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Blutwurst war sein erstes Honorar

Von CLAUS BLUMSTENGEL 29.05.2009, 16:19

THURAU/MZ. - Den 74. hatte er voriges Jahr mit vielen Gästen aus dem Dorf auf seinem Grundstück in Thurau gefeiert. Seinen 75. Geburtstag verbrachte Karlheinz Klimt irgendwo auf der Autobahn zwischen Südtirol und Köthen. An jenem 26. Mai nämlich kehrte der Puppenspieler, Schriftsteller und promovierte Zoologe von einer Gastspielreise in Österreich und Italien zurück. In Bozen, der Hauptstadt von Südtirol, trat er mit seiner Bühne "Puppen-Doctors Puppen-Käst'l" während eines zehntägigen Kinderfestes auf. Außerdem absolvierte er mit den Puppen und seiner Drehorgel Auftritte in Österreich. Das Nachbarland ist dem Künstler vertraut, war er doch mit seiner Bühne Jahre lang regelmäßig im Kinderparadies "Böhmischer Prater" in Wien zu Gast.

Anlass für Rückblick

Wenn er an seinem Geburtstag auch nicht feiern konnte, so war er ihm doch Anlass, auf einige Stationen seines beruflichen und künstlerischen Werdegangs zurückzublicken. Auf jenen letzten Tag in seinem Geburtsort in Böhmen im Jahr 1945 zum Beispiel, als der Elfjährige aus einem Schützengraben Lehm mitbrachte und daraus Puppengesichter formte. Am nächsten Tag wollte er weitermachen, doch musste er mit seinen Eltern Hals über Kopf die Heimat verlassen.

Nie vergessen wird er den Tag, als ihm ein Freund im neuen Wohnort Bergen bei Wanzleben einige Handpuppen gab. Vor dem Dorffest ging der Junge zum Bürgermeister und bot an, ein Puppenspiel aufzuführen. Er war an den Richtigen geraten, der Gemeindevorsteher lief mit ihm zum Stellmacher und gab für das Dorffest eine Puppenbühne in Auftrag. So hatte Karlheinz Klimt im Oktober 1945 im Alter von elf Jahren vor 200 Zuschauern seinen ersten Auftritt, für den er eine Blutwurst bekam. "Das war damals ein anständiges Honorar", blickt Klimt auf die entbehrungsreiche Zeit zurück. Dann ist er Lehrer geworden, hat als Ökologe an der Hochschule in Köthen gearbeitet und als Zoologe promoviert.

Seit früher Jugend hatte er Stücke für Schulaufführungen geschrieben. Stücke aus seiner Feder führte er später nicht nur im eigenen Puppentheater auf, auch der Rundfunk sendete Hörspiele von ihm. Schließlich wurde das DDR-Fernsehen auf Karlheinz Klimt aufmerksam. Dramaturgin Katrin Treppschuh (u.a. "Rentner haben niemals Zeit") fragte ihn Anfang der 80er Jahre gar, was er gern für das Fernsehen schreiben möchte.

Zu wenig Optimismus

Entstanden ist die siebenteilige Serie "Bereitschaft Dr. Federau" über die Schnelle Medizinische Hilfe in der DDR, die auch heute noch ab und zu läuft. Für die damaligen Kulturpolitiker gab es darin jedoch zu viel Leid, zu viele Tote und zu wenig sozialistischen Optimismus. Nach fünfjährigem Schlaf des Drehbuches in der Schublade begannen die Dreharbeiten mit Uta Schorn in der Hauptrolle schließlich erst nach einer Intervention Klimts bei Gesundheitsminister Mecklinger. Der hatte dem Autor vorher schließlich einen medizinischen Berater zur Verfügung gestellt. Während der Dreharbeiten entdeckte ein anwesender Arzt jedoch: Die wunderbaren Medikamente, die jener ministerielle Berater ins Drehbuch eingefügt hatte, gab es nur im Regierungskrankenhaus . . .

Klimts zweites Drehbuch zur Arzt-Serie "Ihr Patient, Herr Kollege?!", das er während der Wende geschrieben hatte, blieb Anfang der 90er Jahre trotz Vertrags in der Schublade. "DDR-Produktionen wurden damals bewusst abgewürgt", ist der Autor überzeugt.

In Köthen und Umgebung wurde Karlheinz Klimt als Puppenspieler und durch Auftritte mit seiner Drehorgel und dem Orchestrion bekannt. Das stehe heute leider viel zu oft stumm auf dem Hof, weil sich viele Veranstalter unter diesem stimmgewaltigen historischen Instrument nichts vorstellen könnten, beklagt der Künstler.

15 Jahre hat er das "Wohlklingende Cöthensche Klassik-Drehorgel-Otium" mit Kollegen aus ganz Europa organisiert sowie die Anhaltischen Literaturtage. Ein von ihm geschriebenes Stück über Johann Sebastian Bach wurde mehrfach aufgeführt. In diesem Sommer organisiert Klimt mit zahlreichen Mitwirkenden das 14. Puppentheaterfest, unter anderem mit zehn Vorstellungen in Bernburg, zwei Vorstellungen in Wolfen und vier in Aschersleben. Köthen ist leider wegen einer konkurrierenden ähnlichen Veranstaltungsreihe nicht mehr mit dabei. "Die Kreisreform hat viele Strukturen für solche Kulturveranstaltungen aufgeweicht", bedauert Puppenspieler Klimt. Deshalb werde es das letzte von ihm organisierte Puppentheaterfest sein.

Zeit für Bitterkeit bleibt ihm nicht. Im Auftrag des Landkreises Herzberg bearbeitet er gerade die Oper "Montezuma" von Carl Heinrich Graun mit dem Text von Friedrich II. als Puppenspiel. Und dann ist ihm seine Tochter Uta Krieg eine wahre Freude. Sie ist Mitglied des Puppenspieler-Ensembles am Anhaltischen Theater Dessau. Ein Besucher ihrer Vorstellung habe sogar mal gemeint, sie sei besser als ihr Vater. "Für mich kann es gar kein schöneres Kompliment geben", meint Vater Klimt, der seine Tochter, die ursprünglich Lehrerin war, ermutigt hatte, den künstlerischen Weg einzuschlagen.

Karlheinz Klimt ist ein optimistischer Mensch und kehrte mit vielen neuen Eindrücken und Ideen von seinem Gastspiel zurück, auf dem ihn seine Frau Renate begleitete, die er voriges Jahr nach zehnjähriger Partnerschaft geheiratet hat. Seine Puppen möchte er noch lange "tanzen" lassen. "Ich habe mein halbes Leben lang den Menschen Vergnügen bereitet, und das will ich weiter tun. Außerdem glaube ich, dass ich noch etwas zu sagen habe", so Klimt.