Besuch in der Bäckerei Besuch in Köthener Bäckerei: Bei Großes gehören Dominosteine zum Weihnachtssortiment

Köthen - Wenn Sven Szczecinski-Große seinen Wecker nicht hätte… „Ich würde verschlafen.“ Klingelt der, ist die Nacht noch jung. Doch der Bäckermeister muss raus. „Meistens gegen drei Uhr.“ Und jetzt in der Adventszeit ist drei Uhr schon spät.
Der kleine Laden in der Eduardstraße/Ecke Aribertstraße setzt auf Handarbeit. Deshalb überlegt sich der Köthener auch gut, welche Leckereien er seinen Kunden anbietet. Er muss es schließlich schaffen. Neben Brot, Brötchen, Kuchen füllt seit ein paar Wochen weihnachtliches Gebäck die Auslage. Anisplätzchen, Kokosmakronen - und Dominosteine.
Die köstlichen Würfel gehören bei Sven Szczecinski-Große seit vielen Jahren schon zum vorweihnachtlichen Angebot. Entdeckt haben seine Frau und er Dominosteine im Urlaub. Als sie damals in Templin in ein Café gehen und das Gebäck entdecken, entschließen sie sich zu einer Kostprobe. Der Dominostein besteht die harte Prüfung der kleinen Köthener Expertenjury - und wird im Jahr darauf zur Adventszeit kurzerhand selbst gebacken. Den Anstoß, erinnert er sich, habe seine Frau gegeben. Seither gehören Dominosteine zum festen Sortiment.
Dominosteine als kleine geschichtete Pralinen für eine breite Käuferschicht
1936 ist es der Dresdner Chocolatier Herbert Wendler (1912-1998), der den Dominostein laut des Verbraucherportals des Freistaates Sachsen erfunden hat. Er will mit dieser kleinen geschichteten Praline breite Käuferschichten ansprechen. Damals sucht er etwas, das günstiger ist als seine handgefertigten Pralinen aus der Manufaktur. Und so erreichen Herbert Wendlers Dominosteine während des Zweiten Weltkrieges als „Notpraline“ eine gewisse Popularität.
Der Köthener Bäckermeister gibt den Dominosteinen vor Jahren eine Chance, „weil sie schmecken“. Dabei verdrängt er die Tatsache, dass die Würfel doch „relativ viel Arbeit machen“. Alle Jahre wieder. Eine Überzugmaschine oder sonstige Gerätschaften, die Sven Szczecinski-Große und seinem Gesellen die Dominostein-Produktion etwas erleichtern könnten, sucht man in der Backstube vergebens. „Das lohnt sich für uns nicht.“ Der kleine Betrieb setzt vollends auf Handarbeit.
Dominosteine gibt es in der Bäckerei Große immer dann, wenn es Lebkuchen gibt. Der Chef erzählt, dass er damit etwa eine Woche vor dem Ersten Advent anfange. Er produziert in Abhängigkeit der Nachfrage. „Wenn keine mehr da sind, dann machen wir neue.“ Blechweise geschieht das. 150 Stück passen auf ein Alublech, das dank seiner hohen Kanten perfekt für diese Süßigkeit ist. Vier mal vier mal vier Zentimeter misst ein einziger Dominostein aus Sven Szczecinski-Großes Produktion. Dass die aus dem Supermarkt deutlich kleiner sind, ist ihm natürlich bewusst, „aber wir verkaufen sie als Stückware“.
Hauptbestandteil eines jeden Dominosteins ist Lebkuchenteig
Hauptbestandteil eines jeden Dominosteins ist Lebkuchenteig. Den macht Sven Szczecinski-Große auch selbst. Obwohl das - gerade jetzt im Advent - eine Zeitfrage sei. Der Lebkuchenteig wird schließlich ausgerollt, so dass er circa anderthalb Zentimeter dick ist. Es braucht zwei Platten Lebkuchenteil für eine Charge Dominosteine. Die Platten werden dann gebacken und erst einmal beiseite gestellt, denn jetzt müssen sie abkühlen. In seiner Bäckerei wird die Lebkuchenplatte im nächsten Schritt dünn mit Marzipan bestrichen. Vor allem dünn müsse die Schicht sein, „weil das nicht jeder mag“.
Doch für die Haftung braucht der Dominostein ein bisschen Marzipan. Aprikosengelee komplettiert nun den Dominostein in der Köthener Bäckerei. Es wird aufgekocht und warm auf der mit Marzipan eingestrichenen Lebkuchenplatte verteilt, „so dass es schön einziehen kann“. Die zweite Lebkuchenplatte bildet den Abschluss. Jetzt bekommt das Gebäck eine Pause. Fehlt nur noch das Schokoladenbad. Sven Szczecinski-Große taucht die akkurat geschnittenen Vierecke einzeln in die dunkle Kuvertüre und stellt sie danach auf ein Gitter, darunter ein Blech, um die herunterlaufende Schokolade aufzufangen.
Für den Bäckermeister gehören die schokoladigen Würfel längst zum weihnachtlichen Standardsortiment
Der 49-Jährige präsentiert die fertigen Gebäckstücke und übergibt sie seiner Frau, damit sie den Laden damit bestücken kann. Er weiß: „Nicht jeder mag Dominosteine.“ Viele Kunden, berichtet seine Frau Elke, würden deshalb fragen, ob sehr viel Marzipan enthalten sei.
Für den Bäckermeister, dessen Großeltern aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet stammen, 1945 geflüchtet und schließlich in Radegast gelandet sind, gehören die schokoladigen Würfel längst zum weihnachtlichen Standardsortiment. Er esse sie selbst auch ganz gern, gesteht er - wie vieles, was er im Geschäft anbietet. Der verstohlene Blick auf seinen Bauch soll vermutlich bedeuten, dass er hin und wieder besser die Finger vom Süßen lassen sollte. Doch das falle ihm gerade jetzt schwer.
Am Wochenende hat der kleine Vorrat an Dominosteinen ziemlich abgenommen. So dass die nächsten 150 Stück produziert werden müssen. Einen guten Grund hat er. (mz)
