer Belag aufgebracht“, sagt Katrin Töpfer, die es für möglich hält, dass zum Beispiel der Weichmacher aus dem neuen Bodenbelagskleber mit dem alten Untergrund reagiert habe, so dass dadurch die Äthanole freigesetzt wurden, die dann in Gasform sukzessive in die Raumluft einsickerten.
„Eventuell über offene Fugen im Belag.“ Genau diese Fragen soll die Untersuchung der Kernbohrungen klären helfen. Und natürlich die Richtung vorgeben, wie mit dem Problem langfristig umgegangen werden muss.
Klassenräume im Hauptgebäude haben eine kohlendioxidgesteuerte Frischluftzufuhr
Trotz aller Probleme, die da auf die Stadt zukommen können, gibt es auch eine gewisse Erleichterung. „Wir haben zusätzliche Raumluftmessungen auch im Hauptgebäude der Schule vornehmen lassen“, sagt die Bauamtsleiterin. Und zwar an den einzigen beiden Räumen der Schule, die keine Lüftungsanlage haben. Dabei handelt es sich um zwei Räume des Hortes, „aber auch hier gibt es noch keine Resultate“.
Die Klassenräume im Hauptgebäude unterliegen nicht der Gefahr, dass dort gefährliche Gerüche sich so weit anreichern könnten, um Grenzwerte zu überschreiten. Die Räume haben eine kohlendioxidgesteuerte Frischluftzufuhr.
Ein unwägbares Risiko lauert allerdings noch im Hintergrund
Das heißt, das Gebläse springt automatisch an, wenn sich der Anteil an CO₂ in der Raumluft einer definierten Grenze nähert - und das ist mehrfach am Tag der Fall; weit bevor sich etwaige Konzentrationen an Naphthalin und Co. aufbauen können.
Ein unwägbares Risiko lauert allerdings noch im Hintergrund: Am 5. Februar wurde auch die Raumluft in der ebenfalls im Nebengebäude befindlichen Turnhalle gemessen. Ergebnis: noch offen. Wenn allerdings dort saniert werden muss, werden die finanziellen Folgen weit über dem liegen, was durch die Sanierung der drei Räume im Nebengebäude ohnehin schon auf die Stadt zukommt. (mz)