Besuch beim Piloten Besuch beim Piloten: Der Köthener Flugplatz ist ein Hort der Geschichte

Köthen - Der Westwind pfeift kalt über das dürre Gras und jagt am Himmel die Wolken zum Horizont. Die Wetter-App attestiert Böen bis 55 Stundenkilometer Geschwindigkeit, irgendwo zwischen Beaufort 6 und 7. Ein Wetter, das nicht einmal einen Vogel in die Höhe lockt.
Geschweige denn einen Flieger: Auf 51˚ 43’ 32’’ Nord und 11˚ 57’ 11’’ Ost steht man in etwa drei Metern Höhe mit bester Sicht auf Hangar und Landebahn. „Nein“, sagt Jürgen Paschmionka nach prüfendem Blick, „das ist kein Flugwetter heute.“
Paschmionka weiß wovon er redet. Der 63-Jährige, geboren in Raguhn, wohnhaft in einem Dessauer Vorort, ist nicht nur Pilot, sondern seit sieben Jahren auch noch Vorsitzender des Flugsportvereins Köthen. Dessen Heimat ist der Flugplatz am südlichen Rand der Kreisstadt - und dieser Flugplatz wiederum spielt in der Geschichte der Luftfahrt keine ganz unbedeutende Rolle.
In Köthen starteten die Segelflieger der Fluwiac ab 1923
Zwar findet sich hier nicht die Keimzelle der deutschen Motorfliegerei; die sucht man eher in Johannisthal oder in Magdeburg auf dem Cracauer Anger oder in Dessau, aber in Köthen starteten die Segelflieger der Fluwiac ab 1923 oder ab 1927 dann auch die Motorflieger „Rosemarie“ und „Agathe“. 1936 beginnt dann die Geschichte des Fliegerhorsts in Köthen und damit die Verankerung Köthens auf der Landkarte der militärischen Fliegerei. Erst im Mai 1991 war damit Schluss.
Nachdem 1945 die letzten Heinkel 111 der deutschen Luftwaffe in Richtung Verschrottung verschwanden, zogen später die letzten MiG 29-Jagdflugzeuge der GSSD gen Osten ab. Und der Flugplatz stand nun wieder der ausschließlich zivilen Nutzung zur Verfügung.
Womit man wieder bei Jürgen Paschmionka ist und dem 1992 gegründeten Flugsportverein. Der es seither geschafft hat, den Flugplatz am Leben zu erhalten, auch wenn das nicht immer leicht war und ist. „Der Verein betreibt diesen Platz und erhält ihn für Köthen als Sonderlandeplatz“, beschreibt Paschmionka.
„Wenn man einen solchen Platz hat, kann man den nicht aufgeben“
Wobei das Grundstück, auf dem der Verein zu Hause ist, sich im Eigentum der Wimex befindet. Da habe es anfangs ein paar Turbulenzen gegeben und Befürchtungen um den Fortbestand des Vereins, weil die Wimex Ambitionen hegte, dass Terrain wirtschaftlich zu nutzen. Aber inzwischen habe man eine „solide Grundlage für unsere weitere Existenz“. Auch in den Verkehrsplanungen des Landes ist der Platz fixiert - „wenn man einen solchen Platz hat, kann man den nicht aufgeben“, findet Paschmionka.
Der auch unterstreicht, dass die zivile Luftfahrt durchaus keinen Bogen um die Landebahn von Köthen macht, wiewohl diese eher für kleinere Fluggeräte ausgelegt ist. Als Start- und Landebahn dient ein etwa 800 Meter langer und 15 Meter breiter früherer Rollweg, der Flugplatz mit dem ICAO-Code EDCK findet sich als so genannter PPR-Platz in den Akten des Luftfahrtbundesamtes. PPR steht für
Prior Permission Required, zu Deutsch: vorherige Genehmigung erforderlich. „Von April bis Oktober ist der Platz am Wochenende generell offen, dann sind Landungen möglich“, erläutert Jürgen Paschmionka die Funktionsweise des Flugbetriebs. Was bedeutet, das jedes Vereinsmitglied zwei, drei Wochenenden im Jahr Dienst tut, um anfliegende Maschinen sicher zur Landung zu lotsen und bei Bedarf auch wieder starten zu lassen.
