Behindertenwerkstatt in Köthen Behindertenwerkstatt in Köthen: Mitarbeiter fordern Lohnerhöhung

köthen/MZ. - Landessozialminister Norbert Bischoff (SPD) wird demnächst Post bekommen. Viel Post. Der Termin freilich steht noch nicht fest, denn Bischoff bekommt die Post nicht per Post, sondern per Boten. „Wir wollen die Karten dem Minister persönlich übergeben“, sagt Günter Kurczyk. Kurczyk ist Leiter der Werkstatt für behinderte Menschen in Neinstedt und in diesem speziellen Fall „Postbote“: Er sammelt in Anhalt die Karten ein, die der Minister bekommen soll. Lesen muss Bischoff eigentlich nur eine einzige der vielen Tausend Karten - der Text ist überall derselbe: Bischoff wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, „dass die Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe in Sachsen-Anhalt kostendeckende Entgelte erhalten, um die gesetzlichen Aufgaben erfüllen zu können“.
Es geht um mehr Geld für die Mitarbeiter nicht nur der Lebenshilfe, sondern um die Mitarbeiter aller Einrichtungen, die in Sachsen-Anhalt geistig und mehrfach behinderte Menschen betreuen. „Außer uns sind das die Caritas, die Diakonie und das DRK“, zählt Holger Schiedewitz, Geschäftsführer der Lebenshilfe in Köthen, auf. Landesweit handelt es sich um 30 Werkstätten. In denen die Mitarbeiter seit 2009 keine Lohnerhöhung mehr bekommen haben. Die aber ist ohne mehr Geld vom Land nicht möglich. „Bischoff hat ja gesagt, dass er Bezahlung nach Tarif wünscht“, so Schiedewitz. Das hieße dann aber auch, dafür die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Auch der Haustarif, den die Lebenshilfe zahlt, hänge letztlich finanziell von den Magdeburger Zuwendungen ab. „Ohne Geld verlieren wir Fachkräfte“, sagt Schiedewitz. Im Dezember vergangenen Jahres ist dies zum ersten Mal passiert: Eine Mitarbeiterin aus dem Kita-Bereich der Lebenshilfe hat gekündigt, weil sie anderswo mehr verdienen konnte.
Die Lebenshilfe erhalte, sagt der Geschäftsführer, die Personal- und Sachkosten vom Land. Und hierbei sei auf eine strenge Trennung beider Bereiche zu achten. Die Mittel hingegen, die die gemeinnützige Gesellschaft aus ihrem Geschäftsbetrieb erwirtschaftet, gehen nicht in diesem Kostenblock ein. „Die Erträge aus dem Geschäftsbetrieb gehen zu 70 Prozent an unsere behinderten Mitarbeiter und zu 30 Prozent in Ersatzinvestitionen.“ In der Lebenshilfe Köthen ist man durchaus hoffnungsfroh, dass das Land der Tariferhöhung zustimmen wird. „Sieben Prozent sollen dazukommen“, sagt Schiedewitz. Nach so vielen Jahren ohne eine Erhöhung sei das nicht unverschämt, zumal die Lebenshaltungskosten seitdem sich sehr stark nach oben entwickelt haben. Die Zustimmung der an der Kartenaktion beteiligten Einrichtungen ist jedenfalls immens. In Köthen haben von 312 Mitarbeitern 278 an Bischoff geschrieben. „Postbote“ Kurczyk hat inzwischen um die 2 000 Karten aus Bernburg, Köthen, Dessau-Roßlau und Wittenberg eingesammelt. Und das ist ja noch nicht das ganze Land.