aschmionka managt den Flugverkehr in Köthen
Im Sommer gelte PPR auch in der Woche - und Paschmionka managt den Flugverkehr. „Es kommen hier schon einige Flugzeuge an“, sagt der Vereinschef. Fremde Flieger, auch Flugschulen nutzen den Sonderlandeplatz Köthen gern. Und die Vereinsmitglieder halten ihrerseits gern die Stellung an Tower, Bahn und Hangar. Denn nicht zuletzt frönen sie hier ihrem Hobby.
Eine Vereinsmaschine, die es vor Jahren noch gab, existiere zwar nicht mehr, und es gibt auch keine Pläne für eine Wiederanschaffung, „aber derzeit gehören zum Verein neun private Flugzeuge“. Was in der Konsequenz bedeutet, dass jemand, der im Verein mitmachen und fliegen will, entweder ein eigenes Flugzeug hat, sich mit dem Gedanken trägt, eins zu kaufen oder in eine Haltergemeinschaft einsteigt - Plane-Sharing, könnte man das auf Neudeutsch nennen.
Auch Paschmionka, von Beruf Technischer Leiter am Anhaltischen Berufsschulzentrum in Dessau, hat zunächst gemeinsam mit einem anderen Piloten ein Flugzeug „bewirtschaftet“.
Erst mit 48 Jahren saß Jürgen Paschmionka auch selbst am Steuerknüppel
Und sich damit einen Kindheitstraum erfüllt. Denn die Fliegerei hat ihn schon früh interessiert, ohne dass er den großen Kisten wirklich nahegekommen wäre. „Als Kind habe ich Flugmodelle bei der GST gebaut“, denkt Paschmionka zurück. In Raguhn habe es eine große Truppe Modellbauer gegeben.
Aber erst mit 48 Jahren, ein gutes Stück nach der Wende, saß Jürgen Paschmionka auch selbst am Steuerknüppel. Zunächst nur ausnahmsweise, wenn ein Ex-Kollege, der eine C-22 Ikarus, einen Ultraleichtflieger, mit Zwei-Mann-Steuerung besaß, ihn mal ans Ruder ließ. „Ich wollte aber selbst fliegen und nicht nur aus dem Fenster gucken“, sagt Paschmionka. Der dann eifrig Theorie und Praxis bimste und sich nahezu zeitgleich zum Pilotenschein auch eine eigene Ikarus zulegte, gemeinsam mit einem anderen Flieger. „Da hatten wir Glück. Die Maschine war sehr preiswert.“
Vom Fliegen ist Jürgen Paschmionka bis heute so fasziniert wie am ersten Tag
Vom Fliegen ist Jürgen Paschmionka bis heute so fasziniert wie am ersten Tag. Ob es mit dem ULF in den Urlaub geht oder nach Stuttgart oder anderswohin - allein in Deutschland gibt es 391 Verkehrs- und Sonderlandeplätze. „Allerdings ist der Ikarus nur für schönes Wetter geeignet“, meint Paschmionka. Was bedeutet, dass man auch mal am Boden bleiben muss, wenn der Wettergott ein wenig zwinkert.
Umso mehr setzt man darauf, dass am 7. Dezember das Flugwetter mitspielt, wenn wieder der Nikolaus auf dem Flugplatz landet. Das ist - neben dem Flugtag - eine Tradition, die der Verein den alten Traditionen hinzugefügt hat. Auch auf diese Weise will man Spuren hinterlassen - in der Hoffnung, den eigenen Anteil an der Geschichte der zivilen Luftfahrt noch möglichst lange fortschreiben zu können. (mz)
